Ungarn raus aus der EU! Forderte jedenfalls der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn und wahrte dabei die gewohnte lëtzebuergesche Zurückhaltung. Denn natürlich könnte er beim Rauswurf auch an Polen denken. Auch an Tschechien, die Slowakei und Österreich. Alles Länder, die sich brutal gegen Flüchtlinge abschotten. Alles Länder, in denen die bürgerliche Demokratie ordentlich beschädigt ist. Alles Länder, die in der einen oder anderen Weise der Eurokratie zu widersprechen wagen. Und wenn man mal beim Rauswerfen ist: Was ist eigentlich mit den baltischen Staaten?

Ginge es nicht um die Aufnahme von Flüchtenden, sondern um die Ursachen der Flucht, müsste sich die EU natürlich komplett selbst rauswerfen. Selbst bei AfD-Wählern soll sich rumgesprochen haben, dass zu den wesentlichen Fluchtursachen Kriege gehören. Und an der Spitze der weltweiten Waffen-Exporteure stehen Länder wie Deutschland, Frankreich und Grossbritannien. Die beiden letzteren waren führend an der kriegerischen Zerstörung Libyens beteiligt. Und es gibt kaum einen Krieg in Afrika, an dem die alten Kolonialmächte nicht wenigsten ein bisschen mitgemischt haben. Also, wenn einer was davon versteht, die Völker der Welt in Bewegung zu setzen, dann die EU. Unter sachkundiger Hilfe der USA versteht sich.

Nicht wenige Flüchtlinge verlassen ihre Länder auch, weil sie schlicht hungern. Hunger herstellen, dass ist für die Europäische Union die leichteste Übung: Afrikanische Futtermittel billig einkaufen, in der europäischen Hühnchenmast verwenden, die „besseren“ Hühnerteile selber fressen, Flügel, Hälse, Füße, Knochen und Innereien nach Afrika exportieren, mit Niedrigstpreisen für das Abfallfleisch die heimische Geflügelproduktion kaputt machen und so eines der Wunder kapitalistischer Ökonomie bewirken: Mit dicken Hühnchen magere Afrikaner und fette Profite erzeugen. Damit das so bleibt, drückt die EU gerade diverse „Economic Partnership Agreements“ mit afrikanischen Ländern durch: Freihandelsabkommen, die in Afrika die Freiheit des Neoliberalismus herstellen: Allein Kenia würde der Abbau der Zölle auf europäische Importe nach Schätzungen eines kenianischen Wirtschaftsinstitutes jährlich bis zu 110 Millionen Euro kosten.

Sehr störend in diesem Szenario freier Kriege und freien Handels sind jene Araber und Afrikaner, die sich einfach nicht mehr zu Hause erschießen oder erhungern lassen wollen und die Verursacher ihres Elend besuchen. Doch auch für die hat die genialische EU gute Vorschläge: Im afrikanischen Land Niger soll ein Asyl-Zentrum entstehen. In Agadez, im Zentrum des afrikanischen Staates Niger, eine der ärmsten Nationen der Welt, werden schon jetzt etwa 120.000 Migranten pro Jahr durch die Stadt geschleust. Niger bietet sich an: Analphabetismus und Armut beherrschen das Land, die Eliten sind korrupt, der französische Staat bezieht von dort 40 Prozent seines Uranbedarfs. Damit das ungestört weiter geht, werden Offiziere der „Forces Armées Nigériennes“ in Frankreich auf der Elite-Militärschule von Saint-Cyr ausgebildet. Rund um die Förderstätten herrscht schon seit langem die französische Armee.

Um diesen Defacto-Kolonialstatus endlich in eine Dejure-Legalität zu überführen, sollte Niger zu einer Art überseeischem Gebiet der EU werden: Regiert würde dann in Brüssel, verwaltet in Nigers Hauptstadt Niamey. Doch das alles wird nicht ausreichen, wenn Niger zum Lager für die Konzentration afrikanischer Flüchtlinge erkoren wird. Man kennt das aus den provisorischen Flüchtlingslagern in Frankreich oder Italien: Die unwillkommenen Gäste begehren manchmal auf. Das verlangt eine straffe Ordnung. Auch wenn Israel bisher nur Kandidat für den Beitritt in die EU ist, haben doch die Israelis die größten Erfahrungen, wie man eine große Menge Flüchtlinge auf kleinem Raum hinterm Zaun hält: Der Gaza-Streifen gilt als weltweit bestens organisiertes Lager. An der israelischen Armee wird deshalb bei den Plänen der EU kein Weg vorbei führen.

Das alles kostet natürlich erstmal Geld. Aber allein Ungarn bekommt jährlich 2,7 Milliarden netto aus der EU-Kasse. Bei den anderen Flüchtlings-Verweigerungs-Ländern ist es ähnlich. Polen steht mit 8,42 Milliarden Euro an der Spitze der Almosen-Empfänger der EU. Auch deshalb ist der Vorschlag des gelernten Gemeindeangestellten Asselborn so brillant: Ungarn raus, das könnte Platz für Niger rein bringen. Das würde der Europäischen Union jene Perspektive eröffnen, die im Lissabon-Vortrag in unerreichter Lyrik formuliert wurde: „Die Werte, auf die sich die Union gründet, sind die Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und die Wahrung der Menschenrechte.“

Hier kann man auf Gellermann hören:

https://de.sputniknews.com/gesellschaft/20160914/312538847/selbstzensur-eingebaut-tv-experte-stimmungsmache-ard-zdf.html

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Er hat sich heute gleich zwei Mal selbst übertroffen - der Ulrich Gellermann.
Genial, nicht nachahmbar und unersetzlich.
Sein Name und seine Texte sind selbst im Fernen Osten bekannt.
Kann man die beiden Beiträge des heutigen Morgens nicht zur...

Er hat sich heute gleich zwei Mal selbst übertroffen - der Ulrich Gellermann.
Genial, nicht nachahmbar und unersetzlich.
Sein Name und seine Texte sind selbst im Fernen Osten bekannt.
Kann man die beiden Beiträge des heutigen Morgens nicht zur Pflichtliteratur für alle Volkszertreter des Bundestages erklären? Zumindest aber sollte ein seriöser Absender die auffrischenden und vor allem aufklärenden unverwechselbaren Qualitätsprodukte aus der Feder Ulrich Gellermanns den Abgeordneten in die E-Mail-Eingänge stellen. Wo nimmt er nur die Kraft her, nach dem detaillierten Recherchieren die Fakten in einen solch gelungenen Rahmen zu stellen?
Viele, so auch ich, neigen zum Sarkasmus, um diese neoliberale Wirklichkeit zu ertragen. Dies kann auf Dauer zu Resignation führen. Anders bei Gellermann. Der gibt Kraft, klärt auf, liefert Argumente zum aktuellen Zeitgeschehen. Unbezahlbar. Da wird auch der Unterschied des bezahlten und verkrampften zum intuitiven und wirklich freien Journalismus klar.

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Jürgen Heiducoff
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Das, Herr Gellermann, wie man mit dicken Hühnchen magere Afrikaner und fette Profite erwirtschaftet haben Sie treffend beschrieben. Das lasst sich übrigens auf den gesamte Politik zum Agrarbereich der EU beziehen. Allerdings gefällt mir nicht,...

Das, Herr Gellermann, wie man mit dicken Hühnchen magere Afrikaner und fette Profite erwirtschaftet haben Sie treffend beschrieben. Das lasst sich übrigens auf den gesamte Politik zum Agrarbereich der EU beziehen. Allerdings gefällt mir nicht, dass Sie das als eines der Wunder kapitalistischer Ökonomie bezeichnen.
Die EU vollbringt keine kapitalistischen Wunder sondern lediglich subventionierte Wunder der zentralistischen Wirtschaftsplanung unter Aushebung von Wettbewerb zu Gunsten der Exportwirtschaft und einiger Großkonzerne und das ist nach meinem Verständnis das genaue Gegenteil von Kapitalismus, oder nennen wir es besser freie Marktwirtschaft.

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Alexander Kocks
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Der Aufbau der AKW-Industrie wurde vom Staat finanziert, die Rüstungsindustrie lebt nur von Staatsaufträgen, die Banken werden vom Staat gehätschelt oder heißt es gehedgelt? Die „freie“ Marktwirtschaft hat den Staat längst als Beute genommen.

Uli Gellermann
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.....da hör ich doch sehr gerne, mal wieder auf den "Gellermann."
"Der politische Journalismus ist keine Lebensversicherung. Das Risiko erst gibt seinen Antrieb." C.v. Ossietzky
Da war ich der Meinung,dass ein Pfeiler des Neoliberalismus, der...

.....da hör ich doch sehr gerne, mal wieder auf den "Gellermann."
"Der politische Journalismus ist keine Lebensversicherung. Das Risiko erst gibt seinen Antrieb." C.v. Ossietzky
Da war ich der Meinung,dass ein Pfeiler des Neoliberalismus, der sogenannte "freie Wettbewerb" ist "Freier Wettbewerb, für wen ?
Ein Dank ist fällig. Die Arbeit, deine Recherche, und alles was dazu gehört ist ein Wert an sich. Das Füllhorn, gefüllt mit ernst zu nehmenden Informationen, auf hohem menschlich politischem Niveau, bringen mich immer wieder zum nachdenken. Bin bestens informiert.
Ein "Knaller", dein Artikel.

"Es kommt nicht darauf an, wie viel Platz ein Volk unter der Sonne hat, sondern wie die Güter darauf verteilt sind." C. v. Ossietzky

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Ulrike Spurgat
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Schließe mich der Aussage von Jürgen Heiducoff vollinhaltlich an. Bewunderung auch von meiner Seite, und ein dickes Danke an den Galeristen.

Lutz Jahoda
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Inhaltlich nicht neu für alle, die sich interessieren, so sind hier doch (wie oft, aber viel zu selten!), die Fluchtursachen wieder mal konzentriert auf den Punkt gebracht - meisterlich!

Wera Blanke
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.... die Ursachen sind bekannt. Auch welcher Intention dahinter steckt. Gibt es doch die jüngste Entscheidung (i.V.m. der aus den Achzigern) in Sachen "Neuansiedlungsprogramm der EU-Kommission" (...wo ist das degenerierte Paralament?...). Und in...

.... die Ursachen sind bekannt. Auch welcher Intention dahinter steckt. Gibt es doch die jüngste Entscheidung (i.V.m. der aus den Achzigern) in Sachen "Neuansiedlungsprogramm der EU-Kommission" (...wo ist das degenerierte Paralament?...). Und in diesem sind die nationalen Völker begraben.

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Chris Goldmann
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Das „Neuansiedlungsprogramm“ ist von 2009, hat nie gegriffen und mit diesem Artikel nichts zu tun.

Uli Gellermann
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Ich schließe mich den glückwünschen der Kommentatoren an Uli G. und seiner meisterhaften und unersetzlichen Arbeiten und Texte gerne an.
Es freut mich auch sehr zu wissen dass seine Texte sogar Weltweit gelesen werden.

Pat Hall
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Warum wird, bei der Erwähnung von Waffenexporten, Russland unterschlagen? Auch sie bereichern sich an den Kriegen der Welt und am Leid der dort lebenden Bevölkerung.

Andreas Siegmund
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Gehört Russland neuerdings zur EU? Ist mir glatt entgangen.

Uli Gellermann
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Herrlich bissiger Artikel.

Vielleicht sollte man auch mal die Überlegung in Betracht ziehen, all die, die diese Art Europa wollen, weil sie davon profitieren, rauszuwerfen und alle Andern Europäer das Wagnis gehen lassen, daß sich Verbindungen...

Herrlich bissiger Artikel.

Vielleicht sollte man auch mal die Überlegung in Betracht ziehen, all die, die diese Art Europa wollen, weil sie davon profitieren, rauszuwerfen und alle Andern Europäer das Wagnis gehen lassen, daß sich Verbindungen aus den Menschen entwickeln. Aber natürlich sollen die Befürworter dieses Wirtschaftseuropas nicht leer ausgehen. Ich denke für die Konstrukteure des Wirtschaftlichen Europas sollte aber ein kleines Land genügen, denn soviel profitieren nicht davon. Vielleicht Luxemburg? OK, geben wir Belgien noch hinzu, jetzt wo sie doch so schön die Bürokratie dort aufgebaut haben.

Alle Luxemburger und Belgier, die jedoch nicht mit dieser Art Europa einverstanden sind, dürfen natürlich raus. Die dort gebliebenen können dann in ihrem schönen neunen Land gerne nach ihren 500.000 Regeln leben, und wegen mir aus noch ein paar Millionen Regeln hinzudichten und TTIP und CETA schenken wir ihnen auch.

Dann machen wir eine schöne hohe Mauer drum, so schön und hoch, wie sie es auch derzeitig gewöhnt sind, wenn sie ihre Bereiche gegenüber den Mob absichern, um dahinter frei und unabhängig von ihren aufgestellten Regeln zu leben. Und dann bewachen wir sie auch gut, damit ihnen nur ja nichts passiert. Wir bauen alle Überwachungskameras hier ab, und bauen sie dort ein, natürlich nur zu deren Sicherheit. Aber was sollte ihnen schon passieren, mit so viel phantastisch ausgearbeiteten Regeln, dürfte alles wie in Butter laufen.

Also ich kann es nur empfehlen, es fühlt sich wunderbar an, gedanklich die Eliten einfach mal so nach Luxemburg/Belgien zu verschieben, und eine Mauer drum zu machen. Es fühlt sich irgendwie so leicht, so göttlich an.

Man könnte natürlich auch die Regeln einfach mal umkehren. Denen die jetzt unermeßlich Reich sind, nehmen wir alles weg, und verteilen es um, sodaß die Ärmsten die Reichsten sind und die Reichsten die Ärmsten.

Was, das geht nicht? Doch mit Regeln geht alles, denn es sind die von denen augestellten Regeln, die uns behindern, welche die diese Umerteilung zu ihren Gunsten bewirken.

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Argonauitiker
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Ich habe Artikel und Kommentare gelesen und sage:
In der Tat. U. Gellermann. Ich lasse Dich hoch leben. Die Kombination von Recherchiertem mit eigenem Spirit zu kombinieren ist spärlich anzutreffen.

Soll es ein Witz sein? Gebe es Stimmen von...

Ich habe Artikel und Kommentare gelesen und sage:
In der Tat. U. Gellermann. Ich lasse Dich hoch leben. Die Kombination von Recherchiertem mit eigenem Spirit zu kombinieren ist spärlich anzutreffen.

Soll es ein Witz sein? Gebe es Stimmen von Sesselwärmern in Bruxelles, welche einen mal eingefangenen Staat aus der heimeligen Stube der EU RAUSschmeissen wollen? Wäre es nicht einfacher, Orban und seine Getreuen ein bisschen verunfallen zu lassen? Reichen die Arme derer, welche hinter den Sesselpupsern in Brüsse. stehen, nicht mal so weit mehr, dass sie echte Politiker beseitigen können? Ach ach, waren das noch goldene Zeiten, als man sich eines im Freiluftlincoln fahrenden Kennedys mittels eines einfachen Gewehrschusses entledigen konnte.

Sie rotiert, die Elite. Sie haben nicht mehr die Inspiration, nicht mehr den grossen Plan, nicht mehr die Sicherheit, welche sie über tausende von Jahren begleitet hat.

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Thomas Ramdas Voegeli
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