Hätten Sie mal ein Stück Völkerrecht für mich? Nein, nicht das fette Stück, mager soll es schon sein und groß. Warum groß? Damit wir es zuteilen können. Und mager? Damit es schön durchsichtig ist, bitte sehr. Ungefähr so verläuft in diesen Tagen der internationale Dialog zum Völkerrecht und keiner lacht. Dass die Betroffenen nicht lachen, versteht sich. Dass eine feierliche Welt- und Medienöffentlichkeit nicht zu Lachtränen gerührt ist, kapiert nur der, dem das Recht immer als eines für sonntags erschienen ist, wenn die Reden gehalten werden und die feinen Anzüge gelüftet, wenn vom Frieden geredet und im Alltag zum Krieg gerüstet, wenn von staatlicher Souveränität getönt und werktags an den Territorien herumgeschnipselt wird.

Das Kosovo war von 1455 bis 1912 im Besitz des türkisch dominierten, Osmanischen Reiches. Die Albaner, darunter auch jene, die im Kosovo lebten, waren Vorzugsbürger: Man hatte den selben Glauben wie der Sultan, das verhalf zu Kommandostellen in der Armee, zu Posten in der Bürokratie. Das ist alles so lange her, dass die moderne Türkei heute keine Ansprüche anmeldet, sondern dem Kosovo zur frisch erklärten Souveränität gratuliert. Die Türkei ist zudem gerade schwer beschäftigt, sie marschiert, natürlich nicht zum ersten mal, aber erstmalig so demonstrativ, in den Irak ein. Außer den USA klatscht zwar keiner Beifall, aber von den europäischen Staaten ist auch kein Protest zu hören: Schließlich geht es, sagt man im Brustton falscher Überzeugung, gegen den Terrorismus.

Wenn der türkische Premier den kosovarischen Premier jüngst zur Staatwerdung telefonisch beglückwünschte, dann natürlich mit einem Augenzwinkern. Denn was für den Zwergstaat Kosovo (weniger Einwohner als Berlin) gilt, könnte für die »Türkische Republik Nordzypern« (etwa so groß wie Gelsenkirchen) auch gelten. Dass die Zahl der jeweiligen Minderheit, die irgendwo lebt, keine Grundlage für Autonomie, geschweige denn die Eigenstaatlichkeit ist, kann man prima an den Kurden zu beobachten: Zwar existieren allein auf dem Gebiet der Türkei rund zwölf Millionen Kurden, aber weder die EU noch die USA, mochten bisher dem NATO-Partner Türkei einen kurdischen Staat zumuten. Ginge es um den Grad von Unterdrückung und Menschenrechtsverletzung gegen ethnische Minderheiten, lag und läge die Türkei jederzeit vor Jugoslawien. Aber darum geht es natürlich nicht.

Kategorisch weigern sich Spanier, Griechen und Rumänen, den Staat Kosovo anzuerkennen. Die Griechen, weil sie auf keinen Fall ein türkisches Zypern auf der schönen Insel haben wollen, die sie für die ihre halten, die Rumänen, weil die auf deren Gebiet lebenden Ungarn (mehr als München Einwohner hat) dann auf dumme, eigenstaatliche Ideen kommen könnten. Und die Spanier haben Bedenken wegen der Basken, der Katalanen und der Galizier: Alle mit eigenen Sprachen begabt und zahlenmäßig den Kosovaren jederzeit überlegen. So ein kosovarisches Völkerrechts-Schnäppchen ist für die genannten Minderheiten zur Zeit nicht im Angebot.

Das allererste Land das den neuen Staat Kosovo anerkannt hat, war Afghanistan. Wäre die Lage im paschtunisch geführten Afghanistan nicht so bitter, könnte sich die Gemeinschaft der Völker auf dem Boden liegend in Lachkrämpfen winden. Neben den Paschtunen (40 Prozent) wohnen in Afghanistan Tadschiken (30 Prozent) Hazara (20 Prozent) und Usbeken (5 Prozent). Vielleicht sollte das Völkerrecht neu gefasst werden: Staat werden können Völker, die den USA als staatswürdig erscheinen. Auch das bisher nach der UN-Charta gültige Friedensgebot bedarf einer Überarbeitung: Ein militärischer Einmarsch gilt nur dann als solcher, wenn die USA ihn nicht billigen. In allen anderen Fällen kann es sich nur um eine Friedensmission handeln.

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