"Diplomatie, Geschick und Klugheit", attestierte sich Christoph Matschie in vorbildlicher Bescheidenheit selbst, als die BILD-Zeitung ihn danach fragte. Und das gleiche, hohe Maß an Sensibilität wendet der Theologe auch an, wenn es um die Zukunft des Landes Thüringen geht. Vor der Wahl hatte er schon den verfeinerten Ypsilanti-Dreher aufgeführt, als er versicherte, dass es mit ihm, dem Chef der Thüringer SPD, keinen Ministerpräsidenten der Linken gäbe. Nun ist der Mann nach der Wahl zwar dritter Sieger, hinter CDU und Linkspartei, aber wenn die Linkspartei ihn zum Ministerpräsidenten wählen würde, dann, ja dann könnte er sich vielleicht zu einer rot-roten Regierung hinreissen lassen.
"Thüringen", so glitt es Matschie vor der Wahl flüssig von der Lippe, müsse sich "vom System Althaus befreien." Dieser sozialdemokratische Befreiungskampf galt ausdrücklich nicht nur der Person des CDU-Ministerpräsudenten, es galt dem "System". Dieter Althaus ist weg, das marktliberale System der Merkelschen CDU wird sich auch durch seinen Rücktritt nicht ändern, aber eine Koalition zwischen CDU und SPD ist für Matschie nach der Wahl durchaus denkbar. Denn: "Ein Linken-Ministerpräsident ist aus unserer Sicht nicht verantwortbar." Es ist eine sonderbare "Klugheit", die den thüringischen SPD-Chef erleuchtet, es ist das "Geschick" eines Polit-Gauklers, der seinen Wählern das Eine verspricht, um dann das Andere zu tun.
Der SPD-Rechte Matschie - ein eifriger Befürworter der Rente mit 67 und Verteidiger der Agenda 20/10 - hat ein kurzes Gedächtnis: Im Ergebnis der Koalition zwischen CDU und SPD in Thüringen von 1994 bis 1999 verloren die ohnehin schwachen Sozialdemokraten rund zehn Prozent ihrer Wähler. „Es gibt eben Situationen“, in denen nicht der Verstand, sondern das Herz entscheidet", zitiert Matschie sich selbst auf seiner Web-Site. Wo bei Matschie der Verstand sitzt, ist nicht sicher, dass ihm das Herz rechts schlägt, darf angenommen werden. Anders ist seine Haltung nicht zu erklären. Natürlich wird die deutlich stärkere Linkspartei keine Koalition mit einer SPD eingehen können, deren Hauptforderung darin besteht, den Ministerpräsidenten zu stellen. Das würden die Wähler der Linkspartei nicht verstehen und es käme einem politischen Selbstmord gleich, wenn die Linke dem Matschie-Wunsch nachgäbe.
"Große Worte sind seine Sache nicht", schreibt Matschie über Matschie. Kleine Worte, so muss man das lesen, lassen sich einfach besser brechen. So steuert der Pfarrers-Sohn ziemlich unverholen den Job des Junior-Partners in einer CDU-SPD-Koalition an und gibt, immer in engem Kontakt zu Meister Müntefering, Signale für die Bundestagswahl in wenigen Wochen. Wir haben verstanden: Wenn es für eine Schwarz-Gelbe Koalition nicht reicht, dann steht die SPD als bewährter Koalitionär bereit. Lange wird man das Spiel allerdings nicht mehr machen können, weil der Stimmenanteil der SPD gerade durch solche, die Posten sichernden Purzelbäume, unter den der FDP rutscht. Aber soweit denkt Christoph Matschie nicht. Ihm reicht ein schöner, warmer Platz in der neuen Landesregierung.