Was ist ein Zukunftsforscher? Einer, der vier grundverschiedene Szenarien für die Zukunft voraussagt und dann wahrscheinlich behaupten kann: Ich hab´s ja gewusst. So wie die nette ältere Dame mit der Kristallkugel Glück am dritten Tag prognostiziert aber nie sagt, wann die Zählung der Tage anfängt. So eine Dame ist Matthias Horx. Halt, sagen Sie, der ist doch ein Mann. Aber sicher nicht mehr lange. Denn jüngst erklärte Horx in der "Süddeutschen Zeitung", dass "Die Finanzkrise . . . auch eine Testosteron-Krise" ist und wenn mehr Frauen an der Macht wären, dann wäre alles ganz anders. Also wird Horx, der seit Jahren immer mal wieder einen Trend erfindet, sich diesem sicher anschliessen, in die Kleider seiner Frau schlüpfen und mit zarter Stimme das Lied vom "Megatrend Frauen" singen: Frauen seien nicht so risikobereit, seien verantwortungsbewusster und ihr Machtwillen sei nicht so ausgeprägt.

Das schöne an der Zukunftsforschung ist, dass ihre Ergebnisse, wenn die Zukunft eintritt, meist vergessen sind. Doch diesmal hat Horx ja von der Jetztzeit gesprochen und die ist, selbst für einen Schwadroneur wie ihn, kontrollierbar: Es war die Witwe Schaeffler, die ihren Kugellager-Laden durch ein hochriskantes Übernahmeprojekt in die Krise geführt hat und nahezu das Reifenunternehmen Conti mit in den Abgrund gerissen hätte. Und, so erzählt uns das Grundgesetz, der Bundeskanzler ist im Kriegsfall der oberste Kommandeur der Bundeswehr. Haben wir einen Krieg in Afghanistan? Haben wir eine Frau als Kanzler? Die dämliche Wirklichkeit kann den Trend-Erfinder Horx nicht erschüttern. Denn natürlich ist "Eine Krise . . . auch immer eine Chance". Die Chance auf Mord und Selbstmord eingeschlossen. Manchmal wirft der Sumpf Blasen und dann sondert er solche Sätze ab: "Die Krise ist ja auch eine heilsame Erfahrung". Solche Horx-Sprüche werden den Arbeitslosen mächtig Trost spenden.

Horx, der über ein eigenes "Zukunftsinstitut" verfügt, lebt in der Steueroase Österreich. Wenn es um seine finanzielle Gegenwart geht, denkt der gebürtige Düsseldorfer praktisch. Auch deshalb ist er im Beirat von "berlinopolis" einem Lobbyunternehmen, das der Deutschen Bahn Dienste der besonderen Art leistete: Im Tarifkonflikt zwischen der Bahn und den Lokführern mischte sich "berlinopolis" mit Leserbriefkampagnen, bezahlten Umfragen und tendenziösen Medienbeiträgen massiv in den Konflikt ein. Natürlich ohne den wahren Absender zu nennen. Horx, der 2001 weissagte, "Globalisierung macht glücklich", prophezeite auch schon mal einen "Aufschwung der Geburtenrate" den die böse Statistik bis heute nicht bestätigen will und war (mit dem Henryk-M.- Broder-Bund "Achse der Guten") natürlich für den Irak-Krieg. Zu solch erleuchteten Positionen befähigte den Trend-Hascher ein Studium der Soziologie von immerhin 12 Jahren ohne Abschluss und eine Mitarbeit am Sponti-Blatt "Pflasterstrand". In dessen Umgebung lernte er auch Joschka Fischer kennen. Ob er auch Mitglied in Fischers Schlägertruppe war, ist nicht bekannt.

Bekannt ist Horx´ Verhältnis zu Geld: Rund 10.000 Euro nimmt er die Stunde. Wie viel er dem Beate-Uhse-Konzern für seine Studie "Sexstyles 20/10" abgeknöpft hat, verrät er nicht. Aber dass sich der Aktienkurs der Beate Uhse AG seit der Herausgabe der Studie im freien Fall befindet, weiß jeder Börsianer. Von keiner Ahnung getrübt gibt Horx immer noch einen "Zukunftsletter für Entscheider in Wachstumsmärkten" heraus. Im jüngsten Brief empfiehlt er zum Beispiel "Mikro-Banking", weil eine Bank in Utah ihr Geschäft durch die Vergabe von Krediten in Höhe von 1,2 Millionen Dollar verdoppelt habe. Solche Nachrichten sind von verblüffender Wissenschaftlichkeit. Schon, weil wir erfahren, dass eine Bank tatsächlich Kredite vergibt. Dann, dass diese exemplarische Trend-Bank im letzten Jahr wahrhaftig Kredite von ganzen 600.000 Dollar vergeben hat und in diesem Jahr Geld in der irren Höhe der Kosten eines kompletten Einfamilienhauses in guter Lage verleiht. Weniger verblüffend allerdings ist, dass die halbwegs seriöse "Süddeutsche Zeitung" einem Schmock wie Matthias Horx ein Drittel einer Seite im Wirtschaftsteil einräumt, es entspricht der Lage: Der deutsche Wirtschaftsjournalismus ist am Ende seiner Analysefähigkeit angelangt, ihm helfen nur noch Gelegenheits-Mystiker wie Horx.