Es begann Ende 1991 mit der Anerkennung der Staaten Katalonien und Galizien durch Deutschland: Der spanische Zentralstaat hatte sich einfach überlebt, das jedenfalls war die Meinung im deutschen Außerministerium und der damalige Kanzler Kohl sagte sogar, dass die Deutschen, angesichts der Tatsache, dass sie ihre nationale Souveränität erreicht hätten, die Katalanen und Galizier bei ihrem Freiheitskampf unterstützen müssten. Die Europäische Union kritisierte die übereilte Anerkennung und befürchtete militärische Auseinandersetzungen. Tatsächlich kam es in ganz Spanien zu heftigen Kämpfen. Denn auch wenn in den katalanischen, galizischen und baskischen Gebieten des ehemaligen Spaniens durchweg eigene Sprachen gesprochen wurden und man in gewisser Hinsicht auch von eigenen Nationen reden konnte, wohnten all diese »Nationalitäten« seit Jahrhunderten querbeet der Territorien Spaniens und die Kastilianisch sprechenden Mehrheitsspanier lebten ebenfalls seit Generationen friedlich in den diversen Regionen. Nun aber begann ein munteres Hauen und Stechen. Mehrere Hunderttausend Tote waren die Folge.
Parallel zur neuen Staatlichkeit der Katalanen und Galizier bekamen nun auch die Basken Appetit auf einen eigenen Staat. Mit einer bewaffneten Formation wurden Anschläge gegen staatliche Einrichtungen durchgeführt, die im deutschen Verfassungsschutzbericht (nicht wenige Basken lebten in Deutschland im Exil und gingen dort sehr unterschiedlichen Gewerben nach) als in »ihrer Heimat als terroristisch operierend« eingestuft wurde. Auch die Regierung in Madrid, die wenigsten eine ihrer ehemals spanischen Gebiete im alten Staatsverband halten will, bezeichnet die baskischen Milizen als »terroristisch«. Neben der Bedeutung als Grenzregion galt den Zentralspaniern der baskische Ort Roncesvalles als für das christliche Europa identitätsstiftend: Dort hatte Karl der Große, nach einem Feldzug gegen die islamischen Sarazenen, ein bedeutendes Rückzugsgefecht geliefert. Im Gefolge der Schlacht bei Roncesvalles entstand das mythische Rolandslied., Karls Expedition wurde später zum frühen Kreuzzug hochstilisiert.
Da die Kämpfe auf dem Gebiet der Basken anhalten, entschließt sich die NATO einzugreifen: Sie zwingt die verfeindeten Parteien an den Verhandlungstisch, wünscht die Autonomie des Baskenlandes und will dort Truppen installieren: Die spanische Seite ist vor allem mit dieser Truppen-Stationierung nicht einverstanden und besteht auf ihrer nationalen Souveränität. Insbesondere in Deutschland liest und hört man, dass die spanischen Truppen sich im Baskenland als Völkermörder aufführen. Verteidigungs- und Außenminister wollen im Baskischen ein neues Auschwitz sehen. Auch deshalb findet im März 1999 die Bombardierung der spanischen Hauptstadt und der baskischen Städte, in denen spanische Soldaten vermutet werden, keinen besonderen Widerstand in der deutschen Öffentlichkeit. Nach noch mehr Toten und Zerstörungen sind die Spanier weitgehend aus dem Baskenland vertrieben. Ruhe und Ordnung wird durch internationale Truppenkontingente gewährleistet, darunter etwa fünftausend deutsche Soldaten, die dort seit sieben Jahren stationiert sind. Ein Ende ist nicht abzusehen. Man geht davon aus, dass sich die Basken in den nächsten Wochen und Monaten einseitig als unabhängigen Staat erklären werden und dass die USA diesen neuen Staat anerkennen wird. Völkerrechtler erklären diesen Akt vorab als rechtswidrig. Dass die deutschen Truppen dem Völkerrecht gegen die ebenfalls im Baskenland stationierten Truppen der USA zur Geltung verhelfen werden, ist nicht anzunehmen.
Das ist natürlich alles Lüge. Wenn man allerdings Spanien gegen Jugoslawien auswechselt, Katalonien für Kroatien und Galizien für Slowenien nimmt, Roncesvalles gegen das Amselfeld tauscht (das die Serben als mythischen Gründungsort ihrer Nation begreifen) und die Basken gegen die Kosovaren, dann stimmt wieder vieles. Allerdings gibt es einen gravierenden Unterschied: Die Basken wohnen nicht dort, wo eine Tochter des US-Amerikanischen Konzern Halliburton eine Trasse für eine Ölpipeline bauen wird: Vom Schwarzmeerhafen Burgas durch Bulgarien und Mazedonien, längs der Grenze des Kosovo bis zur albanischen Adria. Deshalb hatte die USA auch schon vor dem Bombardement ein riesiges Grundstück in der Nähe der kosovarischen Stadt Pristina erkundet und vermessen: Das heutige »Camp Bondsteel« erscheint den Betrachtern für die Ewigkeit errichtet. Immerhin haben die USA es, wie Guantanamo, für 99 Jahre gepachtet. Ob sie dort auch eine florierende Folteranlage errichten wollen, ist unbekannt.
Die Spanier haben nur Glück gehabt. Sie waren schon in der NATO. Und sie haben weder Öl noch soll es über ihr Gebiet transportiert werden. Deshalb bleibt die baskische ETA im allgemeinen Sprachgebrauch terroristisch, während die kosovarischen UCK-Milizen als Freiheitskämpfer gehandelt werden. Pech haben die jugoslawischen Serben: Kein Öl, keine NATO-Mitgliedschaft: So wird das nichts mit dem anerkannten Völkerrechtsgrundsatz, dass bestehende Grenzen anerkannt werden müssen. Sorry.