In den Rundfunkräten, den Gremien, die angeblich die Bevölkerung in den öffentlich-rechtlichen Sendern vertreten, sitzen auch Delegierte der Gewerkschaften. Im Norddeutschen Rundfunk, dem Tagesschau-Sender sind natürlich auch von ihren Organisationen delegierte Kollegen: Detlef Ahting (DGB), Susanne Kremer (DGB), Laura Pooth (DGB), Susanne Schöttke (DGB), Uwe Polkaehn (DGB), Rudolf Klüver (DBB) und Sabine Prilop (VDS) sind als Gewerkschaftsvertreter im NDR-Rundfunkrat; sie kratzt der antigewerkschaftliche Stil der Tagesschau offenkundig nicht.

Mehr als 400 Programmbeschwerden haben Volker Bräutigam und Friedhelm Klinkhammer zur „Tagesschau“ verfasst, den Anstaltsgremien geschickt und im Netz veröffentlicht. Fraglos haben sie eine zeitlang gehofft, dass sie einen Lerneffekt auslösen würden. Der ist leider ausgeblieben. In Zukunft werden die beiden Journalisten ihre Kraft auf die Netzöffentlichkeit konzentrieren. Schreiben an die Anstalten wird es nicht mehr geben. Statt auf die Beschwerden konzentrieren sich die Medien-Leute ab jetzt auf fundierte Medien-Kritiken. Die erste dieser Kritiken steht weiter unten. Viele werden folgen.


Gewerkschaftsfeindlich im Arbeitskampf

Tagesschau und Tagesthemen am 3. und 4.4.18
http://www.tagesschau.de/multimedia/sendung/ts-24915.html
http://www.tagesschau.de/multimedia/sendung/tt-5905.html
http://www.tagesschau.de/multimedia/sendung/ts-24935.html
http://www.tagesschau.de/multimedia/sendung/tt-5907.html

von Friedhelm Klinkhammer und Volker Bräutigam

Gleich am ersten Tag des Eisenbahnerstreiks meldete die ARD-aktuell in der Tagesschau-Hauptausgabe um 20 Uhr: “Schwarzer Tag für Frankreich”. Damit war die Perspektive auf das Geschehen im Nachbarland festgelegt. Das Kronjuwel des deutschen Qualitätsjournalismus informierte, die Streikenden wollten die “Kraftprobe mit Macron”, seien gegen “die Öffnung der französischen Bahngesellschaft für private Anbieter”, wehrten sich gegen die “Abschaffung zahlreicher Privilegien”. Dieser parteiische Stil prägte die Berichterstattung am 3. und 4. April in Tagesschau und Tagesthemen.

Ein Journalist, der soziale Errungenschaften, die von der Arbeitnehmerschaft in Generationen erkämpft wurden, als “Privilegien” klassifiziert, der nimmt auf ebenso subtile wie wirksame Art Partei. Er missdeutet einen Abwehrkampf gegen Billiglöhne und Arbeitsplatzverlust als amoralische Besitzstandwahrung – Botschaft im Kontext: in Zeiten, in denen alle den Gürtel gefälligst enger schnallen sollen.
Sachliche und distanzierte Berichterstattung über Arbeitskämpfe und Klassengegensatz wären geboten, erst recht, wenn es um mehr als nur ein paar Lohnprozente geht. Doch steht gerade die seriöse Nachrichtengestaltung über Arbeitskämpfe nicht in guter ARD-aktuell-Tradition. Besonders dann nicht, wenn Gewerkschaften es dabei als ihr selbstverständliches Recht ansehen, für die Bewahrung einer dem Volk gehörenden Staatsbahn vor Privatisierung mit all deren schädlichen Folgen für die Beschäftigten wie für die Bahnkundschaft einzustehen. Das kennen wir aus dem Kampf um die Privatisierung staatlicher deutscher Betriebe zur Genüge.

ARD-aktuell berichtete nun zwar über die Forderungen der französischen Gewerkschaften und über die Grunddaten des Konflikts halbwegs vollständig. Doch geschah das in einem durchgehend negativ besetzten Kontext: Zugverspätungen, kurzfristige Fahrplanänderungen, Behinderungen für die Bahnkunden, Gefährdung des Transportwesens, Verkehrschaos mit existenziellen Schädigungen für das Gemeinwesen. Von einer sauberen und neutralen Trennung nach Ursachen und Zielsetzungen, Motiven und Wirkungen des Arbeitskampfes konnte keine Rede sein.

Unverkennbar war der Blickwinkel der ARD-aktuell dabei: Die Agenda 2010 für Deutschland diente als ideeller Vergleichsmaßstab.
Der Redaktion ging es offenbar darum, den Merkel-Freund Macron von kritischer Betrachtung seiner arbeitnehmerfeindlichen neoliberalen Gesetzgebung zu verschonen, so gut es eben noch ging. Die Streikberichte kamen, wenn überhaupt, an beiden Tagen nur unter “ferner liefen” in den Sendungen vor. Unerwähnt blieben wesentliche Details: Ein Eisenbahner vom Pariser Bahnhof Saint Lazare – einer der Hauptknotenpunkte des Regionalverkehrs – wurde nach seiner Teilnahme am Streik sehr öffentlichkeitswirksam von der Polizei verprügelt. "Exempel statuieren" hieß das in früheren finsteren Zeiten. Im Auftrag der Unternehmensleitung der Staatsbahn SNCF sprengte ein privater Sicherheitsdienst in Lyon unter brutalem Gewalteinsatz eine Streikversammlung auf dem Bahnhofsgelände. Es gab auch in Paris Polizeiangriffe auf Streikversammlungen und Festnahmen von Streikenden. Die französische Entwicklung Richtung Polizeistaat wurde einmal mehr unterstrichen.

Zum Formalen: Am 3. April berichtete die 20-Uhr-Ausgabe der Tagesschau erst am Schluss der Sendung mit einem Beitrag von 1’32” Länge im Stil “Schwarzer Tag für Frankreich”. Die Tagesthemen brachten dieses Tagesthema gar nicht. Börsennachrichten, Ereignisse in den USA, eine werbende Spielfilmkritik hatten Vorrang. Ähnlich am 4. April: Da dominierten höfische Berichte wie der über den Jordanienbesuch des Außenministers Maas (“NATO-gestyltes Strichmännchen“ / Dieter Dehm). Der Bahnstreik in Frankreich bekam nur ein paar Sekunden, und wieder standen dabei die Verkehrsbehinderungen im Vordergrund. Die geplante Zerschlagung der französischen Bahn erhielt an diesem Abend ein verschleierndes Etikett: Vom "Umbau" war diesmal die Rede.

Fazit: ARD-aktuell verstand sich auf staatstragende Nachrichtengestaltung und Rücksicht auf politische Belange in der Beziehung zwischen Kanzlerin Merkel und dem “Modernisierer” Macron. Der Tenor über den Arbeitskampf um die französische Bahn war entschieden gewerkschaftsfeindlich. Ebenso feindselig wie von aller Streikberichterstattung der ARD-aktuell gewohnt. So haben wir im Monat März gerade einmal 90 Sek Film über den gesamten bisherigen ver.di-Streik im Öffentlichen Dienst gesehen – Börsennachrichten demgegenüber mindestens 960 Sekunden.

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AUFGRUND
VON MEHR ALS 400 EINGABEN
BEWIESEN:
MEDIALE UNREDLICHKEIT
ZUM STANDARD ERHOBEN

Der Volksmund sagt: Was wahr ist, muss bleiben.
Doch Wahrheit zur Zeit, ist Medien fremd.
Beleidigend drum, was Blätter so schreiben,
was auch die...

AUFGRUND
VON MEHR ALS 400 EINGABEN
BEWIESEN:
MEDIALE UNREDLICHKEIT
ZUM STANDARD ERHOBEN

Der Volksmund sagt: Was wahr ist, muss bleiben.
Doch Wahrheit zur Zeit, ist Medien fremd.
Beleidigend drum, was Blätter so schreiben,
was auch die Fernsehnachrichten treiben;
der Staatsfunk zahlt gut, was sichtlich enthemmt.

Meine Empfehlung: Bleibt bei der Wahrheit!
Auch wenn es schwer fällt, gebt zu Euer Tun.
Wählt das Zurück zur ehrlichen Klarheit.
Ein reines Gewissen hält Euch immun.

Ich erinnre an Zeiten unter bösen Belangen:
Da hatte es ähnlich angefangen.

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Lutz Jahoda
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Es freut mich zu lesen, dass diese "tapferen Recken" Friedhelm Klinghammer und Volker Bräutigam jetzt endlich nicht mehr gegen diese Windmühlenflügel der ARD ankämpfen und sich somit auch keine blauen Felcken mehr holen.
Dass die Gewerkschaften...

Es freut mich zu lesen, dass diese "tapferen Recken" Friedhelm Klinghammer und Volker Bräutigam jetzt endlich nicht mehr gegen diese Windmühlenflügel der ARD ankämpfen und sich somit auch keine blauen Felcken mehr holen.
Dass die Gewerkschaften auch bei der ARD mit ihm Boot sitzen, habe ich nicht gewusst. Wohl aber mal gelesen, dass Annelie Buntenbach (oder so ähnlich) im Aufsichtsrat oder Vorstand der Arbeitsagenturen saß oder noch sitzt. Schon da habe ich mich gewundert, dass sie jedes Arbeitnehmer feindliche Gesetz in Hartz 4 in keiner Weise beanstandet hatte. Es scheint wohl Konsens unter den Gewerkschaften gewesen zu und auch noch ist, nichts gegen Hartz 4 und die Zerschlagung unseres Sozialstaates zu unternehmen. Sie haben ja auch die Leiharbeit akzeptiert, zwar versucht, sie ein wenig gesetzlich abzusichern ... doch was ist das wirklich ? Es ist ein Ja der diesen Zustand verfestigt und eine Schande zu sehen, wie die harte Arbeit unserer Väter für faire Arbeitsbedingungen mit Füßen von den Enkeln getreten werden.
Die Gewerkschaften haben sich in den letzten Jahrzehnten seit Schröder/Fischer wirklich nicht mit Ruhm bekleckert sondern mitgemacht, die Kolleginnen und Kollegen vor Ort kräftig zu beugen und still duldend hinzunehmen, was man nicht ändern kann. Diese Angsthasen und Bangebuchsen haben sich mit dem "großen Geld" verbündet und schämen sich nicht mal. Das ist fast noch schlimmer als der Verrat an den Arbeitern vor Ort.

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Karola Schramm
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