Aus Dr. Gniffkes (ARD-aktuell) bedeutendem Buch „Wie Journalismus auch einfacher geht“ S. 211, folgende Stelle: „ Zu viele Begriffe verwirren den Zuschauer. Nehmen wir mal den Begriff „G7“, gemeint ist hier einen Staatengemeinschaft. Durchaus ähnlich klingt auch der Begriff „G36“, der meint aber ein Gewehr. Oder das Wort „Sanktion“. Wie unschwer zu erkennen ist, könnte das seine lateinischen Wurzel in „sanctus/heilig“ haben. Auch deshalb müssen Nachrichten über einen G-7-Gipfel zum Beispiel möglichst einfach formuliert werden, um den Zuschauer nicht mit unnötigem Wissen zu belasten. Das gilt erst recht für die Sanktionen gegen das unheilige Syrien.“
Atemlos lauschen die Journalisten-Schüler dem wichtigen ARD-Mann bei seinen Ausführungen: „Wir bei der TAGES-SCHLAU“, Kichern im Saal, „ vermeiden deshalb grundsätzlich solch schwierige Begriffe in eine Nachricht zu packen. Denn wenn wir das zusammenpacken, könnte der Zuschauer auf die dumme Idee kommen, wir müssten über die Flucht-Ursachen auspacken. Das aber sind Päckchen, die wir nicht eingepackt haben. Da wollen wir lieber nichts anpacken.“ Ergriffene Rührung im Auditorium. In der Diskussion meldet sich einer, der gern ein Praktikum bei der TAGESSCHAU machen würden: „Herr Dr. Gniffke, ihr Vortrag war sehr packend!“ Gniffke glaubt das sofort und nickt leutselig.
Programmbeschwerde.
Desinformationen über G7-Gipfel und „Flüchtlingskrise“
Sehr geehrte Damen und Herren,
wie oft wohl wurde die gebetsmühlenartig wiederholte „Erkenntnis“ der Bundeskanzlerin Merkel publiziert, man müsse zur Lösung der „Flüchtlingskrise“ die „Fluchtursachen bekämpfen“, und deren wichtigste sei nun mal „der Krieg“? Nicht anders tönte es mithilfe der ARD-aktuell vom G7-„Gipfeltreffen“ im japanischen Ise-Shima. Dass dort auch einige Mitverantwortliche und Kriegsverursacher zu Tische saßen, vermeldete ARD-aktuell wohlweislich nicht – trotz aller Verpflichtung zu Wahrhaftigkeit und Sachlichkeit.
Entspricht es auch Ihrem Verständnis von staatsvertragskonformer Nachrichtengestaltung, dass in Tagesschau, Tagesthemen und allen übrigen Formaten von ARD-aktuell lediglich offizielle Verlautbarungen und deren regierungskonforme Interpretation von der Gipfelhöhe gesendet werden, nicht aber Informationen über wesentliche dazugehörige Fakten? Obwohl die Kernaufgabe für ARD-aktuell doch lautet:
Ziel aller Informationssendungen ist es, sachlich und umfassend zu unterrichten und damit zur selbständigen Urteilsbildung der Bürger und Bürgerinnen beizutragen. (§ 8 NDR Staatsvertrag) ?
Als klassisches Beispiel für kritikwürdig unvollständiges Auftragsverständnis mag diesmal die 20-Uhr-Ausgabe der Tagesschau vom 27.5. dienen; die übrigen ARD-aktuell-Angebote wiesen natürlich alle den gleichen strukturellen Mangel auf, über den wir hier Beschwerde führen: Die Sanktionspolitik gegenüber Syrien, weitere Hauptursache der „Flüchtlingskrise“, blieb unerwähnt, obwohl es an diesem Tag einen aktuellen und bedeutenden Anlass gab, über den hätte berichtet werden müssen. Dazu weiter unten mehr. Hier zunächst Tagesschau-Zitate
Studio-Sprecher: „Vor seinem Besuch in Hiroshima hatte US-Präsident Obama mit den Staats- und Regierungschefs der sieben führenden Industrienationen über Maßnahmen zur Stützung der Weltkonjunktor beraten. Weitere Themen dieses G7-Treffens in Ise-Shima waren die Bewältigung der Flüchtlingskrise und die Bedrohung durch den internationalen Terrorismus. Obwohl keine konkreten Beschlüsse gefasst wurden, zeigte sich Bundeskanzlerin Merkel mit den Ergebnissen zufrieden.“
Die Kanzlerin sehe in dem Gipfel einen Erfolg, heißt es in Uwe Schwerings anschließendem Korrespondentenbericht,
O-Ton: „...erstens, weil es ihn gibt, zweitens, weil sie in der Flüchtlingskrise Unterstützung bekommt, denn die Fluchtursachen in den instabilen Staaten will die G7 bekämpfen. ...“
Quelle: http://www.tagesschau.de/multimedia/sendung/ts-14227.html
Damit schwimmt ARD-aktuell wie immer mitten im Mainstream der Medien:
„Die sieben großen Industriestaaten sehen die Flüchtlingskrise als globales Problem und plädieren für eine Entlastung auch von Deutschland. Die Kanzlerin ist zufrieden.“
Quelle:http://www.zeit.de/politik/ausland/2016-05/g7-gipfel-irak-milliarden-hilfe
Kritischere Betrachtungen, die auch Sache der ARD-aktuell hätten sein müssen, kamen hingegen zu diesem Ergebnis:
„USA, Japan und Kanada haben die Aufnahme von Asylsuchenden abgelehnt. Finanzhilfen wurden ebenfalls ausgeschlossen. Über den Krieg als wichtigste Fluchtursache wurde am G7-Gipfel in Japan erst gar nicht gesprochen.“
Quelle: http://www.epochtimes.de/politik/welt/g7-staaten-verweigern-merkel-unterstuetzung-in-der-fluechtlingskrise-a1332503.html
Wir wollen an dieser Stelle keine Spekulation mehr anstellen, welcher der o.g. Berichte der „Gipfel“-Realität am nächsten kam. Die staatsvertragsverletzende Arbeitsweise bei ARD-aktuell lässt sich vielmehr am Ignorieren einer zusätzlichen Nachricht belegen, die nicht von den kommerziellen Agenturen angeboten wurde, sondern von der (italienischen) agenzia fides, Organo di informazione delle Pontificie Opere Missionarie dal 1927, einem Informationsdienst der Katholischen Kirche:
„Appell an Linke und Katholiken: Syrischer Klerus fordert Ende der Sanktionen. Während sich die katholischen Hilfswerke und Die Linke mit Nachdruck zum Einsatz für Flüchtlinge bekennen, rufen kirchliche Würdenträger aus Syrien dazu auf, die Sanktionen gegen ihr Land unverzüglich aufzuheben und die Bevölkerung nicht länger auszuhungern.“
Quelle (italienisch):
http://fides.org/it/news/60123-ASIA_SIRIA_La_UE_conferma_le_sanzioni_L_Arcivescovo_Marayati_soffrira_il_popolo_non_chi_comanda_E_c_e_chi_non_vuole_che_la_guerra_finisca#.V03NrTZ1CdE
Quellen (deutsch) u.a.:
http://www.friedensratschlag.de/?Online-Publikationen:Friedenspolitische_Berichte_und_Analysen
http://sicherheitskonferenz.de/en/aggregator
http://www.ad-hoc-news.de/de/Archiv/2016-05-28/10-11-Uhr/0/News
http://www.hintergrund.de/201605283965/globales/kriege/appell-an-linke-und-katholiken-syrischer-klerus-fordert-ende-der-sanktionen.html
http://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/2016/05/28/appell-der-christen-in-syrien-eu-sanktionen-treiben-menschen-zur-flucht/
http://www.terrasanta.net/tsx/lang/it/p9234/Basta-sanzioni-alla-Siria-una-petizione
http://www.comunisti-italiani.it/2016/05/26/fermare-le-sanzioni-alla-siria-il-messaggio-di-ammar-baghdash-segretario-generale-del-pc-siriano/
Das zuerst auf der Petitionsplattform Change.org veröffentlichte Schreiben – intalienischer Titel : „Basta sanzioni alla Siria e ai Siriani“ – wurde unterzeichnet von
Georges Abou Khazen, Apostolischer Vikar von Aleppo
Pierbattista Pizzaballa, Kustos emeritus des Heiligen Landes
Josef Tobji, Erzbischof der Maroniten von Aleppo
Boutros Marayati, Armenischer Bischof von Aleppo
Die Schwestern der Kongregation des heiligen Josef der Erscheinung des Krankenhauses „Saint Louis“ von Aleppo
Ordensgemeinschaft der Trappistinnen in Syrien
Dr. Nabil Antaki, Arzt in Aleppo von der Ordensgemeinschaft der Gesellschaft Maria
Die Schwestern der Kongregation der immerwährenden Hilfe - Zentrum für Minderjährige und Waise von Marmarita
Pater Firas Loufti, Franziskaner
Jean–Clement Jeanbart, griechisch-orthodoxer Erzbischof von Aleppo
Jacques Behnan Hindo, syrisch-katholischer Bischof von Hassake – Nisibi
Mtanios Haddad, Archimandrit der katholisch - melkitischen Kirche
Hilarion Capucci, emerit. Erzbischof der melkitischen griechisch-kath. Kirche
Ignaz Youssef III Younan, Patriarch der unierten syrisch-kath. Kirche von Antiochien
Georges Masri, Prokurator beim Heiligen Stuhl der syr.isch-kath. Kirche
Gregor III Laham, Patriarch der melkitisch griechisch-kath. Kirche
Eine von Bernd Duschner besorgte deutsche Übersetzung des Appells aus dem Italienischen wurde von der junge Welt veröffentlicht.
Quelle: http://www.jungewelt.de/2016/05-28/073.php
Dem eventuellen Argument, aus kirchlichen Nachrichtendiensten kommende Informationen über die menschenverachtende Syrien-Politik der Bundesregierung seien weniger beachtlich als das von den kommerziellen Agenturen Gebotene, sei noch vor einer Liste journalistischer Grundsätze der NDR-Staatsvertrag entgegengehalten:
Die sittlichen und religiösen Überzeugungen der Bevölkerung sind zu achten (§7, Programmauftrag)
Journalistische Grundsätze, juristische Normen und ethische Prinzipien haben geboten, ausführlich und nachdrücklich über die Heuchelei in Merkels Politsprüchen und deren Gegensatz zu Merkels politischer Praxis zu informieren. Sie hätten erfordert, dass ARD-aktuell umfassend über den parallel zum G7-Gipfel veröffentlichten Appell des syrischen Klerus zur Beendigung der mörderischen Sanktions- und Kriegspolitik berichtet.
Das ist nicht geschehen. ARD-aktuell verstößt prinzipiell gegen wesentliche Bestimmungen des Rundfunkstaatsvertrags bzw. des NDR-Staatsvertrags.
Wir fordern Sie zu kritischer Prüfung auf.
Höflich grüßen
Volker Bräutigam und Friedhelm Klinkhammer