Den »Mantel der Führung«, sagt George W. Bush, habe sich die Kanzlerin Merkel umgehängt und meint nicht nur seine Einladung nach Mecklenburg-Vorpommern, sondern vor allem die vielen Truppen die Deutschland überall dort stellt, wo die USA sie gerne sieht. Führt hier der Hund den Blinden oder der Blinde den Hund? Wir fürchten, letzteres ist das korrekte Bild. Den als Sehenden kann man den amerikanischen Präsidenten kaum bezeichnen und dass die Merkel ihn führt wird auch keiner glauben wollen.
Nach dem von Kohl bereits abgetragenen Mantel der Geschichte, müssen wir uns nun mit dem Führungsmantel herumschlagen und es steht zu befürchten, dass Herr Bush in luzider Art und Weise recht hat. Natürlich führt sie nicht wirklich, die Kanzlerin, aber sie sonnt sich in der Geste der Führung. Sie redet den Briten in der Frage des EU-Beitrages gut zu, mit dem Ergebnis, dass die Deutschen mehr in den gemeinsamen Topf zahlen. Sie lässt sich vom französischen Präsidenten nicht lange bitten und die Bundeswehr zieht in den Kongo, um eine mehr als dubiose Wahl zu stützten, sie lässt die deutsche Armee in Afghanistan mehr Verantwortung, sprich Risiko, übernehmen als bisher.
Nicht ein einziges der wesentlichen innenpolitischen Problem Deutschlands ist gelöst: Die Zahl der Arbeitslosen ist kaum gesunken, die Föderalismusreform reformiert genauso wenig wie die Gesundheitsreform, die Steuerreform wird die weitere Geld-Umschichtung von Unten nach Oben herbeiführen. Da tun martialische Gesten Not: Wir sind wer, wir haben eine Armee, reckt sich die kleine deutsche Republik in Gestalt ihrer Kanzlerin über die Tischkante und kräht vergnügt von der deutschen Verantwortung.
Und weil die Militärrassel ein so schönes Spielzeug ist, soll jetzt auch im Inneren damit herum gefuchtelt werden: Der Innenminister, von der Kanzlerin nicht dementiert, wünscht sich zur »Terror-Abwehr« mal wieder die Bundeswehr im Inneren, obwohl sie bei der Weltmeisterschaft, wo er sie auch schon gerne eingesetzt hätte, keiner vermisst hat. Damit das Bedrohungsszenario weiter Futter bekommt, soll die Befugnis der Geheimdienste ausgeweitet werden. Ausgerechnet jene Dienste, die in einer immer noch nicht ausreichend erhellten Verbindung zu den USA die deutsche Verfassung verletzt haben, sollen »verfassungsfeindlichen« Bestrebungen entgegenwirken.
Der Medienrausch der Fußballweltmeisterschaft ist vorbei, Katerstimmung liegt über dem Land, eine Regierung des Sozialbetrugs braucht neue Themen der Ablenkung: Fürchtet euch, beschwört sie, fürchtet euch vor den Terroreros den islamischen. Und wenn dem Bürger genug Furcht eingeflößt wurde, so hofft sie, dann folgt er starken Worten und starken Gesten und bemerkt nicht, dass es sich um Ersatzhandlungen, um die Vorspiegelung von Regierungstätigkeit handelt.
Was aus übersteigertem, gestischem Sicherheitsbedürfnis folgt, ist in den nächsten Tagen in Mecklenburg-Vorpommern zu beobachten. Eine der wenigen Freundinnen, die der Präsident der Vereinigten Staaten in der internationalen Politik hat, Angela Merkel, lädt den gefährlichen Bush in ihren Wahlkreis. Stacheldraht, Streifenboote, zuschweißte Gullydeckel und 12.000 Polizisten machen den Staatsbesuch zu einem einmaligen, paramilitärischen Erlebnis. Und wieder geht es nicht um konkrete Politik. Bush braucht Sympathiepunkte in Europa und Frau Merkel ist bereit sie ihm zu verschaffen. Immerhin, sie trägt den Führungsmantel. Wohin uns dieser Mantel führt ist ihr egal. Hauptsache, er steht ihr.