"Je mehr Geschäfte wir mit der Bundeswehr machen, um so erfolgreicher sind wir auch auf anderen Märkten", kann man aus den Führungsrängen des größten deutschen Rüstungskonzerns, der Rheinmetall AG, hören. Denn die vom Verteidigungsminister Guttenberg jüngst reklamierte Verknüpfung von "Sicherheits- und Wirtschaftsinteressen" bezieht sich in Wahrheit kaum auf die populäre Sicherung der Handelswege, den Kampf gegen die Piraterie. Es geht um Höheres. Um den dritten Platz der Bundesrepublik als Rüstungsexporteur. Ein Platz, der nur zu halten ist, wenn die Bundeswehr auch eifrig mit dem teuren Gerät im praktischen, blutigen Einsatz übt. So muss man die Einsätze der Bundeswehr - die zu gerne als Kampf gegen den Terror verkauft werden - durchaus auch als Marketingveranstaltungen begreifen.

In einer Grundsatzrede Guttenbergs vor der Führungsakademie der Bundeswehr forderte der oberste Rüstungsbeschaffer ein gerüttelt Maß an "Opferbereitschaft" ein, immerhin seien "Verwundung und Tod zu Begleitern in den Einsätzen geworden.“ Das hört der Rheinmetallkonzern gern. Immerhin liefert er gerade für 54 Millionen Euro ein neues Mörsersystem an die Bundeswehr aus. Auf der Basis des "Wiesel 2", eines leichten Panzerfahrzeuges, das schnell von A nach B transportiert werden kann. Das dient zwar nicht der Landesverteidigung, aber der "Streikräftetransformation im Zeichen der Internationalisierung", also der Wahrnehmung wirtschaftlicher Interessen am Hindukusch, am Horn von Afrika oder anderswo. "Dank der erhöhten Munitionsreichweite, der gesteigerten Präzision und der optimierten Wirkung im Ziel", schreibt Rheinmetall über seinen flinken Wiesel, "ist den Einsatzkräften künftig auch die effektive Bekämpfung von Zielen in schwierigem Gelände oder in urbanem Umfeld möglich." Urbanes Umfeld? Häuserkampf? Wie mag der nächste Einsatzort für diese Waffe beschaffen sein?

"Unverkrampft" rät der Verteidigungsminister solle man an den Zusammenhang von Wirtschaft und Rüstung herangehen. So "offen und unverklemmt" wie er an die Reduzierung des Verteidigungsetats herangeht: Einsparungen beim Personal, also der Wehrpflichtigenarmee gern, beim Rüstungseinkauf sieht das anders aus: Insbesondere die sogenannten "verteidigungsinvestiven Ausgaben" (Entwicklung und Beschaffung neuer Systeme) sollen von derzeit 6,0 auf 7,2 Mrd. Euro ansteigen. Zwar machen Konzerne wie Rheinmetall ihr Hauptgeschäft längst nicht mehr mit der Bundeswehr, man ist zur Zeit in 85 Ländern "tätig", aber wie sollte die Qualität der Produkte nachgewiesen werden, wenn die deutsche Interventionsarmee nicht ihre Opferbereitschaft praktisch beweisen würde. Opfer auf der anderen Seite, ob Ziegenhirt oder Taliban, erhöhen den Demonstrationswert solcher Marketingeinsätze drastisch.

"Der Unternehmensbereich Defence (Rüstung) erzielte im ersten Quartal 2010 Umsatzerlöse in Höhe von 346 MioEUR", schreibt Rheinmetall in seiner Pressemitteilung und weiter: "Der Auftragseingang von Defence bewegt sich weiter auf hohem Niveau. In den ersten drei Monaten wurden neue Aufträge in Höhe von 467 MioEUR in die Bücher genommen, nach 479 MioEUR im Vorjahr. Der Auftragsbestand zum 31. März 2010 wuchs damit auf 4.743 MioEUR (Vorjahr: 3.441 MioEUR). Neben zwei wichtigen Auslandsaufträgen von jeweils mehr als 100 MioEUR im ersten Quartal 2010, ist der stark angestiegene Auftragsbestand auf den Großauftrag zur Produktion neuer Puma-Schützenpanzer für die Bundeswehr zurückzuführen, der im Juli 2009 erteilt wurde." Nirgendwo sind die Profitraten so hoch wie in der Rüstungsindustrie: Nicht selten werden die Forschungs- und Entwicklungskosten von der Bundeswehr übernommen und die garantierte Abnahme sichert höchste Verwertungsbedingungen. Noch lässt der Verschleiß, der ja auch ein Element des Umsatzes ist, zu wünschen übrig: Dann und wann mal ein kaputter Tanklaster macht noch keinen neuen Großauftrag.

Fünf deutsche Unternehmen zählen zu den 100 größten Rüstungsproduzenten der Welt - Rheinmetall (Rang 29 mit Artillerie, Elektronik, Fahrzeugen), Krauss-Maffei (42., Militärfahrzeuge), Thyssen-Krupp (49., Schiffe), Diehl (64., Raketen, Kleinwaffen, Munition) und MTU Aero (79., Flugmotoren). Das Stockholmer Friedensinstitut SIPRI sieht die Gründe für den wachsenden Umsatz der großen Waffenkonzerne im ungebrochenen Bedarf an Materialnachschub für die Kriege in Irak und Afghanistan. In der Konkurrenz um diese lukrativen Märkte ist die Bundeswehr ein unverzichtbarer "Referenzkunde", einer, der sein Material im harten Einsatz testet und dessen Qualität bescheinigen kann. "Die neue Rheinmetall-Mörsermunition im Kaliber 120mm (für "Wiesel 2") verfügt mit bis zu rund 8000 Metern über eine erheblich gesteigerte Reichweite und zeichnet sich gleichzeitig durch eine signifikant verbesserte Treffgenauigkeit und Wirkung im Ziel aus", wirbt der Konzern für seine neue Waffe. Und man kann sie sich gut vorstellen: Irgendwo, in acht Kilometer Entfernung, hat der Bauer, der als Taliban gilt, sein Haus. Da haut der Mörser kräftig rein: Haus und Stall, Mensch und Schaf werden danach nicht wiederzuerkennen sein. "Die hohe Kadenz (Schussfrequenz) des Mörsers" dichtet der Rüstungspoet aus dem Hause Rheinmetall, "gibt den Soldaten die Chance, mehrere Granaten abzufeuern und die Stellung wieder zu verlassen, noch bevor die erste Granate im Ziel eingeschlagen ist. Sie sind längst weg, noch bevor sie selbst bekämpft werden können." Warum gelten eigentlich Selbstmordanschläge als feige?