War nicht so gemeint, sollen die Banken sagen, tun wir auch nie wieder, ganz bestimmt, liebes Volk: So will es der noch amtierende Bundespräsident Köhler, dessen politische Visionen keinen Zweifel über seinen Verstand zulassen. "Mehr Selbstkritik wäre gut, Menschen, die sagen: Ja, hier haben wir einiges falsch gemacht, und dafür stehen wir jetzt gerade", sagte Köhler dem SPIEGEL mit Blickrichtung auf die Banken. Ganz sicher hilft eine solche Haltung allen, die jetzt um ihre Ersparnisse, ihren Job und ihre Zukunft bangen. Weil, wenn sich zum Beispiel der Chef der Hypo Real Estate entschuldigen würde, das auch alle glauben. Auch der Finanzminister, der alle drei Tage eine neue Sicht auf die Krise hatte - erst sah er sie nur in den USA, dann behauptete er mit dem ersten Hypo Real Estate-Paket alle Probleme im Griff zu haben, dann musste er den zweiten Fehlgriff ansetzen, um schließlich den komplette Staatshaushalt für mindestens zwei Jahre zu verwetten - könnte sagen: Liebe Wähler, ich habe so ziemlich alles falsch gemacht was möglich war, aber wenn jetzt noch mal ein Markt vorbei kommt, dann regele ich ihn aber, versprochen!
Köhler gehört zur Gattung der "Geschwätz-von-gestern-Menschen", sonst könnte er sich erinnern, womit er vor knapp zwei Jahren im selben SPIEGEL drohte: "Die notwendige grundlegende Erneuerung Deutschlands haben wir noch nicht geschafft. Da stehen wir erst am Anfang." Zwar habe sich die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft deutlich verbessert. "Das ist aber kein Grund, sich schon wieder zurückzulehnen", mahnte das Staatsoberhaupt. Und warnte vor dem "Reformstop". Weil die alzheimerische Grundhaltung deutscher Politik gern dem süßen Vergessen anheim fällt, sei erinnert: Unter Reform verstanden die Agenda-Liberalen und auch und gerade Köhler die Deregulierung, die Entstaatlichung, das Gesetz des wilden Marktes und das Recht der Stärkeren. Alles was zu der Situation geführt hat, mit der wir jetzt leben dürfen. Eine Entschuldigung dafür ist bisher nicht zu hören.
Doch die Idee der Entschuldigung ist fraglos originell: Zum Beispiel könnte sich George W. Bush für den Irak-Krieg entschuldigen. Das änderte zwar nichts an der Zahl der Opfer auf dem Altar der amerikanischen Ölversorgung, aber es würde sicher die Witwen und Waisen trösten. Auch den amerikanischen Bürgern, deren Steuergelder nicht nur im Hypotheken-Sumpf versickerten sondern auch in der Kriegsfinanzierung, könnte so eine Bush-Entschuldigung Tränen der Rührung in die Augen treiben. Nicht schlecht wäre auch eine Entschuldigung der NATO für die Bombardierung Belgrads: Nun, liebe Jugoslawen, das ist ja schon länger her, aber wenn wir es uns recht überlegen, sorry, soll nicht wieder vorkommen. Auch die Afghanen würden sich freuen, wenn der deutsche Außenminister sagen würde: Also das mit den deutschen Spezialkräften, das war nix, die 100 Mann holen wir jetzt zurück, als Entschuldigung senden wir aber 1.000 andere Soldaten. Im Falle von Steinmeier greift die Satire allerdings nicht, längst hat der Meister internationaler Nichts-Sagerei seinen Entschuldigungs-Salto gegeben und ganz sicher wird ihm die Bundestagsmehrheit applaudieren, wie lustig die Afghanen die Nummer finden ist noch nicht raus.
Im Falle von Köhler würde sich eine Bitte um Generalabsolution anbieten: Ich entschuldige mich für alles, was ich in den letzten 20 Jahren gesagt habe, so oder so. Denn "so" hat der Präsident noch vor zwei Jahren, im Zusammenhang mit dem angeblichen Reform-Prozess auf das Tempo gedrückt: "Wir schaffen kein Vertrauen, wenn wir zwei Schritte vor und anschließend wieder einen oder zwei zurück machen". Diesem reklamierten Vertrauen wird in diesen Tagen der Prozess gemacht. Schuldig wegen Vertrauensseligkeit, könnte auf dem Grab der deutschen Wähler stehen und auf dem der Gewählten: Wegen Vertrauensmissbrauch auf ewig zum Schweigen verdammt. Doch sie können die Worte immer noch nicht halten: Da sei "eine Menge Unaufmerksamkeit, Selbstzufriedenheit, Zynismus" im Spiel gewesen, sagt Horst Köhler im Zusammenhang mit der Finanzwirtschaft und hat entweder immer noch nichts verstanden oder lügt einfach mal drauf los. Denn die Spitzenleute in den Banken haben immer aufmerksam ihre Rendite verfolgt, mit sich selbst zufrieden wären sie höchstens bei 100 Prozent Profit gewesen und ein Zyniker wäre jemand, der moralische Werte grundsätzlich in Frage stellt: Was aber hat eine Bank mit Moral zu tun?
Frei von jedem Zwang zur Entschuldigung bliebe unbedingt Angela Merkel. Denn Entschuldigung setzt Schuld voraus und wie sollte die Kanzlerin schuldig sein? Zum einen war sie eigentlich nie da, zum anderen mangelt es ihr an Schuldfähigkeit. Letztere verlangt Kenntnisse und eine gewisse Absichtlichkeit, die auch von Wissen geprägt ist. Aber jemand der in der jetzigen Situation sagt "Wir tun das nicht im Interesse der Banken, sondern im Interesse der Menschen" wenn sie über die Sanierung der Finanzwirtschaft redet, dessen Ahnung reicht keinesfalls an sein Sendungsbewusstsein heran. Im Falle Merkel ist der einzig auffindbare Schuldige der Wähler. Und der ist gestraft genug.