Ist die Bundes-Marine schon zum Navy Yard, dem Kriegshafen der US-Marine bei Washington unterwegs? Hat jemand die Reichskriegsflagge eingepackt, um sie auf dem Capitol zu hissen? Werden die Tornados aus Syrien und der Türkei abgezogen, um die Luftschläge gegen New York zu koordinieren? Dieses Horror-Szenario kann, wenn man deutschen Medien folgt, nicht mehr fern sein. Denn während bis jüngst noch Wladimir Putin der Erzfeind aller Chefredaktionen war, ist jetzt Donald Trump dran: Dem werden sie es zeigen, die Anführer der echten Demokratie von BILD bis TAGESSCHAU. Bis vor ein paar Minuten haben sie noch jeden Obama-Krieg notwendig und nützlich gefunden. Vor Sekunden noch waren sie die Treuesten der Treuen der USA in Afghanistan. Kein Drohnenmord war ihnen zu gemein, kein CIA-Einsatz in Syrien zu brutal: Sie konnten alles erklären. Unerklärlich ist ihnen der Wahlerfolg von Donald Trump, der war nicht vorgesehen. Man hatte doch Wahlkampf für Hillary Clinton geführt, die hätte gewinnen müssen. Die Frau, die man zu Recht für den Libyen-Krieg verantwortlich machte, deren politische Umgebung sich wirklich Mühe gegeben hatte einen Krieg gegen Russland vom Zaun zu brechen, die war der Favorit deutscher Medien, die hätte gewinnen müssen.

Aber jetzt, wo der Mann mit den langen gelben Haaren US-Präsident wurde, jetzt ist aber Schluss mit lustig. Der wahrscheinlich neue Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat Trump öffentlich als "Hassprediger" bezeichnet. Das ist der Steinmeier, der auf dem Kiewer Maidan einen Putsch abgesegnet hatte. TTIP-Gabriel, der SPD-Chef, der jeden noch so schlechten transatlantischen Vertrag ergebenst begrüsst hat, dem „fehlen nur noch so Begriffe wie das Parlament als Quasselbude zu bezeichnen, oder Systemparteien“, um Trump zum neuen Hitler zu erklären. Und die Zuchtmeisterin der Europäischen Union, Angela Merkel, ist nur dann zur Zusammenarbeit mit Donald Trump bereit, wenn der Mann Demokratie, Freiheit und den Respekt vor dem Recht und der Würde des Menschen achtet. Ach, ja. Das verlangt die Frau, der noch nie aufgefallen ist, dass die Würde der Menschen in Armut nicht gedeihen kann. Die nie bemerkte, dass Freiheit nicht am Hindukusch verteidigt wird und auch nicht im Irak. Dass eine Abfolge von Koalitionen zwar ihre Macht sicherte, aber mit Demokratie jeden Tag weniger zu tun hat.

Es wird dunkel auf dem Platz vor dem Brandenburger Tor. An die hundert Menschen warten auf die Ankunft eines Demonstrationszuges, der gegen Donald Trumps Amtseinführung protestiert. Man spricht mehrheitlich Englisch. Kein Wunder. Denn die Organisatoren sind von den „Democrats Abroad“, der Auslandsorganisation der Demokratischen Partei, der geschlagenen Clinton-Wahlkampf-Truppe. Wenn man fragt „Have you ever demonstrated against Obama-drones?“ wird diese einfache Frage mit Unverständnis oder Entsetzen quittiert: Offenkundig gilt Obama vor dem Brandenburger Tor immer noch als heilig. Dann kommt der Zug auf den Platz. „Einige Hundert Frauen und Männer“ wird die TAGESSCHAU später berichten. Stimmt. Hie und da erkennt man unter den Demonstranten auch Menschen mit eindeutig linken Biographien. Rund um die Bühne und auf Flugblättern wird Donald Trump als Faschist bezeichnet. Hat er schon den Dritten Weltkrieg ausgerufen? Sind seine Feinde schon in den hastig gebauten Konzentrationslagern untergebracht? Wurden schon alle Demonstrationen gegen Trump in den USA niedergeknüppelt?

Linke Kommentatoren kritisierten im Vorfeld der Anti-Trump-Aktionen, sein Kabinett vertrete nur das eine Prozent der Superreichen. Stimmt. Aber gab es da in der Obama-Zeit nicht eine Bewegung, die „We are the 99 percent“ ausrief, um die Politik der Ein-Prozenter zu stoppen? Trump, so ist zu hören, sei ein Rassist. Stimmt. Aber unter welchem US-Präsidenten gab es jede Menge Polizeimorde an Farbigen, saßen mehr Farbige in den US-Gefängnissen als jemals zuvor? Wer diese Fragen mit Obama! beantwortet, der hat gewonnen. Und, so gruselt sich eine Querfront von Angela Merkel bis Katja Kipping: Trump habe tatsächlich „America First“ gefordert. Während die Obama-Administration, von Libyen bis China, die US-Interessen immer brav hintenan gestellt hat. Oder?

Nahezu zeitgleich zur Anti-Trump-Aktion vor dem Brandenburger Tor trafen sich in Koblenz die erklärten Freunde Trumps in Westeuropa: Von Marie Le Pen bis Frauke Petry waren sie alle gekommen. Gefehlt haben soll Björn Höcke. Der bastelte in Thüringen wahrscheinlich gerade an einem neuen tausendjährigen Kalender für Deutschland. Und wer in den letzten Wochen glaubte, nachdem der Oligarch Trump ein paar unverbindlich nette Sätze zu Russland abgegeben hatte, man könne der neuen US-Politik näher treten, befindet sich plötzlich in einer Reihe mit Nationalisten. Denn während Trump sein Amerika ganz vorne sieht, sehen auch die Le Pens und Petrys ihre jeweiligen Nationen ganz vorn. Das gibt ein heftiges Gedrängel um die ersten Plätze. So oder so: Man ist in schlechter Gesellschaft.

Ja, es wäre eine Hoffnung auf friedlichere Zeiten in Europa, wenn die USA und Russland den schwärenden Konflikt um die neue NATO-Ostgrenze beilegen würden. Aber in diesem Konjunktiv steckt bisher mehr heiße Luft als sonst was. Doch mit der Ernennung des neuen Botschafters der USA in Israel, David Friedman, ist der Konjunktiv an einem Punkt zum Imperativ geworden: Der Anwalt und Berater von Trump will seine Botschaft von Tel Aviv ins „ungeteilte“ Jerusalem verlegen: Das US-Imperium sendet offenkundig einen Terror-Freund nach Israel. Denn, dass eine solche Anerkennung der Siedler-Fraktion, der Rassisten in der Knesset, umgehend eine Welle des Kampfes um palästinensische Souveränität –  gemeinhin Terror genannt – erzeugen würde, ist sicher. Und wie werden absehbare deutsche Regierungen darauf reagieren? Mit Solidarität gegenüber der israelischen Regierung, nur um dem Terror weitere Nahrung zu geben.

Es gibt ihn nicht, den guten König, der uns unsere Probleme löst. Weder finden unsere Kämpfe um Frieden und soziale Gerechtigkeit im Gefolge der Trump Incorporated statt, noch rettet uns ein Schulterschluss mit der Merkel-Obama-AG. Wir werden das Notwendige schon selber tun müssen.