Nur blaues Blut ist wirklich gut, erfährt man von Florian Henckel von Donnersmarck in einem Interview mit der "Süddeutschen Zeitung". Da gab es mal einen Fehltritt in der gräflichen Familie, erzählt der Filmregisseur, ein Onkel habe tatsächlich irgend einen jungen Mann adoptiert, "den kannten wir gar nicht". Und der junge Graf zitiert zustimmend seinen Vater: "Es gibt keine Knappheit an Henckel von Donnersmarcks, es gibt keinen Grund, diesen Jungen zu adoptieren. Er wird ja damit auch nicht tatsächlich ein Adliger." Ja, nur Rasse ist klasse, und wer niedrig geboren ist, der soll gefälligst nicht hoch hinaus wollen.
Hoch hinaus, in die weite Welt des Glamours, gelangte Henckel von Donnersmarck mit seinem Film "Das Leben der anderen". Eine handwerklich ordentliche Arbeit, deren eklatanter Fehler ihr fatales Marketing war: Donnersmarck und einige andere Film-Mitarbeiter behaupteten, der Streifen bilde die Wirklichkeit der DDR 1:1 ab, während er doch nur jene Realität fabrizierte, die der Westen dem Osten überhängt wie der Bauer dem Ochsen das Joch. Aber die späte Attacke gegen die längst verblichene DDR entsprach in so schöner Weise dem altgedienten Feindbild, dass es Donnersmarck mit dem "Leben der Anderen" bis zum Oscar-Preisträger brachte.
"Aber ich könnte mir vorstellen", glüht Donnersmarck im selben Interview, "dass KT (Karl-Theodor zu Guttenberg, Verteidigungsminister und Cousin des Grafen) mit den gleichen Prinzipien von Ehre und Anstand erzogen wurde, die auch mir eingeimpft wurden." Habe die Ehre, sagt der Kriegsminister und lässt zu gern seine hochtechnisierte Armee auf mangelhaft bewaffnete afghanische Bauernjungs los. Dass der Krieg unanständig mit dem Grundgesetz und dem Völkerrecht umgeht, das berührt den adligen Anstand nicht. Deshalb behauptet Donnersmarck auch, dass es "überproportional viele Adlige" im Widerstand gegen Hitler gab und bedient, wie schon in seinem Erstlingsfilm, ein Propagandaklischee.
Der deutsche Adel war mit 15 Prozent der Offiziere überproportional in der Wehrmacht vertreten. In den höheren Offiziersrängen dürften es rund 30 Prozent gewesen sein. Und fast alle haben sie bis 1945 für den Endsieg gekämpft. Wenn der kleine Florian schon die hochadligen Namen der von Seekt, SA-Gruppenführer Prinz Wilhelm von Preußen, Oskar von Hindenburg und Franz von Papen (alles Steigbügelhalter Hitlers) nicht kennt, dann sollte ihm doch der Name des Georg Graf von Donnersmarck geläufig sein. Der war nicht nur Oberleutnant in der Wehrmacht, sondern auch Mitglied der Nazi-Partei und natürlich Mitglied der gräflichen Familie.
Wohl wegen der Ausblendung der adligen Nazikumpanei empfand Florian Henckel den Film "Operation Walküre", die Seifenoper um den Hitler-Attentäter Stauffenberg, als ein "Gottesgeschenk". Weil der so hervorragend am Mythos geschnitzt hatte, der deutsche Widerstand sei primär, nahezu ausschließlich adlig gewesen. Gemessen an der Zahl toter Widerständler dürften es eher Kommunisten und Sozialdemokraten gewesen sein, die an der Spitze des Kampfes gegen die Nazis gestanden haben. Aber deren Blut war von einem so gewöhnlichen Rot, dass dem Donnersmarck diese unteren Chargen einfach nicht aufgefallen sind.
Inzwischen ist dem Regisseur jüngst ein Comic Strip gelungen, den er als Film ausgibt: "The Tourist". In dem spielt Angelina Jolie eine Prinzessin und Johnny Depp den Frosch. Und obwohl das Drehbuch den armen Johnny immer und immer wieder an die Wand wirft, bleibt er grün und unansehnlich. Kein Prinz, nirgends. Vielleicht wegen dieses gründlich misslungenen Films überlegt der Regisseur, ob ihm nicht Spielbergs "Weißer Hai" wichtiger ist als "Schindlers Liste". Immerhin war Arnold Schwarzenegger einer seiner Lehrer: "Ich danke Arnold Schwarzenegger dafür, dass er mich gelehrt hat, dass ich die Worte 'Ich kann nicht' aus meinem Vokabular streichen sollte." Wahrscheinlich deshalb glaubt Donnersmarck wirklich: "Wo ich bin, scheint die Sonne." Solch präpotentes Geschwätz entfuhr dem Adligen schon vor der Oskar-Verleihung: „Wann hat man schon die Möglichkeit, in Friedenszeiten etwas Besonderes für sein Land zu tun?" Na klar, in Kriegszeiten, so unterstellt der Satz, da kämpft der Adel mit der Waffe in der Hand. Wie damals für Hitler, wie heute Herr zu Guttenberg in Afghanistan.