Eine Filmtrilogie soll es werden: Nach »Dogville« (2003) kommt mit »Manderlay« nun der zweite Teil, der »Washington« betitelte dritte steht noch aus. Eine Art brechtsches Lehrstück in drei Lektionen über die Irrungen der USA-Geschichte, aus der Sicht des Dänen Lars von Trier, der erklärtermaßen nie einen Fuß in das Land gesetzt hat, über das er nun kübelweise Dreck kippt. So jedenfalls sehen es seine Kritiker in den USA, während in »old Europe« seine Filme mit Preisen überschüttet werden. Was also ist dran an diesem Enfant terrible des Kinos und seinem »Antiamerikanismus«?

Gewiss, gnädig schaut der Däne nicht auf dieses Land, obwohl der Name seiner Heldin das andeuten könnte. Denn diese Grace mit all ihren immerguten Absichten und ihrem liberalen Sendungsbewusstsein ist zugleich die Tochter eines allmächtigen Gangsterbosses, dessen Rollkommando ihr bei ihren Aktionen MP-bewehrte Autorität und bei Bedarf auch den Rückzug sichert. Die USA als Land, wo der gute Zweck auch kriminelle Mittel heiligt?

In die Bergarbeiterstadt Dogville war Grace einst als Flüchtende auf der Suche nach Unterschlupf gelangt. Doch die anfangs hilfsbereiten Bewohner hatten bald entdeckt, dass sich Graces Notlage zu jedermanns Nutzen ausbeuten ließ – bis die Geschundene am Schluss, in letzter Minute von Vaters Cadillac gerettet, die Stadt nach Art der Seeräuber-Jenny in Trümmer legen ließ. Nach Manderlay kommt sie nun ohne Not, in eben diesem Cadillac – und scheitert nur umso radikaler.

Auf der Baumwollplantage im Alabama der 30er Jahre ist die Zeit offenbar stehen geblieben. 70 Jahre nach Abschaffung der Sklaverei herrscht hier noch immer »Mams Gesetz« mit seinen »Nigger-Kategorien«, das die betagte Plantagenbesitzerin Mam noch vom Totenbett aus mit Peitsche und Gewehr exekutieren lässt – bis Grace & Co. sie dank ihrer überlegenen Feuerkraft Gesetzestreue lehren und die Sklaven befreien. Doch denen ist die neue Freiheit nicht geheuer. Die Befreierin erntet für ihr basisdemokratisches Modell statt Jubel nur Verwirrung und Ratlosigkeit. »Auf Manderlay essen die Sklaven um sieben. Wann essen Menschen, die frei sind?« fragt einer von ihnen. Wer dächte dabei nicht an Irak?

Aber von Triers moralischer Rigorismus richtet sich nur in zweiter Linie gegen historische oder aktuelle Untaten von »God’s own country«. Mit mehr Vehemenz, auch mit Zynismus attackiert er das naive Gutmenschentum seiner Heldin, ihre kolonialistische Besserwisserei und angelernte Demokratiegläubigkeit, die in der Realität Manderlays ständig ad absurdum geführt werden. Per Abstimmung bestimmt man, wie spät es ist, und die demokratisch beschlossene Abholzung eines schützenden Waldes führt nach einem Sandsturm zu Missernte und Hungersnot. Schließlich wird Grace selbst zum Opfer ihres Demokratiespiels. Ganz demokratisch wählen die freien Sklaven nun sie zu ihrer Herrin, die, will sie nicht ihr eigenes Leben riskieren, fortan jene rassistischen Willkürstrafen exekutieren muss, gegen die sie anfangs so mutig angetreten war.

Wie in »Dogville« setzt von Triers Inszenierung auch in »Manderlay« ganz auf Reduktion und Stilisierung. Als gestrenger Lehrer duldet er nichts im Raum, das unsere Phantasie ablenken, die Konzentration auf das ihm Wesentliche stören könnte. Kreidestriche auf dem nackten Bühnenboden ersetzen die Kulissen, ein paar karge Requisiten stehen für Möbel, Fassaden und Sperrzaun. Inmitten eines Ensembles voller Weltstars (Willem Dafoe, Isaach de Bankolé, Danny Glover, Lauren Bacall u.a.) glänzt die bisher unbekannte Bryce Dallas Howard als mal entschlossene, mal unsicher und voll Angst agierende Grace, die am Ende der erotischen Anziehungskraft des stolzen Sklaven Timothy erliegt, die sie sich zuvor nie eingestanden hatte. Schade nur, dass von Trier zuallerletzt doch noch der eigenen Methode misstraut und dem Abspann eine Serie von dokumentarischen Fotos unterlegt, die Historie und Aktualität des Rassismus in den USA drastisch konkretisieren. Eine banale Beweisführung, die nicht mehr nötig wäre.