Es gibt sie also doch, diese geheimnisumwitterten Whistle-Blower. Einer hat sich selbst zu uns weiterverbunden: Buchhalter Wanninger (Name nur unwesentlich verändert). Er konnte das Fünfundfünfzig-Millarden-Mysterium einfach nicht länger für sich behalten. Er hat sich damit abgefunden, dass er wohl nie wieder Buch hält, jedenfalls nicht bei einer Bad Bank. Ihn hat die schwere Mitwisserschaft zu folgendem Monolog bewogen, den wir hier wiedergeben:
"Ach, du heiliger Geldsack! Es geschehen Zeichen und Wunder: 55,5 Milliarden sind aufgetaucht wie aus dem Nichts respective aus der gefälschten Bilanz einer Bad Bank. Als hätte man sie bei einem Hartz-IV-Empfänger hinter dem Sofa gefunden. Natürlich nicht in Penny-Tüten verpackt, sondern nur auf dem Papier, vielleicht auch nur virtuell im Computer, aber doch immerhin so real wie es einem Institut mit Namen Hypo Real Estate gebührt. Der Finanzminister lächelt: Deutschland ist um genau diesen Betrag weniger in den Miesen seit dieser Entdeckung. Das macht zwar nicht ganz schuldenfrei, ist aber doch ein erkleckliches Sümmchen. Nun hebt das große Rätselraten an, wie so etwas passieren konnte. Manche werden sich über die mangelhaften Rechenkünste bei soviel geballter Finanzkompetenz in den Reihen der besserverdienenden Banker-Elite beömmeln.
Die FDP könnte diesen neoliberalen Überfliegern mit dem flotten Rechenstift sofort die Mitgliedschaft anbieten, auf dass die ihre Wahlergebnisse besserrechnen. Vielleicht lässt sich das Komma wieder um eine Stelle nach rechts verschieben. Das kann doch wohl nicht so schwer sein, aus 1,8 Prozent wieder 18 zu machen! Wo die doch mit 11-stelligen Zahlen jonglieren! 55.500.000.000.– Euro hin und/oder her, das ist alles nur eine Frage der Einstellung. Psychologisch verständlich, wenn man für eine Bad Bank arbeitet. Plus und Minus verwechseln mag auf den ersten Blick wie ein Anfängerfehler anmuten, doch ist es schwer zu glauben, dass es so simpel gewesen sein mag. Vermutlich waren die Buchhalter einfach in getrübter Stimmung und wollten nur noch rote Zahlen sehen. Oder sie wollten partout gerettet werden. Die Verstaatlichung erzwingen. Sich schlecht rechnen. Burnt out. Vielleicht waren es heimliche Anhänger der Sozialisierungsidee, die da klandestin zu Werke gingen, und wollten die ersten sein noch vor der Commerzbank, die ihr Institut dem Privatwirtschaftssektor zu entreißen trachteten. Alles Spekulation, zugegeben!
Aber warum sollten Verschwörungstheorien nicht ihren legitimen Platz erhalten in Zeiten der Finanzkrise, die letztlich nichts anderes darstellt als eine große Umverteilung von unten nach oben: Verluste vergesellschaften, Gewinne privatisieren. Wie von Geisterhand, aber von Menschen gemacht. Haus-Aufgabe gut gelöst: Bad Bank verstaatlicht. Gift-Papiere entsorgt. Und jetzt als Zuckerl: War doch alles gar nicht so schlimm.
Geschickt eingefädelt, umgemodelt, abgewickelt! Die Selbstheilungskräfte der freien Marktwirtschaft. Das goldene Kalb darf wieder umtanzt werden. Vielleicht wäre der griechische Staatshaushalt auch gar nicht so defizitär, wenn man nur genauer nachrechnete. Vielleicht gibt es gar keine Krise. Vielleicht kann man sie aushebeln. Mit der Billion wird's 13-stellig. Es müssen sich nur genug Dumme finden, die an die höhere Finanzrechnung glauben. So entsorgt sich Wissenschaft. Der Papst kann jubeln. Das ist der Durchbruch in seinem Bemühen, Religion und Wissenschaft zu versöhnen. Aus Wasser wird Wein, und Katholiken werden zu Kannibalen. Fleisch und Blut in unmittelbarer physischer Anwesenheit. Einfach als Oblate zu konsumieren. Es ist alles nur eine Frage der Kommunion, äh, der Kommunikation.
Die Wirtschaftssendung plus-minus kann sich auf die Fahnen schreiben, das schon immer gewusst zu haben mit ihrem programmatischen Titel. Soll und Haben sind quasi mehr oder weniger ungefähr rundummadum dasselbe. Dividiert durch das Alter des EZB-Präsidenten und ins Verhältnis gesetzt mit dem Volksgedulds-Koeffizienten ergibt das dann stuckara über den Daumen das Revolutionsdatum. Wahrlich, ich sage Euch: Nehmen Sie die beiden Endziffern Ihres Geburtsjahres plus Ihr Alter zusammen, und die Summe wird im Jahre 2011 genau 111 betragen. Garantiert! Glauben Sie nicht? Rechnen Sie nach! Kinder, die erst in diesem Jahrtausend geboren sind, erreichen nur 11. Ist auch eine prima Primzahl. Doch Vorsicht bei Leuten, die deutlich älter sind als Joopi Heesters (die im 19. Jahrhundert geboren sind), da sind es dann 211. Ein toller Zaubertrick, mit dem Sie Ihren ganzen Freundeskreis, die Familie, Kollegen und sogar wildfremde Menschen erfreuen können. Werden Sie Wahrsager! Sonst noch was? – Nö. Alles gesagt zum Thema Real-Finanz-Kapitalismus. Mehr gibt es wahrscheinlich doch nicht."