Da war doch was: Grün sei die Hoffnung, sagte der Volksmund der Deutschen und auch auf Plakaten konnte man es lesen. Verwegen sahen sie aus, die ersten Grünen und auch manchmal ein wenig selbstgestrickt. Na, und? Eine Zukunft wurde an den blauen Himmel gemalt, die gesünder nicht hätte sein können: Keine Kriege mit deutscher Beteiligung, da sollte man sich bei Grün sicher sein und auch ein gutes soziales Gefühl wäre garantiert. Aber vor allem: Eine Umwelt, so sauber wie nix. Keine Verstrahlung der Landschaft, keine Verdüsterung des Klimas und der Erhalt der Natur dort, wo sie noch natürlich ist. Das war der grüne Frühling.

Hatten die Grünen einen Sommer? Es wird die Zeit gewesen sein, als sie in die Landtage kamen, als sie über eine ordentliche Menge Abgeordnete im Bundestag verfügten und als Joschka Fischer, unvergessen, dem Bundestagspräsident einen kleine Freude bereitete: "Mit Verlaub, Herr Präsident, Sie sind ein Arschloch." Da gab es ein Lachen im Land, vor allem bei denen, die ihre Wochenenden auf Demonstrationen gegen dieses oder jenes Atomkraftwerk, gegen diese oder jene Nachrüstung verbrachten. Auch manche bürgerliche Hand vor dem Mund verbarg das klammheimliche Kichern: Gib es Ihnen, Joschka, es geht um eine andere Republik, zumindest um eine runderneuerte.

War es noch der grüne Sommer, als man mit den Sozialdemokraten plante, die Republik, wenn nicht an Haupt, so doch in mancher Gliederung, zu reformieren? Das Projekt Rot-Grün ward geboren, stolz nahm man Abschied von den harten Bänken der Opposition und ließ sich auf den Hintersitzen der Dienstwagen nieder: Alles Leder, und roch so neu. Und weil man sein grünes Gewissen lange genug dem Pazifismus geliehen hatte, dehnte man es aus: Der Krieg im ehemaligen Jugoslawien konnte nur gerecht sein, weil dort ein neues Auschwitz verhindert werden sollte. Nicht selten verbergen große Worte kleinste Ziele. Dem arg strapazierten Gewissen konnte danach auch ein weit entfernter Krieg gegen den Terror zugemutet werden.

Was blieb vom grünen Hoffen? Eine klare, harte Haltung, wenn es um die Umwelt ging. Da war kein Wackeln bei den Grünen. Auch wenn das Wort Optionen häufiger wurde, vor und nach den Parteitagen, in den gelenken Auftritten grüner Spitzen vor der Presse: Optionen wollte man sich offenhalten, fähig bleiben für Politik, flexibel sein für allerlei Wechsel. Der grüne Herbst wurde manifest in einem April in Hamburg, als man sich mit der CDU auf eine Koalition einigen konnte. Der neuen Koalition folgte ein Kohlekraftwerk im Lande Hamburg, von der grünen Umweltsenatorin gebilligt: Die Frau war "rechtlich dazu gezwungen". Kein Rücktritt von den Posten, nur der Rücktritt von den Wahlversprechen. Dass das ehemals verpönte, aber vom Koalitionspartner dringend gewünschte Ausbaggern der Elbe folgen wird, versteht sich.

In diesen Tagen wird aus dem Grün ein sattes Gelb: Warum nicht mit CDU und FDP im Saarland eine schöne, weitere Option eröffnen: Das stärkt die Fähigkeit zur Politik. Hat da einer nach den Inhalten gefragt? Mit Verlaub, Herr Wähler, das geht zu weit. Denn mag die FDP auch auf der Bundesebene die gut bezahlte Agentur der Energieindustrie sein, im Saarland steht doch gar kein Atomkraftwerk. Schön, nur zwölf Kilometer von der Landesgrenze entfernt, an der französischen Mosel, in Cattenom, da steht ein AKW. Aber was hat es mit der Saar zu tun? Außer vielleicht es brennt mal wieder, wie im Mai 2004, als die französische Feuerwehr Stunden brauchte den Brand zu löschen.

Der Winter der Grünen ist absehbar: Claudia Roth wird, im Ergebnis einer CDU-FDP-GRÜNEN-Koalition zur Bundespräsidentin gewählt, Joschka Fischer wird der erste Außenminister der Europäischen Union und Renate Kühnast wird Leiterin der Deutschen Energie Agentur. Nur Hans-Christian Ströbele wird weiter mit dem Fahrrad zum Bundestag fahren, seine weißen Haare im Wind wehen lassen und gegen jeden Krieg stimmen, den die Mehrheit seiner Fraktion billigt. Das sei aber ein frostiger Winter, sagen Sie? Eben deshalb brauchen wir unbedingt Atomkraftwerke.