Wer das Dreiköngstreffen der FDP beobachtet hat, der kann glauben, die Bundesrepublik stünde kurz vor der Besetzung durch eine fremde Macht: Freiheit war das Kern-Thema, eine Freiheit, deren Flamme langsam erlösche, so der FDP-Vorsitzende Rösler, wenn man der FDP nicht folge. Als "einzige Partei" stünde die seine für das hehre Ziel. Zwar sei die "Botschaft der Freiheit unbequem" und "wir müssen uns wehren gegen das langsame Erlöschen der Flamme der Freiheit", denn "Wenn wir es nicht tun, wird niemand es tun. Und dann stirbt die Flamme der Freiheit in Deutschland." Schon vor dem Bundeswehrstabsarzt Rösler hatte der FDP-Fraktionsvorsitzende Rainer Brüderle den Kampf für die Freiheit ausgerufen. Während seiner Büttenrede peitschte er mit dicken Fingern die Luft und schrie: "Keiner kämpft härter für Frieden, Freiheit und Menschenrechte!" als wären die Besatzer bereits im Land, um am Ende seiner Rede in den Saal zu kreischen: "Auf in den Kampf, Ihr Freiheitskämpferinnen und Freiheitskämpfer, für Deutschland, für die Freiheit, für die freien Demokraten!"

Was mag das für eine Freiheit sein, die von der FDP so tapfer verteidigt wird? Die Meinungsfreiheit, die Freiheit der Rede? Das sind Freiheiten, die längst den Springers, Bertelsmanns und Burdas gehören. Denn eine Meinung darf ja natürlich immer noch jeder haben, und sagen darf er sie auch. Wenn er sie allerdings verbreiten möchte, stösst er an die Grenzen der Verlegermacht, die Grenzen der großen Meinungsapparate, die, lange bevor der Einzelne etwas hat sagen können, den öffentlichen Diskurs mit ihren Themen und Meinungen besetzt haben: Merkel lieb, Terror böse, Deutsche fleißig, Südländer faul, Banken retten, Soziales kürzen. Und wenn es mal keine knallharten Meinungen sind, dann übertönen die Gefühlsmaschinen, die Geschwätzapparate jeden klaren Gedanken: Alle sollen den Superstar suchen, wenn sie nicht gerade selbst Top-Modell werden wollen. Hier findet die FDP ihre Freiheitsbedingungen, in der Freiheit jeden Unsinn zu konsumieren den die Medien auf den Markt werfen.

Doch vielleicht meint die FDP auch die Reisefreiheit? Jene Freiheit der Flucht aus dem Alltag, die, von Herrn TUI organisiert, von Air Berlin beflügelt, dem Menschen eine geregelte Freizeit bietet: Paläste der Urlaubslust erwarten die Massen der freien Reisenden, Animateure der gezügelten Unterhaltung sichern den Tagesablauf, unlimitierte Mengen Alkohol befeuern die Freizügigkeit: Wer jetzt noch nicht gebucht hat, der wird so bald nichts zu erzählen und kaum ein Foto zu zeigen haben. Hier kann jeder hinfahren wo er will, im Rahmen der freiheitlich demokratischen Grundordnung versteht sich. Und deren Grenzen liegen ausschließlich im Einkommen.

Sicher kämpft die FDP auch für die Freiheit der Kunst, die in tausenden Galerien ihren Platz gefunden hat und die unerbittlich eine neue Form nach der anderen auf die Agenda setzt. Ihren musikalischen Gipfel erreicht die Kunst in der Freiheit der Hitparaden. Während die Film-Blockbuster ihre Liberalität mit Tonnen von Popcorn feiern. Längst kommt Kunst von Künstlichkeit und hat so alle Fesseln gesellschaftlicher Bezüge gesprengt, um der reinen Kunst ihre Freiheit wiederzugeben: Vogelfreiheit, die ich meine.

Doch könnte die FDP auch die Wahlfreiheit meinen, jene unermessliche politische Freiheit aus immer gleicher werdenden Parteien die gleichste zu wählen. Jene freiheitliche Berechenbarkeit, die bei Themen wie der Banken-Rettung oder der Auslandskriege für eine Einstimmigkeit sorgt, um die so mancher diktatorischer Chorleiter das deutsche Parlament beneidet. Es ist diese Wahlfreiheit, die Rohstoff-Freiheit mit Reise-Freiheit verbindet: Seit Jahrzehnten durften unseres Soldaten sich nicht mehr so weit und so unkontrolliert bewegen wie unter der neuen, vom Parlament verordneten Freiheit.

Schließlich wird die FDP auch für jene Marktfreiheit bis zum letzten Blutstropfen kämpfen, die sich unter dem Namen Shoppingfreiheit einen neuen Platz im Katalog der Grundrechte erobert hat. Glühende Kreditkarten beherrschen die eleganten Shops der H & M-Läden, der ZARA-Mexiko-Massen-Textilien, und der Massimo-Dutti-Angebote. In den Flagship-Stores von Adidas und Nike kommt mit der hundertsten Variation des Turnschuhs auch die Auswahlfreiheit zum Zuge, während in den Tempeln von Apple das heilige Weiss durch das gesegnete Aluminium ersetzt wird und die ersten Käufer Tränen der Kauffreiheit über das neue iPhone 5 vergießen: Mehr Applikationsfreiheit war nie.

Nun werden bald in Niedersachsen freie Wahlen sein und jeder sollte daran denken, dass es die FDP war, die der Bundesrepublik den ersten Freiheitspräsidenten beschert hat: "Joachim Gauck haben wir durchgesetzt!" skandierte Rainer Brüderle unter dem Jubel der FDP-Mitgliedermassen und Recht hatte er. Und mit dem drohenden Wegfall der FDP würde auch ihr Präsidenten-Trick in der Geschichte politischer Banalität verschwinden, bangt das Brüderle. Wenn also die Niedersachsen, was zu vermuten steht, die FDP unter fünf Prozent halten, wenn also die Freisetzung der FDP-Erosion auch die Bundestagswahlen erreichen sollte, dann wird der ganze Freiheitskampf, wie die FDP ihn versteht, vergebens sein. Und so könnte mit dem Ende der FDP nicht nur eine überflüssige Partei verschwinden sondern auch der Anfang einer Debatte um Herrschaftsfreiheit beginnen. Das, liebe Niedersachsen, würde Euch als historisches Verdienst angerechnet werden. Deshalb nehmt Euch die Freiheit und sagt adé zur FDP.

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Jetzt kommen Sie uns auch noch mit dem 68er Konsumterror, das geht wirklich zu weit.

Gert Saalfeld
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...ja, die Niederen Sachsen haben uns ja in der BRD-Geschichte schon paar mal verwundert.
Jedoch glaube ich es erst am Sonntag abend.
Ein kleines (Zweitstimmern)Wort der Schwarzen würde alles ändern.

DAs Sind Nutten (wobei ich DENEN...

...ja, die Niederen Sachsen haben uns ja in der BRD-Geschichte schon paar mal verwundert.
Jedoch glaube ich es erst am Sonntag abend.
Ein kleines (Zweitstimmern)Wort der Schwarzen würde alles ändern.

DAs Sind Nutten (wobei ich DENEN warhscheinlich Unrecht tue...), Ganster, Verbrecher, schlechte Bonapartisten (paar - dumme- Frauen haben sie auch, also, der Korrektheit willen: BonapartistInnen..., oh, er wird sich wälzen!)

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Johannes M. Becker, PD Dr.
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Da ist der Wunsch Vater des Gedankens. Die von Ihnen sicher gewünschte Linkspartei wird nicht mal in die Nähe der Fünf-Prozent-Grenze kommen.

Helga Hinze
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Hoffentlich verhilft uns die kommende Wahl, von dieser FDP + dem hochgelobten Rösler + endgültig meinem allerliebsten Brüderle weg zu kommen... ich hatte gehofft, Gaucks Freiheirssuppe bliebe SEIN Erkennungszeichen, dass er damit die politischen...

Hoffentlich verhilft uns die kommende Wahl, von dieser FDP + dem hochgelobten Rösler + endgültig meinem allerliebsten Brüderle weg zu kommen... ich hatte gehofft, Gaucks Freiheirssuppe bliebe SEIN Erkennungszeichen, dass er damit die politischen Reden der FDP beeinflusst ist eine Schande für den Sinn des Wortes Freiheit..
Ich setze meine Hoffnung auf Ullrich Engelke, der mit der Erststimme für die Linke in Niedersachsen zu wählen ist - er und seine Frau Roswitha engagieren sich mit Leib und Seele für unsere Partei - die 2 sind sozusagen der Kopf der Helmstedter Linken.

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Heidi Schmid
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Kurz und knapp: Freiheit die sie (nicht : Sie ) meinen ist Scheiße !!!!!

Werner Wahl
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Ade, FDP! Adjöh, Depardieu! Selbst die Wulffs stoben auseinander. Die Freiheit nimmt sich selbst und fliegt davon. Nun kommt heraus, dass Steinbrück eigentlich lieber Sparkassen-Chef geworden wäre. Vor 15 Jahren liebäugelte er ernsthaft mit dem...

Ade, FDP! Adjöh, Depardieu! Selbst die Wulffs stoben auseinander. Die Freiheit nimmt sich selbst und fliegt davon. Nun kommt heraus, dass Steinbrück eigentlich lieber Sparkassen-Chef geworden wäre. Vor 15 Jahren liebäugelte er ernsthaft mit dem Posten eines Präsidenten des schleswig-holsteinischen Sparkassen- und Giroverbandes. Der arme Kerl, jetzt soll er Bundeskanzer werden! Welch eine Bürde! Ich sage daher: Freiheit für Steinbrück! Lasst ihn ziehen! Bin allerdings so frei, in mancherlei Hinsicht das genaue Gegenteil von Freiheit zu fordern. Strengste Einschränkungen und engste Fesseln! Zum Beispiel: Absolutes Ausreiseverbot für die Bundeswehr! Strengste Kapitalkontrolle! Steuerfreiheit nur für patentierte Kapitäne sowie Auto-, Motorrad- und Fahrrad- sowie Rollstuhlfahrer, natürlich auch für Modellflugzeug-Lenker, aber da wird’s schon wieder kritisch mit der Abgrenzung zu den Drohnen! Freiheit an und für sich ist kein „Wert“, sondern pure Sinnfreiheit. Für Habenichtse bleibt nur die Vogelfreiheit: Friss oder stirb!

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Wolfgang Blaschka
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Seltsame Assotiationen hatte ich da gestern bei Brüderles Auftritt.

"Brüder zur Sonne zur Freiheit" hieß doch, das alte Arbeiter- und Kämpferlied, das Leonid Radin in einem Gefängnis vertextete.

Dieser Text wurde zur Melodie der Oktoberrevolution...

Seltsame Assotiationen hatte ich da gestern bei Brüderles Auftritt.

"Brüder zur Sonne zur Freiheit" hieß doch, das alte Arbeiter- und Kämpferlied, das Leonid Radin in einem Gefängnis vertextete.

Dieser Text wurde zur Melodie der Oktoberrevolution in Russland

Hat der gute Brüderle da jetzt etwas verwechselt, oder bläst er das Hallali zum Kampf gegen die Bürger? Oder haben wir schon Fasching, ohne das wir das bemerkten?

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Rita E. Groda
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Meldet sich hier der Neid auf die unbeschwerte Kauflust, die Freude über eine Reise, oder ist es nur die mühsame Unterdrückung der eigenen Käufe und Reisen?

Rico Henderson
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Es meldet sich nur der Freiheitsbegriff der FDP.

Uli Gellermann
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Die Botschaft hör ich wohl...
Meine Hoffnung ist groß, dass diese Ansammlung von karrieregeilen Teflongestalten im Sektennirwana verschwindet. Aber wir wissen auch, dass schon zu Zeiten, als der Scheel selbst den Tünnes gab, ("Hoch auf dem gelben...

Die Botschaft hör ich wohl...
Meine Hoffnung ist groß, dass diese Ansammlung von karrieregeilen Teflongestalten im Sektennirwana verschwindet. Aber wir wissen auch, dass schon zu Zeiten, als der Scheel selbst den Tünnes gab, ("Hoch auf dem gelben Wagen") sich das Totenglöcklein sich einen Wolf gebimmelt hat. Es wäre doch gelacht, wenn den Strategen in den Hinterzimmern nicht noch ein paar mediale Ereignisse und eine Zweitstimmenkampagne einfallen würden um den Lagerpartner das Überleben zu ermöglichen. Hinzu kommt,das dass deutsche Wahlvolk hat ein schlechtes Gedächtnis hat und immer wieder für Überraschungen gut ist.
Ansonsten wünsche ich der Rationalgalerie alles Gute im Neuen Jahr und weiterhin volle Bissigkeit.

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Friedhelm Bluhm
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