Ein Piratenfilm, ein herzzerreißendes Weltraummärchen und andere Science-fiction-Stoffe, ein Dinosaurierspektakel, ein Kriegsdrama und ein filmisches Denkmal für den Judenretter Oskar Schindler - Hollywood-Wunderkind Steven Spielberg hat fast alles schon gemacht - und mit fast allem eine Menge Geld gemacht. Doch dass er seinem Publikum nun einen Thriller über einen, nein, sogar über eine ganze Bande von Auftragskillern präsentiert, könnten ihm manche übel nehmen. Darum vorab zu seiner "Ehrenrettung": Der vermeintliche Thriller ist eher ein fast dreistündiger Langweiler, der die Anhäufung von Pyrotechnik als Spannung zu verkaufen sucht, und die Auftragskiller, von denen in "München" die Rede ist, sind nicht etwa die Terroristen des "Schwarzen September", die 1972 bei einem Überfall während der Olympischen Spiele elf Israelis als Geiseln nahmen und später töteten, sondern ein fünfköpfiges Kommando des israelischen Geheimdienstes Mossad, das eben jene Terroristen auffinden und "eliminieren" soll.

Natürlich brauchen auch Mossad-Helden einen Oberhelden. Der heißt hier Avner und war vordieser heiklen Mission bewaffneter Beschützer von El Al-Flügen, wahrlich keine Aufgabe für den Sohn eines verstorbenen, hoch dekorierten Volkshelden. Doch wenn Präsidentin Golda Meir ruft, kann Avner nicht nein sagen. Was sogar seine hochschwangere Frau ohne Murren einsieht, obwohl ihm für die unbestimmte Dauer der Aktion jeder Kontakt zur Familie verboten ist. Ansonsten qualifiziert ihn offenbar vor allem seine Kochkunst für den Job, denn an reichlicher Tafel bespricht sich das Killerteam besonders locker über seine Strategie. Elf "Ziele" haben Avners Obere ihm benannt, nach Beweisen für deren Schuld hat er ebenso wenig zu fragen wie nach dem Gesetz der Eskalation, das an die Stelle getöteter Terroristen stets neue, brutalere setzt.

So beginnt denn das Katz-und-Maus-Spiel quer durch Europa und den Orient, ein "Ziel" nach dem anderen wird nach wüsten Baller-Orgien "abgehakt" wie in einem Abzählreim von den elf kleinen Killerlein, und der von soviel Pyrotechnik genervte Zuschauer schaut regelmäßig auf die Uhr, wann denn wohl Avner & Co ihr Mordpensum geschafft haben und Spielbergs Film endlich zu jenen wesentlicheren Fragen kommt, die ihm anders als den Mossadleuten doch wohl gestattet wären. Doch dafür hat der Film gerade mal die letzten Minuten übrig. Da ist Avner, der schon drei seiner Männer und beinahe auch das eigene Leben verloren hat, wieder daheim bei Weib und Kind, ausgestiegen aus dem Mordhandwerk und nun selbst verfolgt von der Paranoia des Jägers, der sich als Gejagter fühlt.

Avners Ausstieg bleibt folgenlos, andere erledigen den Rest des "Pensums", wie uns die Schlusstitel wissen lassen, und wer nach dem Kinobesuch Zeitung liest, findet genügend aktuelle Bestätigungen dafür, dass der Mossad die Praxis der "gezielten Tötungen" ungebrochen fortsetzt. Ohnehin wirken Avners Skrupel im Film eher aufgesetzt, und in die Untiefen der dunklen Machenschaften von Geheimdiensten will Spielberg offensichtlich lieber nicht eintauchen. Verhängnisvoller aber ist, dass er die Rolle des Avner mit dem neuen Star Eric Bana besetzt hat, einem "Darsteller" mit der Wandlungsfähigkeit eines Plastikeimers, der unbewegliche Mimik als Ernst ausgibt. Als Avner entgegen den Regeln des Mossad doch einmal daheim anruft, um seine inzwischen geborene Tochter zu hören - schließlich gehört etwas Menscheln in jeden Spielberg-Film - erzielt Banas hilfloses Grimassieren statt Rührung nur unfreiwilligen Lacherfolg im Kino.

Noch dubioser ist die Drehbuchkonstruktion, nach der sich Avner & Co bei der Suche nach ihren "Zielen" der Dienste eines quasi allwissenden, aber unbegrenzt geldgierigen und stets nur "Papa" genannten Franzosen bedienen, von dem sie den Aufenthaltsort ihres nächsten Opfers wie nach Preisliste abfragen. Das mag US-Amerikanern, die seinerzeit wegen Frankreichs Ablehnung des Irakkriegs keine "french fries" (Fritten) mehr essen mochten, zwar nachträgliche Bestätigung sein, rückt aber das Vorgehen Avners und seiner Chefs, die solche Summen ohne Zögern bezahlen, nicht gerade ins moralische Licht, in dem sie sich gerne sähen.

Kein Wunder also, dass es nach dem US-Start von Spielbergs Film heftige Kritik aus Israel und von israelfreundlichen Kritikern gab. Man warf ihm vor, nicht "zwischen destruktiver Gewalt (der Terroristen) und konstruktiver (des Mossad)" zu unterscheiden, und kritisierte, dass er mit der für Avners Ausstieg gegebenen Motivation auch die Legitimität der ganzen Racheaktion in Frage stelle. Wer einen Mordauftrag (beinahe) nicht ausführt, weil neben dem "Ziel" auch dessen Töchterlein dabei sterben müsste, ist eben ein Weichei, das sich um "Kollateralschäden" zu viel Gedanken macht und für ähnliche Aktionen gegen vermeintliche Hamas-Führer in Palästina sicher nicht zu gebrauchen wäre. Von ähnlichen Protesten seitens der CIA gegen Spielbergs Film hat man allerdings noch nichts gehört, obwohl deren Agenten im Film als grölende Trunkenbolde dargestellt sind. Die spielten ja nur besoffen, um eine von Avners "Zielpersonen" entkommen zu lassen, die sie - Bin Laden lässt grüßen - wohl noch für andere Dienste brauchten.