Wer geglaubt hatte der Papst-Wahn, das Kurien-Karussell, die Katholen-Kirmes sei mit dem Tod des verblichenen Johannes Paul beendet, der hatte sich schwer vertan. Denn mit "unserem" Papst, dem deutschen Ratzinger, geht es erst richtig los:" Wir sind Papst" titelte die Bild-Zeitung und hatte den Leser auf den Kopf getroffen. Schon die Wahl hatte Krimi-Qualitäten: Isser nun schwarz der Rauch oder eher blaugrau, vielleicht pink? Den Papst-Propagandisten in allen Medien rauchten die Köpfe, wird es einer aus Lateinamerika, einer aus Afrika, ganz sicher keine Frau, oder? Es wurde unsere Ratze, der Bayer von nebenan, einer von der strengen Observanz. Das allein aber erklärt nicht die bis heute anhaltende Hysterie, den Medien-Hype. Doch seit Jahren haben sich diese Tage angekündigt.

Mit ein paar Räucherstäbchen fing alles ganz harmlos an. "Ham wa aus Nepal, die glooben janz anders." Dann wurden Halbedelsteine gegen alle Zipperlein der Erde gekauft. Wer gestern seinen Sauvignon noch als "gut im Abgang" beurteilte, wusste inzwischen längst "Rosenquarz, jeht total jut ab". In den pseudointellektuellen Zirkeln wurde der Mao ab- und der Dalai Lama aufgehängt und wer nicht auf der letzten Esoterikmesse war, der konnte nicht mitreden. Nach Jahren modischer Agnostik musste ein bisschen Glaube sein und wer nicht selber nach Tibet konnte, der hatte zumindest ein Butterlämpchen auf dem Nachttisch.

So ein ausländischer Glaube, der war doch eher Folklore, der roch nach Multi-Kulti und schmeckte wie Heuschrecke in Honig. Den führte man auf Partys spazieren, schließlich hat Doris Dörrie darüber einen ganz süßen Film gemacht, und diese kleinen Mönche, irgendwie schnuckelig. Aufklärung? Na, gut, war damals notwendig, als wir jünger waren, auf Dauer ist dieses Wissen-Wollen doch sehr, sehr anstrengend.

Und irgendwann kam der Glaube dann in der Heimat an. Zwar sind die Kirchen nicht ständig voll, aber so ein kleines Gebet für den Papst hat noch niemandem geschadet. Hatten Eltern und Großeltern nicht gesagt, dass in Krieg- und Nachkriegszeiten viel gebetet wurde? Werden die Zeiten nicht immer schlechter? Gestern mag man ja noch was gewusst haben, heute glaubt man und glauben beruhigt. Sagt doch der Volksmund: Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß, oder: glaubste was, biste was. Denn haben haben immer weniger was.

Mitten in diese Melange aus Blindekuhspiel und Dabei-Sein-Ist-Alles trift nun Ratze mitten ins Auge. Als der Mann noch Kardinal und Chef der Glaubenskongreation (die Folge-Institution der Inquisition) war, gab es ein denkwürdiges Interview mit ihm. Sagte er doch, dass die heilige Inquisition ein Fortschritt war, denn erst mit ihr wären Regeln für alle Arten von Ungläubigkeit formuliert worden. Aha, vorher waren also Zustände wie in Abu Ghraib, danach erst wurde nach allen Regeln der Kunst aufs Rad geflochten und die Streckbank bedient. Auch so kann man Fortschritt definieren.

Tröstlich bleibt der Kernsatz seiner Amtseinführung: "Wer glaubt, ist nie allein". Da gibt es Leute, die interpretieren flugs eine Bewusstseinsspaltung, so als habe jeder Gläubige noch einen neben sich. Aber das kann man doch an den Stränden von Rimini oder der Costa Brava auch ohne Kirchensteuer haben.

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