Es war ein guter Moment für deutsche Linke. Damals. Als die PDS auf den bundesrepublikanischen Plan trat. Als sie anfänglich die Reste der DDR aufsammelte und bescheidene sozialistische Hoffnungen hegte. Und schieres Entsetzen bei der West-Bourgeoisie auslöste. War die doch gerade dabei, die Funken auszutreten, die nach dem kommunistischen Steppenbrand die halbe Welt zu entzünden drohten. Schnell wurden die schweren Stasi-Geschütze in Stellung gebracht. Doch während der Generalverdacht nicht wenige Menschen der gewesenen DDR einschüchterte, erhoben die Leute rund um Gregor Gysi und Lothar Bisky ihre Häupter und wagten sogar auf manches Erbe der DDR stolz zu sein. Und während die westdeutsche SPD mit der asozialen Agenda 20/10 ihren Niedergang organisierte, und die andere linke Partei, die GRÜNEN, ihr pazifistisches Erbe in die Tonne trat, dehnte sich die PDS, durch die Vereinigung mit der WASG nach Westen aus: Die Chance auf ein Anknüpfen an linke, an revolutionäre Traditionen gar schien gegeben.

„Einer muss der Bluthund sein“, sagte der sozialdemokratische Reichswehr-Minister Gustav Noske, als er 1919 den sozialistischen Aufstand niederschlagen und Luxemburg sowie Liebknecht ermorden ließ. Von Aufständen aller Art ist die Bundesrepublik weit entfernt. Auch Bluthunde sind kaum zu sehen. Aber der jüngste Parteitag der LINKEN hat die alten Hoffnungen auf grundlegende Veränderungen des Landes ziemlich gründlich beerdigt. Er sollte so etwas wie ein Auftakt zum EU-Wahlkampf sein. Doch schon in seinem Umfeld machte der rechte Flügel der PdL deutlich, dass er keine grundstürzende Änderung des undemokratischen und militaristischen Gebildes wünschte. Der Strippenzieher Gregor Gysi manifestierte, dass es keine Skepsis gegenüber Europa oder der EU gäbe, und auch die Parteichefin Katja Kipping verwechselte absichtsvoll die EU mit „Europa“, als sie dem Kontinent ihre Liebe erklärte. Nur nicht daran erinnern, dass zu Europa auch Russland gehört und dass die militarisierte EU natürlich gegen Russland gegründet wurde und bis heute als Sprungbrett der NATO in den Osten genutzt wird.

Wer dann trotzdem das Dokument des jüngsten Bonner Parteitages liest, der findet eine Fülle kluger und wichtiger Forderungen zur Veränderung der Europäischen Union. Aber keine Fundamental-Opposition. Weder wird an den Abstimmungsbetrug zur EU-Verfassung erinnert, noch wird dieser Betrug als Grund für einen Austritt aus der Union begriffen. Im Gegenteil will das Papier einen „Neustart“ der EU mit dem alten undemokratischen und nicht durch eine Volksabstimmung legitimierten Machtapparat durchführen. Ja, man will eine neue Verfassung. Aber von der Voraussetzung für das Neue, dass man das Alte erst liquidiert, ist nicht die Rede. Nicht einmal der Brexit wird als Anlass für einen Neuanfang begriffen, er wird im Zusammenhang mit dem „Populismus“ abgehandelt. So macht man großzügig Platz für die AfD, die sich so als einzige Opposition zur EU verkaufen kann. Vor allem aber stellt man sich in die Reihe der großkoalitionären Volksverächter, wenn man deren Angst vor der EU-Auflösung nahtlos fortsetzt.

Als dann eine Gruppe von Delegierten den Parteitag nutzen wollte, um ihre Solidarität mit dem bedrohten Venezuela zu demonstrieren, wurde deren Aktion von der Parteitagsleitung als „krass“ diffamiert, und der Antrag zu Venezuela verschwand dann auch gleich hinter den Kulissen der Regie. Dass man im Fall Venezuela nicht als erstes über die Innenpolitik des Landes, sondern über die Interventionen der EU und der USA reden müsse, dieser Reflex des Internationalismus ist großen Teilen der Linkspartei verloren gegangen. Statt dessen dominiert die Furcht, man könne als undemokratisch begriffen werden, wenn man sich zum Schutz der Venezolaner frontal gegen Trump und die EU wenden würde. So nähert man sich den GRÜNEN und der SPD und deren Verständnis von Demokratie. Parteien, die mit ihrer Haltung zu den USA schon im Jugoslawien- und Afghanistankrieg ausreichend Untertänigkeit bewiesen haben.

Einen Aufstand schlägt die LINKE nicht nieder. Aber sie verleugnet ihren ursprünglichen Kurs. So macht man dann nicht den Bluthund sondern den Blödmann: Auf dem Weg, die eigenen Wähler zu düpieren, die unfruchtbare Nachfolge der SPD anzutreten und das Profil der konsequent linken Partei zugunsten einer verwaschenen Vorstellung von Allerwelts-Progress aufzugeben. Dass dieser Weg nicht zu mehr, sondern zu weniger Wählern führen wird, ist an der SPD abzulesen, die schon lange von manchen LINKEN kopiert wurde und deren Niederlagen zum Beispiel in Mecklenburg-Vorpommern zu besichtigen sind. Die Linkspartei nimmt Abschied von sich selbst.

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Ein allerletztes Mal sollten wir es noch anhören dürfen:

https://www.youtube.com/watch?v=UXKr4HSPHT8

Ansonsten: R.I.P.

Es sei denn #Aufstehen meldet sich zurück. Dann aber bitte unter einem neuen Namen.

Vorschlag: #thewalkingdead !

Michael Kohle
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Uli Gellermann
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Ein Trauerspiel. Gut beschrieben, erstklassig analysiert.

Lena Bremer
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Das werden ja sehr linke Linke sein, die mit den Rechten mithampeln ...
Was soll denn an dem ganzen Zirkus überhaupt links sein?
Die sind ja selbst Bluthunde ...

Klaus Madersbacher
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Lieber Uli Gellermann,

Deinen Artikel zum obigen Thema habe ich insgesamt mit großer Zustimmung gelesen und bedanke mich herzlich für ihn.
Allerdings kann ich aus eigener Erfahrung leider nicht bestätigen, dass Gysi, Bisky & Co jemals ernsthaft...

Lieber Uli Gellermann,

Deinen Artikel zum obigen Thema habe ich insgesamt mit großer Zustimmung gelesen und bedanke mich herzlich für ihn.
Allerdings kann ich aus eigener Erfahrung leider nicht bestätigen, dass Gysi, Bisky & Co jemals ernsthaft das Positive an der DDR vor Verleumdungen in Schutz nehmen wollten. Ich schicke Dir dazu mal in einer gesonderten Mail die Kopie meiner Mitteiung an Arnold Schölzel mit 2 PDF als Anhang. In der ersten beschreibe ich u.a. das "Desinteresse" der PDS-Parteiführung an der Arbeit unserer kleinen Autorengruppe "Spurensicherung - so habe ich das erlebt". Ich selbst habe dann Jahr für Jahr auf dem Strausberger Friedensfest erlebt, dass sowohl Gysi als auch Bisky einen großen Bogen um unseren Bücherstand machten als wären wir Aussätzige. Gelegentliche Äußerungen wie "Es war nicht alles schlecht in der DDR" entsprangen m.E. vor allem taktischen Erwägungen.

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Ursula Münch
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Du beschreibst den Jammer trefflich, lieber Uli. Ich frage mich, warum diese PolitikerInnen derart handeln? Nur weil sie "dabei" sein wollen?
So jedenfalls werden die Gelben Westen den Stuttgart 21-BefürworterInnen und den "Freie Fahrt für freie...

Du beschreibst den Jammer trefflich, lieber Uli. Ich frage mich, warum diese PolitikerInnen derart handeln? Nur weil sie "dabei" sein wollen?
So jedenfalls werden die Gelben Westen den Stuttgart 21-BefürworterInnen und den "Freie Fahrt für freie Bürger"-(Frauen kommen bei denen nicht vor)Adepten vorbehalten bleiben...
Ein Trauerspiel!

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Johannes M. Becker, Privatdozent Dr., Friedensforscher
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Dabei-Sein-Wollen ist ein mächtiger Faktor, auch die Illusion in den Parlamenten wirklich was zu bewegen.

Uli Gellermann
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Die STASI hat doch alles getan um den Untergang der DDR bestmöglichst zu beschleunigen. Und das Ministerium für Staatssicherheit war das Ministerium was sich von selbst auflöste!

Die STASI war maßgeblich daran beteiligt, westliches Kapital in der...

Die STASI hat doch alles getan um den Untergang der DDR bestmöglichst zu beschleunigen. Und das Ministerium für Staatssicherheit war das Ministerium was sich von selbst auflöste!

Die STASI war maßgeblich daran beteiligt, westliches Kapital in der DDR anzusiedeln um damit die Volkseigenen Betriebe zu unterminieren und die Privatisierung voranzutreiben. Gysi war einer der Strippenzieher.

Schrittweise hatte sich die SED von ihrer Führungsrolle verabschiedet, die Führung der DDR und der Volkswirtschaft lag in den Händen der STASI.

Und ja, das ist historisch belegbar.

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R. R.
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Ich hoffe nicht, daß die Linke hinter Seehofer
zurücksteht, der, korrekterweise, bei Pelzig
mal geäußert hat:
"Diejenigen, die entscheiden, sind nicht gewählt, und diejenigen, die gewählt werden, haben nichts zu entscheiden." Die Linken hegen wohl...

Ich hoffe nicht, daß die Linke hinter Seehofer
zurücksteht, der, korrekterweise, bei Pelzig
mal geäußert hat:
"Diejenigen, die entscheiden, sind nicht gewählt, und diejenigen, die gewählt werden, haben nichts zu entscheiden." Die Linken hegen wohl nicht im Ernst die Illusion, daß sie in den Parlamenten etwas bewegen können. Täten sie das, wäre ihr Handeln ja fast noch schlimmer.

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Olaf Teßmann
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Als Yanis Varoufakis seine DIEM25 Bewegung in der Berliner Volksbühne vorstellte, war Katja Kipping als prominente Unterstützerin anwesend. Beide eint anscheinend die Hoffnung, den Unterdrückungsapparat EU demokratisch reformieren zu können.

Wie...

Als Yanis Varoufakis seine DIEM25 Bewegung in der Berliner Volksbühne vorstellte, war Katja Kipping als prominente Unterstützerin anwesend. Beide eint anscheinend die Hoffnung, den Unterdrückungsapparat EU demokratisch reformieren zu können.

Wie Kipping tickt, weiss ich nur aus Interviews, aber ihre Haltung scheint sich in der PdL nun als Hauptkurs durchgesetzt zu haben.
Varoufakis konnte ich allerdings unlängst auf einer Wahlveranstaltung in einem Vorortgemeindhaus in Athen persönlich erleben. Er antwortete dort auf Fragen potentieller Wähler. Seine Antwort auf zwei Fragen sind besonders signifikant: Frage einer einfachen Hausfrau war, ob er sich vorstellen könne, dass es sich bei der Eurokrise um eine konzertierte Aktion amerikanischer Banken handelte, mit der diese Europa fundamental zu schwächen trachteten. Nein, so Varoufakis, zu so etwas sei man rein organisatorisch nicht fähig. Auf das Nachhaken der Dame, dass die FED doch eigentlich einer recht übersichtlichen Führungsriege unterstünde, konnte er dann aus Zeitgründen nicht mehr eingehen. Frage eines Rentners war, was Varoufakis vom Namensstreit um Makedonien halte. Varoufakis: Die Syriza-Entscheidung zur Namensfrage war notwendig, um die zukünftige Bildung eines Grossalbaniens wegen der ethnischen Zersplitterung F.Y.R.O.Ms und damit einen grösseren Einfluss der Türkei auf den Balkan zu verhindern. Der Rentner: Wo es ein Nordmazedonien gibt, wird von chauvinistischen Kräften bald die Frage nach dem Verbleib eines Südmakedoniens gestellt werden. Ein prima Schalthebel für Leute wie George Soros, der schon jetzt Schulbücher mit Karten eines vereinigten Mayedoniens drucken lässt. Varoufakis: Das ist eine Verschwörungstheorie: Wenn erst mal alle Balkanstaaten in EU und NATO sind, haben sich diese Probleme doch von allein erledigt.

Mir schien, dass Varoufakis Klientel, was ihre Heimat betrifft, besser über die Faktenlage und internationale Finanz- und Militärmacht bescheid weiss, als er selbst. Er liess diese Menschen enttäuscht zurück. Auch in Griechenland sind es nur rechte Parteien, die sich als Beschützer dieser Interessen und als Fundamentalopposition zur EU aufspielen. Wie in Deutschland gibt man diese Themen ohne Not an die Rechte ab.

Die AFD spielt, wie Uli richtig schreibt, Fundamentalopposition. Und sie bastelt in einem ihrer Thinktanks, dem Institut für Staatsforschung, schon mal an Ideen für ein Post-EU Europa. Denn ihre intellektuellen Kader geben zumindest vor zu wissen, dass man etwas nur dann zerstören sollte, wenn man auch eine vermeintlich bessere Alternative offerieren kann.

Dass eine Partei, wie die Linke, mit einer Rosa-Luxemburg-Stiftung im Rücken, nicht in der Lage ist, tragfähige Alternativen einer international friedlichen, gerechten und nachhaltigen politischen Europa-Idee zu entwickeln und diese medial wirkmächtig unters Volk zu bringen, ist an sich schon eine Schande. Dass sie sich nun aktiv dem imperialen Status Quo zuwendet, ist Verrat!

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Marc Britz
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kann jemand bitte zusammenfassend darstellen, wie die perspektive des jetzigen europas und der EU künftig nach linker lesart aussehen soll!!
- noch mehr zentralisierung und stärkung der EU als gegenpol zum ami und eurasien?
- eine EU starker...

kann jemand bitte zusammenfassend darstellen, wie die perspektive des jetzigen europas und der EU künftig nach linker lesart aussehen soll!!
- noch mehr zentralisierung und stärkung der EU als gegenpol zum ami und eurasien?
- eine EU starker nationalstaaten?
- den status quo der EU und ihrer institutionen erhalten und festigen?
- eine reformierung der EU oder gar deren auflösung??
- worin besteht tatsächlich der disput zwischen kipping- und wagenknecht-flügel?

dann würde ich mich mit den akteuren beschäftigen!

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altes Fachbuch
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Für Johannes M. Becker, Privatdozent Dr., Friedensforscher:

Politiker handeln nicht weil sie dabei sein wollen sondern handeln im Auftrag des Kapitals. Sie machen sich intransparent (undurchsichtig) um ihre Hintermänner zu verschleiern und...

Für Johannes M. Becker, Privatdozent Dr., Friedensforscher:

Politiker handeln nicht weil sie dabei sein wollen sondern handeln im Auftrag des Kapitals. Sie machen sich intransparent (undurchsichtig) um ihre Hintermänner zu verschleiern und stellen dafür sich selbst und ihr Parteiprogramm in den Vordergrund.

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R. R.
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