"Alle Wege im 'Aldiana Tunesien' führen zum Meer: Die 100.000 Quadratmeter große Anlage liegt eingebettet in einen lichten Palmengarten, direkt am weitläufigen Sandstrand und begeistert besonders Familien" schreibt golf.de und hat sicher recht. Allerdings sprechen die aktuellen Bilder aus Tunesien eine andere Sprache: Der Aufstand gegen ein autoritäres Regime war überfällig. Doch die deutschen Regierungen waren über Jahrzehnte den jeweiligen tunesischen Regimen gegenüber eher gefällig: Schon 1968 schloss die damalige Bundesregierung mit Tunesien ausgerechnet ein Abkommen über Rechtsschutz. Geschützt werden sollten die Deutschen, die in Tunesien investierten oder Urlaub machten. Die Rechte tunesischer Bürger kamen nicht vor. Da bleibt es nicht aus, dass auf der Site des Auswärtigen Amtes steht: "Die Beziehungen zwischen Deutschland und Tunesien sind gut und intensiv."
Tunesien war eins der Länder, die für die jüngere Bundesrepublik im Wettlauf mit der DDR um die Frage "Wer vertritt Deutschland?", Priorität besaß. Und so wie damals im Wettkampf der Systeme ein Auge zugedrückt wurde, folgte das andere, nach Ende des kalten Krieges, wenn es um die Erweiterung wirtschaftlicher Möglichkeiten ging: Deutschland ist der drittgrößte Handelspartner Tunesiens. Weiß doch die deutsche "Gesellschaft für Außenwirtschaft und Standortmarketing": "Der Anfang September 2010 herausgegebene Global Competitive Report 2010/2011 des Weltwirtschaftsforums kürt Tunesien abermals zum wettbewerbsfähigsten Land Afrikas". Der Gesellschaft steht ein Staatssekretär des Wirtschaftsministeriums vor, der noch im Juni, bei einem Treffen mit einem tunesischen Minister, erzählen mochte: "Die deutsch-tunesischen Wirtschaftsbeziehungen sind traditionell gut und ohne Probleme".
Schon 2003 unterzeichnete der damalige deutsche Innenminister mit seinem tunesischen Kollegen ein eigenes Abkommen über die "Zusammenarbeit in Sicherheitsfragen". Ein Abkommen, das, mit dem Etikett der Terroristenabwehr versehen, auch jene einschloss, die "Terroristen helfen". Das waren in Tunis bis jüngst alle, die nicht die Meinung des Präsidenten Zine El Abidine Ben Ali teilten. In Deutschland sind es, glaubt man den Überwachungsfantasien der jeweiligen Innenminister, potentiell alle Internetnutzer. Die schlechte Tradition der deutsch-tunesischen Beziehungen wurde auch von Walter Steinmeier fortgesetzt, der 2006 seinen tunesischen Kollegen besuchte und die Gespräche mit ihm "gut und vertrauensvoll" nannte. Das mag auf Diplomatisch nicht viel besagen, wenn aber nachgeschoben wird "Wir sind einander in den letzten 50 Jahren wirklich verlässliche Partner geworden", dann ist das doch mehr als eine Floskel.
Während politische Gefangene, Folter und Unterdrückung der Meinungsfreiheit den tunesischen Alltag bestimmten, mochte das Auswärtige Amt stolz verkünden: "Die 265 (in Tunesien) weitgehend exportorientierten Unternehmen mit deutscher Kapitalbeteiligung haben allein 2008 45 Millionen Euro investiert und insgesamt über 43.000 Arbeitsplätze geschaffen. Sie genießen größtenteils Steuerfreiheit." Die üblich gewordene Ökonomisierung politischen Handelns hat, neben der Blindheit gegenüber Unterdrückung, natürlich auch die Lohndrücker-Folge: In Deutschland werden die Gewerkschaften mit den niedrigen Löhnen der Tunesier erpresst, in Tunesien das ganze Land mit der Arbeitsplatzfrage: Man "genießt" Steuerfreiheit auf Kosten der Normal-Tunesier, die ihren Alltag nicht mit dem üppigen Schmiergeld, das die oberen Ränge einsteckten, aufbessern konnten.
Ägypten, Tunesien, Marokko: Das waren im Spiegel westlicher Medien immer die Guten. Von ihnen waren kaum Kritik an Israel zu hören, sie haben sich brav am "Kampf gegen den Terror" beteiligt und sie waren bestens in die Mechanismen des internationalen Marktes integriert: Der IWF drängte darauf, den tunesischen Finanzsektor zu privatisieren und mahnte auch die "Flexibilisierung" des Arbeitsmarktes an. Letztlich reichte die Flexibilisierung der tunesischen Armut bis hin zur Selbstverbrennung. Dass eine Außenpolitik, die ausschließlich auf wirtschaftliche Profite und Wohlverhalten in der Flüchtlings- und Terror-Abwehr orientiert, hochgefährlich sein kann, zeigt Ägypten: Die Tolerierung eines korrupten und diktatorischen Systems verschafft den Islamisten jede Menge Zulauf.
"In Tunesien gibt es trotz stellenweise kargem Fraß sehr viel Schwarzwild. Wer die Jagdgebiete zum ersten Mal sieht, glaubt kaum, dass es viel Schwarzwild geben kann." Aber es gibt in Tunesien trotzdem genug Wildschweine, versichert uns die S+B Jagdreisen GmbH. Man müsse allerdings mit Hunden jagen. Immerhin kostet so eine siebentägige Jagd rund 1.500 Euro. Für die Familie des tunesischen Präsidenten ist das natürlich nur ein Trinkgeld. Sie ist, mit 1,5 Tonnen Gold, nach Saudi Arabien geflohen. Zu diesem Land, einer ziemlich brutalen islamistischen Diktatur, fällt dem Auswärtigen Amt ein: "Die bilateralen Beziehungen zwischen Deutschland und Saudi-Arabien sind freundschaftlich und spannungsfrei. Bundesaußenminister Westerwelle besuchte bereits früh nach Amtsantritt im Januar 2010 das Königreich, um die strategische Bedeutung der Beziehungen zu unterstreichen." Wann dem saudischen König das Halali geblasen wird, ist noch nicht raus. Vielleicht kann der deutsche Außenminister dann die aktuelle Tunesienformel aus den Akten holen: "Damit besteht jetzt eine echte Chance für den politischen Neuanfang im Land."