Jüngst entschied der Bundestag, deutsche Soldaten in den Kongo zu senden. Die Medien, die davon wenig Aufhebens gemacht haben, wussten, dass die Entscheidung längst gefallen war: Der Bundespräsident war dafür, die Regierung hatte sich öffentlich entschieden, das Parlament klapperte hinterher, ein wenig unwillig. Öffentlich kaum nacherzählt, war der Kongo-Einsatz war einfach keine Neuigkeit mehr.

Die Deutschen haben Wichtigeres zu tun: Anschwellende Sportbeilagen, lange Debatten zwischen Herrn Netzer und Herrn Delling, unsägliche Debilitäten des Herrn Schaun-mer-mal und die Machtübernahme durch die FIFA und deren Sponsor-Bataillone prägen den öffentlichen Diskurs. Vor dem Brandenburger Tor eine Plastik des Audi TTS in zehnfacher Größe, links daneben, in Sichtweite des Parlamentes, die Skulptur gigantisch aufgeblasener Fußballschuhe: Wir haben das Auto erfunden! Und Adolf Dassler den Fußballschuh! Wir sind Weltmeister!

Wir wollen Weltmeister werden: In Afghanistan verteidigen wir seit Jahren den Frieden, in den Kongo stürmen wir für die Demokratie, im ehemaligen Jugoslawien halten wir den Balkan unter kontrolliertem Pressing. Noch aber sind die USA an der Spitze der Militäreinsatz-Tabelle: Fröhliches Vorchecking in der irakischen Stadt Hadith, nicht weit davon, in Ishaki, fielen sieben Zivilisten einem Revanchefoul zum Opfer. Da können wir noch nicht mithalten.

»Deutschland - Land der Ideen« lautet der Titel einer Kampagne, die, der Geschmack hat gerade Urlaub, direkt neben dem Berliner Mahnmal zur Bücherverbrennung einen turmhohen Stapel Bücher platziert hat, weil wir ja den Buchdruck erfunden haben. Erfunden hat diese Kampagne zur WM eine Achse zwischen Politik und Wirtschaft und ihr vorläufiger Höhepunkt ist Claudia Schiffer. Sie reiste jüngst zu Pfingsten nach London und verhüllte dort eine U-Bahn-Station mit ihrem Poster, auf dem sie nur mit schwarz-rot-bunt bekleidet posiert. U-Bahn-Stationen in New York und Tokio wurde bereits ein ähnliches Schicksal angedroht.

Wer die Regierung unter Kanzlerin Merkel beobachtet, wird sich für blind halten müssen, so viel Bewegungslosigkeit war nie. Die Schrödersche Politik der ruhigen Hand ist durch die Merkelsche Politik der kleinen Schritte auf der Stelle abgelöst worden. Bewegung könnte es bald in Afghanistan geben. Die USA erwarten dort einen »blutigen Sommer« und deren Botschafter in Kabul hat Sorge, dass die Deutschen Soldaten sich »wegducken« könnten. Das kann die deutsche Elf nur als Beleidigung empfinden, wenn der Ball kommt, wird der Kopf hingehalten, das ist das System der Deutschen.

Wenn die ersten deutschen Soldaten, aus welchem fremden Land in dem wir gerade zu Gast sind auch immer, in Särgen nach Hause kommen, wird die jetzige Reklameoffensive kaum reichen. Da werden dann neue Ideen gefragt sein. Bleibt die Kampagne auf ihrem bisherigen Geschmackskurs, könnte der Bundespräsident in Strapsen auftreten. Oder alle Hartz-IV-Empfänger erhalten ein Care-Paket mit Cola und BigMac. Besser noch wäre eine Märchenhochzeit zwischen Michael Ballack und Kati Witt: Kein Auge bliebe trocken und scharf genug für die Wirklichkeit.

Sollte allerdings die deutsche Fußballmannschaft zeitgleich mit der Bundeswehr scheitern, dann muss gedopt werden: Es steht im Regierungsviertel immer noch die 25 Tonnen schwere Skulptur »Meilensteine der Medizin«. Sie stellt zehn Meter breite Aspirintabletten dar und gilt als sicheres Mittel gegen Katzenjammer.

Kommentare (0)

Einen Kommentar verfassen

0 Zeichen
Leserbriefe dürfen nicht länger sein als der Artikel
Anhänge (0 / 3)
Deinen Standort teilen
Gib den Text aus dem Bild ein. Nicht zu erkennen?
Bisher wurden hier noch keine Kommentare veröffentlicht