Leaking ist eine inhärent antiautoritäre Tat.
Julian Assange, Gründer von WikiLeaks

Die rechts schreibende "Welt" empfindet die Verhaftung eines WikiLeaks-Mitarbeiters als "tröstlich". Die mal so mal so schreibende "Zeit" fragt sich , "ob das Prinzip schrankenloser Publizität dem Gemeinwohl dient" und sagt gleich "nein" dazu. Hilary Clinton begreift WikiLeaks nicht nur als einen "Angriff auf die außenpolitischen Interessen der USA, sondern auf die internationale Gemeinschaft". Wer nicht an den Enthüllungsstorys verdient, wie der "Spiegel", dem ist die neue, massive Öffentlichkeit, die durch das weltweite Netz möglich geworden ist, ungeheuer. Dass Westerwelle kein Aussenminister ist, das war auch vor den Lecks der Rechner im US-Außenministerium bekannt, dass Frau Merkel glatt ist wie ein Aaal: Geschenkt. Seehofers Unberechenbarkeit ist keine wirkliche Neuigkeit. Aber genau diese eher pikanten Details beherrschen die Schlagzeilen.

Von der veröffentlichten Geschwätzigkeit der US-Diplomaten fast verdeckt wurde die WikiLeaks-Information, dass die britische Regierung, die dem Abkommen über das internationale Streubomben-Verbot beigetreten war, für die USA eine Ausnahme machen will: Die Amerikaner sollen ruhig weiterhin britisches Territorium für Lagerung und Transport nutzen dürfen. Dass die mörderische Waffe auch lange nach den Kriegen tötet, nicht selten Kinder, die mit den "Bomblets", den Hinterlassenschaften der Streubombe, spielen, das berührt die untertänige englische Regierung kaum. Auch die deutsche Regierung ignoriert die permanente Verletzung des internationalen Abkommens. Denn natürlich setzt der große Waffenbruder Streubomben in Afghanistan ein, und selbstverständlich protestiert der pomadige deutsche Verteidigungsminister nicht dagegen, noch zieht er deutsche Truppen ab.

Der Krieg der Server gegen WikiLeaks hat erneut begonnen. Erst entfernte der amerikanische Domain-Anbieter die Adresse von WikiLeaks aus seinem Verzeichnis und machte die Enthüllungs-Seite für geraume Zeit unsichtbar. Dann, nach dem Wechsel der Adresse in die Schweiz, wurde die Seite erneut gesperrt. Noch ist WikiLeaks allerdings unter rund 20 neuen Adressen zu erreichen. Unter anderem unter wikileaks.de. Wie lange die Enthüller dort noch zu erreichen sind, ist ungewiss. Denn schon 2009 hat der deutsche Domain-Verwalter DENIC, die Seite von WikiLeaks zeitweilig abgeschaltet. Kurz danach folgte die Regierung des Iran, die Informationen über einen Unfall in einer iranischen Atomanlage verhindern wollte. Dass nach Julian Assange parallel zur Blockierung von WikiLeaks wegen einer behaupteten Vergewaltigung gefahndet wird, ist ein bisschen viel Zufall.

Der Iran gehört auch zur sonderbaren Argumentationskette, an die "DIE ZEIT" WikLeaks gern gelegt sähe: Der Iran könnte mit Zitaten aus WikiLeaks einen Angriff auf Israel und jene arabische Staaten begründen, die sich für einen präventiven Militärschlag auf den islamischen Staat ausgesprochen hatten, wie es aus den gehackten Dokumenten des amerikanischen Aussenministeriums hervorgeht. Nicht ein möglicher Weltbrand, vom nahem Osten ausgehend, steht im Mittelpunkt der ZEITgeistigen Sorge, sondern die vorgebliche Gefahr, die von WikiLeaks ausgeht. Hier spricht nicht nur der verlegerische Neid auf den "Spiegel", der mit der Bearbeitung und Veröffentlichung der Leck-Dokumente eine schöne Erhöhung der Auflage verzeichnet. Hier ist die Spur erkennbar, die Hilary Clinton mit den "Interessen der internationalen Gemeinschaft" gelegt hat: Regierungshandeln soll möglichst weiterhin undurchsichtig bleiben.

Informationen sind Macht. Wer über sie verfügt, wer sie nicht herausgibt, kann jene Interessen verschleiern, die hinter den Projekten der jeweiligen Regierungen stehen. Das gilt für "Stuttgart 21" ebenso wie für den Krieg in Afghanistan. Der Krieg der Server ist der asymetrische Kampf des Unten gegen das Oben. Nicht schlecht wäre deshalb auch ein elektronischer Einbruch in das europäische Finanzsystem. Vielleicht könnte so das Dunkel erhellt werden, in dem sich die staatlichen Subventionen der Spekulations-Banken verbergen. In einer Zeit, in der im Bundestag die Almosen-Debatte aufgeführt wird, während es doch in Wahrheit um eine Arbeitsplatzdebatte gehen sollte, wäre die Enthüllung über die Verbindungslinie zwischen staatlichem Handeln und privater Profitmacherei ein höchst sachdienlicher, antiautortärer Akt.