Laut Umfragen sprach sich Anfang 2022 die Hälfte der Schweden gegen einen Nato-Beitritt aus, inzwischen ist eine Mehrheit dafür. Sieht das nach der Warnung, sich auf einen Krieg vorzubereiten, anders aus? SOPHIA-MARIA ANTONULAS hörte sich in dem Land um, dessen letzter bewaffneter Konflikt 210 Jahre zurückliegt.

„Eigentlich war ich immer gegen einen Beitritt zur Nato. Wahrscheinlich, weil ich mich politisch eher links der Mitte verorte“, antwortet der 30-jährige Melker, auf die Frage, was er vom Nato-Beitritt Schwedens hält. „Aber jetzt, wo der Konflikt immer näher kommt und Schweden, wenn es angegriffen wird, sich sowieso auf die Hilfe der Nato-Länder verlassen muss, ist es so wohl vernünftiger.“ Schweden reichte am 18. Mai 2022 seinen Antrag auf Nato-Mitgliedschaft ein. Allerdings hätte der Computerspiele-Entwickler aus Malmö sich gewünscht, dass der Beitritt langsamer vonstattengeht. Und er spielt auf die Türkei an, wenn er sagt, dass sich die Mitglieder des Militärbündnisses hätten einiger sein müssen. Zwar glaube er nicht, dass für Finnland oder Schweden eine direkte Gefahr bestehe, „allerdings habe ich auch nicht gedacht, dass zu meinen Lebzeiten ein heißer Krieg in diesem Ausmaß in Osteuropa möglich ist. Ich dachte, eine Invasion der Russen kommt nicht infrage“.

Anfang Januar warnte Schwedens Minister für Zivilschutz, Carl-Oskar Bohlin: „Es könnte Krieg in Schweden geben.“ Und der Oberbefehlshaber der Streitkräfte General Micael Byden erklärte, alle Schweden sollten sich mental auf diese Möglichkeit vorbereiten. Daraufhin erkundigte sich der Spieleentwickler nach dem nächsten Schutzraum. Außerdem möchte er haltbare Lebensmittel besorgen. „Doch wenn wir bei der Nato sind, wird das eine abschreckende Wirkung haben, und dadurch verringert sich die Kriegsgefahr“, hofft Melker. 

Zwiegespaltenes Schweden?

Auf die Frage, was Schweden beitragen könne, um mehr Frieden zu schaffen antwortet er: „Es ist gut, dass wir Waffen in die Ukraine senden, denn Russland darf nicht gewinnen, da es sonst in anderen Ländern einmarschiert. Ich bin zwiegespalten, ich will nicht, dass die Dinge eskalieren. Aber wie kann man eine eindringende Militärmacht sonst aufhalten?“ Wenn es jedoch noch immer so sein sollte, dass die schwedische Gesellschaft zur Frage des Nato-Beitritts genau in der Mitte gespalten ist, müsse „der Status-Quo beibehalten werden“. Laut jüngsten Umfragen stieg ab Anfang 2022 die Zustimmung zur Nato bis auf 64 Prozent (Juli 2022).

Der Vertrag zwischen Schweden und den USA, der es ermöglichen soll, amerikanische Soldaten und Waffen in Schweden zu stationieren löst bei dem Spiele-Entwickler ein gewisses Unbehagen aus, allerdings fehle ihm auch die Zeit, sich eingehend damit zu beschäftigen. Er erklärt: „Ich sehe meine Meinung im Parlament repräsentiert und glaube und hoffe, dass es da genügend Menschen gibt, die das Beste für Schweden und die Welt wollen.“

Seit Montag, dem 22. Januar, findet die größte Nato-Übung seit dem Ende des Kalten Kriegs statt, und auch schwedische Soldaten nehmen daran teil. Seit den 1990ern hat Schweden die Zusammenarbeit mit der Nato schrittweise ausgebaut und an mehreren Militäreinsätzen – in Bosnien-Herzegowina, Kosovo, Afghanistan, Libyen und Irak – teilgenommen. „Macht es noch einen Unterschied, ob wir bei der Nato sind oder nicht? Das ist doch nur mehr eine formelle Sache“, bemerkt Ann-Catherine, die im mittleren Management bei einem Telekom-Unternehmen arbeitet, resignierend. Trotzdem geht sie zu Demonstrationen des Aktionsbündnis „Nej till Nato“ (Nein zur Nato), die in Stockholm und vielen anderen schwedischen Städten stattfinden. Auch weitere Organisationen scheinen wieder aktiver zu werden, wie zum Beispiel „Folk och Fred“ (Volk und Frieden) oder „Kvinnor för Fred“ (Frauen für den Frieden).

Aufleben der Friedensbewegung?

Barbro, eine pensionierte Lehrerin aus Malmö, empört sich, dass die Svenska Freds- och Skiljedomsföreningen – übersetzt Schwedische Friedens- und Schiedsgerichtsvereinigung – ihre finanzielle Unterstützung vom Staat verloren habe – Anfang Januar veröffentlichte die Organisation ihren kritischen Bericht „Schweden in der Nato“. „Schweden erzeugt und exportiert so viele Waffen, auch in kriegsführende Länder. Wir haben heimlich schon immer an Kriegen verdient“, erklärt die 74-Jährige. „Ich bin in einer Zeit aufgewachsen, als Schweden mit seiner Neutralität geprahlt hat.“ Das habe sich nach dem Mord an Dag Hammarskjöld langsam geändert. „Das war am 18. September 1961, das Datum werde ich nie vergessen!“ Aber Putin wolle sich ganz Europa einverleiben, „er will die gesamte atlantische Küste, vom Süden bis Norden, unter seine Kontrolle bringen“, und deshalb sei es notwendig, dass Schweden der Nato beitritt.

Es vergeht kaum eine Woche, in der das Antlitz Vladimir Putins nicht auf der Titelseite einer Boulevard-Zeitung prangt. Und so erklärt auch die 64-jährige Margareta, die in der Verwaltung im Gefängnis von Malmö arbeitet: „Putin ist kein netter Mann.“ Als der Krieg weit weg war, sei es für Schweden praktisch gewesen, mit der Nato nur lose zusammenzuarbeiten und trotzdem deren Schutz zu genießen, ohne die eigene Armee ausreichend aufbauen zu müssen. Margareta vertritt ebenso die Meinung, dass Schweden in Gefahr sei und deshalb in die Nato müsse: „Norwegen und Finnland sind gleich nebenan. Und Russlands Schiffe kreuzen in den internationalen Gewässern der Ostsee.“ 

Aber was wird aus der Rolle Schwedens als Mediator? Margareta: „Selbst als Nato-Mitglied können wir Frieden vermitteln. Denn Schweden ist bekannt dafür, dass es keine Korruption gibt. Andere Länder können uns vertrauen.“ Doch Barbro wendet ein, dass Schweden so viele Waffen in die Ukraine geschickt habe, dass es nun kaum zu Friedensverhandlungen beitragen könne.

Zum bilateralen Abkommen zwischen den USA und Schweden, über das der Riksdag dieses Jahr noch abstimmen muss, äußern sich die zwei Frauen allerdings kritisch. Beide halten es für naiv, anzunehmen, die USA würde keine Atomwaffen in Schweden stationieren, wenn das nicht ausdrücklich so vereinbart wird. „Die USA brauchen Schweden, weil es so nah an Russland liegt.“ Sie finden die Thematik aber zu kompliziert, um darüber abzustimmen. Margareta hat vor, an ihre Abgeordnete zu schreiben, und ergänzt: „Ich vertraue meinen Politikern. Wenn die eine Leiche im Schrank haben, dann gibt es genug Whistleblower, die das ans Tageslicht bringen.“

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Bekannt sind Napoleons und Hitlers Scheitern auf dem Weg nach Moskau. Viel weniger bekannt ist das Scheitern des 12. Karl auf seinem Weg nach Moskau, er hat dann in Poltava (damals polnisch - russisch, heute Ukraine) überwintert und von Moldavien...

Bekannt sind Napoleons und Hitlers Scheitern auf dem Weg nach Moskau. Viel weniger bekannt ist das Scheitern des 12. Karl auf seinem Weg nach Moskau, er hat dann in Poltava (damals polnisch - russisch, heute Ukraine) überwintert und von Moldavien (damals osmanisch) aus die 'Pforte' genervt. Mit einem Durchschuß durch den Fuß schaffte er es noch bis Schweden, lebte nicht mehr lang und sein Freund Stanislaus (um den auf den polnischen Thron zu heben, wurde das ganze Desaster veranstaltet) verheiratete die überlebende Tochter (die andere - vermutlich an Stelle Stanislaus' - vergiftet) und konnte von Zweibrücken 100 km nach Nancy umziehen. Ja, Zweibrücken, da kam die Pfalz - Zweibrücker Linie des schwedischen Königshauses her, deren dritter Vertreter Schweden's 12. Karl war.

Alles sehr schön aufgeschrieben vom Zeitzeugen Voltaire und bei Projekt Gutenberg nachzulesen.

Auch die Schweden haben keine Ahnung von dieser Geschichte und jetzt soll also wieder eine Generation Jugend verheizt werden ?

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Stefan Boehnke
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Das Geschrei von der Bedrohung aus dem Osten ist älter als 100 Jahre. Und war schon immer eine Lüge. MFG

Erfurt
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Militärisches Denken scheint in Europa wieder en vogue zu sein. Man kann sich Lösungen der dringendsten Probleme nur noch militärisch vorzustellen. Doch Militarismus ist ohne Nationalismus nicht zu haben. Und der militärisch-industrielle Komplex...

Militärisches Denken scheint in Europa wieder en vogue zu sein. Man kann sich Lösungen der dringendsten Probleme nur noch militärisch vorzustellen. Doch Militarismus ist ohne Nationalismus nicht zu haben. Und der militärisch-industrielle Komplex reibt sich die Hände.

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Gunther Troost
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Bullerbü ist abgebrannt, in der Villa Kunterbunt hausen die beiden Landstreicher und Michel wird zum Militär eingezogen...

GibmireinU
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Es ist faszinierend: Schweden und Russland haben vor ca 300 Jahren 4 Kriege gegeneinander geführt und danach jahrhundertelang in Frieden und Sicherheit nebeneinander gelebt. Jetzt nachdem Schweden der NATO
beigetreten ist und US-Truppen im Land...

Es ist faszinierend: Schweden und Russland haben vor ca 300 Jahren 4 Kriege gegeneinander geführt und danach jahrhundertelang in Frieden und Sicherheit nebeneinander gelebt. Jetzt nachdem Schweden der NATO
beigetreten ist und US-Truppen im Land stationieren will kommen wie aus dem Nichts Sicherheitsprobleme ans
Licht der Sonne die mit massiver Aufrüstung gelöst werden sollen. Die USA habe vor kurzem Russland zum Feind erklärt, einige Sicherheitsabkommen aufgekündigt und erklärt dass man Russland eine strategische Niederlage beibringen will und verlangt jetzt Zugang zu russischen Militärstützpunkten um dort gem. den alten Verträgen Inspektionen durchführen zu können. Der russ. Aussenminister Lavrov hat gerade in einem Interview den USA in höflichen Worten den ganz langen Mittelfinger gezeigt. Es scheint so dass die Schweden vom Regen in die Traufe gekommen sind da jetzt US-Militär im Land stationiert werden soll, obwohl die US-Regierung offen erklärt den Russen eine strategische Niederlage beibringen zu wollen. Die Sicherheit Schwedens wird sich damit dramatisch verschlechtern, aber vielleicht hat ja die schwedische Rüstungsindustrie Zugewinne in Form von zusätzlichen Profit.

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Alexander
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Es ist schlimm, dass die so genannten Volksvertreter in Schweden und Finnland es nicht schnallen, dass sie mit dem Beitritt zur NATO ihr eigenes Grab schaufeln. Statt die Millionen der NATO zu geben oder in die eigene Aufrüstung zu stecken, wäre...

Es ist schlimm, dass die so genannten Volksvertreter in Schweden und Finnland es nicht schnallen, dass sie mit dem Beitritt zur NATO ihr eigenes Grab schaufeln. Statt die Millionen der NATO zu geben oder in die eigene Aufrüstung zu stecken, wäre es sinnvoll gemeinsam etwas für die Klärung mit Russland zu tun. Und damit dem Aggressor im Westen die kalte Schulter zu zeigen.

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Boehringer
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Seit Olof Palme, Nein, eigentlich schon vor ihm, trat diese "Entwicklung zur großen Partnerschaft" glasklar zutage. Ob der Ermordung von Palme, die vielen "U-Boot-Sichtungen" oder auch die Kungelei der Schwedischen Militärs mit der NATO, oder ob...

Seit Olof Palme, Nein, eigentlich schon vor ihm, trat diese "Entwicklung zur großen Partnerschaft" glasklar zutage. Ob der Ermordung von Palme, die vielen "U-Boot-Sichtungen" oder auch die Kungelei der Schwedischen Militärs mit der NATO, oder ob die Stay Behind Nato-Truppen, die Erwartungen der Multimilliardäre, die Rüstungsindustrie in Schweden - alle setzen auf Schwarz, obwohl die Kugel schon in die grüne Null rollt!
Das Reiche in ihrer Gier immer Reicher werden wollen, Militärs oder Geheimdienste ihre Bevölkerung grundsätzlich belügen, wissen wir! Weshalb sind wir also jetzt hiervon überrascht?
Das ist doch hier identisch.
Vielleicht, weil die Reichen mit einem Atomkrieg liebäugeln, obwohl,.. ?

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Reinhard Lerche
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Es erschüttert (lieber Otto Bismarck) auch mich die leichte Beeinflussbarkeit vieler Menschen und ihre mangelnde Geschichtskenntnis. Die vielen Kriege der USA in aller Welt seit 1945. in denen sie Leid, Zerstörung und Millionen Tote hinterlassen...

Es erschüttert (lieber Otto Bismarck) auch mich die leichte Beeinflussbarkeit vieler Menschen und ihre mangelnde Geschichtskenntnis. Die vielen Kriege der USA in aller Welt seit 1945. in denen sie Leid, Zerstörung und Millionen Tote hinterlassen haben, nicht zu vergessen haben sie sich überall mit Stützpunkten eingenistet - vergessen Wenn nur genügend Propaganda und Angst geschürt wrd, verfallen die Medienkonsumenten in den Panikmodus. Der illegale Angrif auf die Huthis im Jemen, die seit Jahren um ihre Gleichberechtigung und ein besseres Leben kämpfen, wird hingenommen. Es sind ja die guten USA und nun auch GB, die die bösen Angreifer auf US-Domäne und Ansprüche ein bisschen abwehren. Anders als die Russen, die ein friedliches Volk unter ihre Knute zwingen wollen.So wird Politik gemacht. Das sieht man überall, auch beim Vergleich der lieben Letzten Generation und den Bauernprotesten. Aber das ist wohl ein anderes Kapitel.

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Uschi Peter
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Es erschüttert immer wieder, wie leichtgläubig die Menschen doch sind und wie einfach sie sich manipulieren lassen. Die hier zitierten Aussagen sind doch 1:1 nachplappern der US-Propaganda gegen Rußland ohne jeden geschichtlichen Abgleich....

Es erschüttert immer wieder, wie leichtgläubig die Menschen doch sind und wie einfach sie sich manipulieren lassen. Die hier zitierten Aussagen sind doch 1:1 nachplappern der US-Propaganda gegen Rußland ohne jeden geschichtlichen Abgleich. Insbesondere die Behauptung, Putin wolle sich ganz Europa einverleiben. Der sicherlich nicht immer zärtliche Umgang der Sowjets mit Ihren Verbündeten und Nachbarn, der ja noch nicht einmal Schweden direkt betrifft wird stets nachgebetet, die US-amerikanischen Verwüstungen in der Welt werden geflissentlich ausgeblendet. Einfach furchtbar.

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Otto Bismark
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Höre ich dieses Nach-Gequatsche aus Schwedischen Mündern, dann kann ich kaum glauben, wie wenig Schweden unter „Russischer Aggression“ im Laufe seiner gesamten Geschichte zu leiden hatte.

Da wird einfach das Freund-Feind-Narrativ der NATO und...

Höre ich dieses Nach-Gequatsche aus Schwedischen Mündern, dann kann ich kaum glauben, wie wenig Schweden unter „Russischer Aggression“ im Laufe seiner gesamten Geschichte zu leiden hatte.

Da wird einfach das Freund-Feind-Narrativ der NATO und der „Westlichen Wertegemeinschaft“ vollkommen unreflektiert übernommen und nachgeplappert.

Ein intellektueller Offenbarungseid!

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Des Illusionierter
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