„Was soll das denn?“ Der Chefredakteur von ARD-aktuell Dr. Gniffke blickt drohend in die Runde der TAGESSCHAU-Redaktion: „Die Leute von der Religions-Redaktion wollen ein Schweigeminute von uns?!“ Freundlich lächelnd steht Anja Würzberg von der Fernsehredaktion Religion und Gesellschaft auf: „Sehen Sie, es gibt so viele Tote, jeden Tag auf der Welt. Da kommen wir mit einer wöchentlichen Religions- und Besinnungs-Sendung einfach nicht hinterher. Und da dachten wir, dass die TAGESSCHAU eine tägliche Schweigeminute einlegen könnte. Einfach zur Mahnung. Und zum Gedenken an die vielen Toten der vielen Kriege. Es würde nicht mal was kosten, nur eben eine Minute Sendezeit.“
Kein Muskel zuckt in Dr. Gniffkes Gesicht: „Liebe Kollegin, was glauben Sie denn was wir dauernd machen? Wir haben schon ganze Prominenten-Aufrufe zum Ukraine-Krieg verschwiegen, kein Ton kam von uns zum Einsatz deutscher Bodentruppen in Syrien und vor ein paar Tage haben wir sogar ein ganzes französisches Massaker in Syrien mit tiefem Schweigen bedacht. Und wenn Sie mal genau hingesehen hätten, dann wüssten Sie, dass zum Beispiel jüngst, in der Nacht der Münchner Schießerei, der Kollege Thomas Roth zwar stundenlang geredet, aber über nichts und garnichts gesprochen hat, also vor einem Million-Publikum die kunstvollste Form des Schweigens überhaupt zelebrierte!“ Betreten verlässt Anja Würzberg den Raum.
Herrn Intendant
Lutz Marmor
Programmbeschwerde:
ARD-aktuell unterschlägt Nachrichten
Über französisches Massaker in Syrien am 19.07. 2016 mit mehr als 120 Toten
http://www.tagesschau.de/archiv/sendungsarchiv100~_date-20160719.html
http://www.tagesschau.de/archiv/sendungsarchiv100~_date-20160720.html
http://m.heise.de/tp/news/Massaker-in-Syrien-nicht-medienrelevant-3273850.html
http://www.gegenfrage.com/hollande-120-zivilisten-syrien/
Sehr geehrter Herr Intendant Marmor,
Am 19. Juli bombardierte die französische Luftwaffe in Syrien im Rahmen des Luftkriegs der Westallianz gegen den IS zwei Dörfer nahe Aleppo in Syrien und richtete ein Massaker an: Mehr als 120 (nach anderen Quellen sogar mehr als 200) unbeteiligte Zivilisten wurden umgebracht, meist ältere Menschen und vor allem viele Kinder. ARD-aktuell berichtete über dieses Kriegsverbrechen ebensowenig wie die meisten anderen deutschen "Qualitätsmedien"; handelte es sich doch gar zu eindeutig um das Ergebnis eines amoralischen "Vergeltungs"angriffs des NATO-Partners Frankreich als Reaktion auf den Terroranschlag von NIzza.
ARD-aktuell kam seiner staatsvertraglich definierten Informationspflicht ("Überblick über das Weltgeschehen",umfassend, vollständig, sachlich, wahrheitsgemäß) nicht nach. Wo nichts geboten wurde, lässt sich das auch nicht anders belegen als mit den beiden obigen Links zu den Tagesschau-Ausgaben vom 19. und 20. Juli als Negativbeweisen zum Betreff dieser Beschwerde.
Erneut demonstrierte die Redaktion ihre politische Schlagseite; wie schon bei dem saudischen Bombardement eines Marktplatzes in Jemen mit weit über 100 Todesopfern übte sich die Redaktion auch hier in komplizenhaftem Verschweigen. Es gab ja nichts gegen die Russen zu hetzen, das grauenhafte Geschehen hatte mit der Westallianz einen gar zu eindeutigen Urheber – und ersichtlich hielt es die Redaktion für ihre Aufgabe, regierungs- und NATO-konformistisch den Partner Frankreich von kritischer Berichterstattung zu verschonen. Der Informationsanspruch des deutschen Publikums war nachrangig.
Wir erheben Programmbeschwerde. Einzelheiten über das französische Verbrechen in Syrien sind - pars pro toto - dem Artikel des Heise-Verlags und dem Internetblog Gegenfrage (Links s. oben) zu entnehmen. Wir haben uns erlaubt, sie für Sie und für jene Rundfunkräte einzufügen, die noch an einem halbwegs objektiven Bild über die Ereignisse in Syrien interessiert sind und bemerken, dass sie zumindest insoweit von ARD-aktuell nicht bedient werden. Wir wollen nicht ausschließen, dass es noch Räte gibt, die sich nicht von Chefredakteur Dr. Gniffkes unaufrichtigen Schutzbehauptungen einlullen lassen möchten.
Notabene: In der jüngsten Ausgabe der Betriebszeitung "Wir im NDR" schreibt Dr. Gniffke unter dem Titelwort "Glaubwürdigkei":
"Diesmal waren es sechs. Demnächst haben wir gleich zehn, und das in einer eigens dafür anberaumten Sondersitzung. Die Rede ist von Programmbeschwerden,..."
Im Schnitt haben wir dem Rundfunkrat pro Monat mehr als ein Dutzend Programmbeschwerden über ARD-aktuell-Sendungen vorgelegt. Wir waren auch nicht die einzigen Beschwerdeführer. Der Rat wird selbst wissen, dass Dr. Gniffke hier nicht einmal die Hälfte der Zahl der Beschwerden angibt, die das Gremium tatsächlich zu behandeln hat/hatte. Dr. Gniffke lügt also auch seine eigenen Mitarbeiter und die gesamte NDR-Belegschaft an.
Höflich grüßen
Volker Bräutigam, Friedhelm Klinkhammer