Zwei Nachrichten kreuzen sich zur Zeit im unendlichen Cyber-Space. Die eine Meldung sollte eigentlich nur die Hausmeister in bayerischen Behörden interessieren: Die dortige Landesregierung hat auf Initiative des Ministerpräsidenten beschlossen, dass in allen Behörden ein Kruzifix aufgehängt werden muss. Das sollte eigentlich ein provinzieller Langeweiler sein. Na und, könnte man sagen. Doch die unendlich kluge Suchmaschine GOOGLE meldet in Sekundenschnelle 431.000 Treffer, wenn man die Frage nach dem Kruzifix-Dekret eingibt. Und sucht man weiter, findet man unter den Treffern die bedeutende Meinungsmaschine TAGESSCHAU, das Blatt der Börsen- und Industrie-Intelligenz FAZ, und den einstmals interessanten STERN. Von SPIEGEL-online über "n-tv" bis zu "t-online" ist nahezu die komplette deutsche Medien-Landschaft mit diesem Folklore-Witz unterwegs.

Die zweite Nachricht erzählt eine absolute Sensation. Der Mann, der in der deutschen Medienlandschaft nur als der gemeine Feind, als Gottseibeiuns, als der Böse schlechthin auftaucht, Wladimir Wladimirowitsch Putin, der Proto-Russe, soll einen Friedenspreis der katholishen Kirche erhalten: Die „Goldene Palme“ des Vereins 'Assisi Pax International'. Dieser Knaller bekommt bei GOOGLE mal gerade 40.000 Treffer. Dunkle Kräfte müssen beim faktischen Verstecken dieser Information unterwegs sein. Ist es mal wieder der Unbekannte Russische Hacker, der dieses irre Faktum unterdrückt? Ist es gar Putin selbst, der von seinem Rechner aus den Anfang seines Heiligenscheins an das Ende der Informationskette drängt?

Vom vatikanischen Preis zur Heiligsprechung des künftigen Sankt Wladimir ist der Weg nicht weit. Schon dämmert am Moskauer Horizont eine Wallfahrt zum heiligen Putin. Heiligenscheine umschwebten dann den Kreml, als gäbe es eine Frisbee-Weltmeisterschaft zu gewinnen. Kerzen würden in den Hinterhöfen des Arbat, der Moskauer Altstadt, in Serie gegossen. Choräle würden aus den vielen russischen Kirchen in den Himmel steigen: "Святой Владимир - Svyatoy Vladimir, bitte für uns!" Viel gravierender wären nach der Heiligsprechung Putins die Änderungen im Westen: Der russische Präsident müsste auf internationalen Konferenzen mit "Eure Heiligkeit" angeredet werden. Man würde ihn bitten müssen, westliche Waffen zu segnen, um deren Treffgenauigkeit zu erhöhen. An den Straßenrändern seiner Besuchsfahrten würden Mütter ihm ihre Kinder zum Küssen entgegenhalten, und die britischen Royals müssten ihren neuen Sohn Wolodja, Wlad, Wowa oder gar Wowik nennen.

Doch Rettung naht. Markus Söder, unser Mann fürs Blöde, hat als erstes die Nachrichtensensation unterdrückt. Wahrscheinlich haben bayerische Hacker - i glaub 's hackt - die Computer der deutschen Redaktionen längst im Griff: Keine Zeile, kein Bild über den vatikanischen Friedens-Preis durfte nach außen dringen. Der Russe war der Feind, ist der Feind und soll der Feind bleiben! Frieden ist ohnehin nur was für Warmduscher. Kernige Burschen wie der Söder Markus geben keinen Frieden, um keinen Preis nicht! Und weil die Verhinderung von Nachrichten nicht reicht, ist dem schlauen Söder das Kruzifix-Dekret eingefallen. Bald schon wird in allen deutschen Behörden, nicht nur den bayerischen, ein handliches Kreuz hängen. Und wenn dann ein Russe vorbei kommt - der Putin gar -,kann jedermann das handliche Symbol von der jeweiligen Wand reissen, es dem Feind entgegen strecken und ebenso laut wie deutlich "Vade retro, Satana! - Weg mit dir, Satan" rufen, und schon sollte er weg sein, der Putin, der Iwan, der Beelzebub, der schreckliche.

Prompt haben die völlig freien deutschen Medien brutal einheitlich die Kruzifix-Nachricht erst apportiert, dann überall rapportiert, um die andere Nachricht so tot zu schweigen, dass sie eine Beerdigung erster Klasse erfahren hat. Denn eigentlich, nach den üblichen Bräuchen in den Redaktionen, wäre die Papst-Putin-Info drei Talkshows und vierzig Leitartikel wert. Die BILD-Zeitung hätte ihre dicken Überschriften schreien lassen müssen: ALTER PAPST ENDGÜLTIG DURCHGEKNALLT! Bei Anne Will wären die Experten zur These gekommen, dass Frieden eine russische Tarn-Vokabel ist. Und in der TAGESSCHAU hätten Wissenschaftler längst bewiesen, dass der Vatikan mit russischem Gas beheizt wird. Doch noch ist nicht aller Redaktions-Schlüsse Abend. Es gibt noch Hoffnung. Auf den Tag, an dem die deutschen Medien wegen ihrer betonierten Einheitsnachrichten nicht mehr konsumiert, sondern nur noch für den Straßenbau eingesetzt werden.

Kommentare (47)

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Köstlich ! Uli ist einfach unschlagbar.
Danke !

Ronald Wolf
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Dieser Beitrag ist, selbst wenn Sankt Putin seinen katholischen Friedenspreis aus weiser Überlegung heraus zurückweisen sollte, so wahr und so unterhaltsam, dass Ihnen einfach nur heiterer Applaus gebührt. Bravo, Herr Gellermann.

Andreas Schell
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Obwohl die Verhältnisse in den deutschen Medien genauso sind und in Wahrheit nicht lustig, lache ich doch immer noch. Danke!

Rita Schnell
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Ich hab das mal nachrecherchiert (Tschuldigung Herr Gellermann). Beide Nachrichten sind wahr. Aber die über den Papst und Putin ist wirklich kaum zu finden. Das ist zum Gruseln!

Günther Weber
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Politischer Journalismus vom feinsten, in guter alter Tradition von C.v.Ossietzky und Kurt Tucholsky. In diesem Fall anknüpfend an den Artikel, der den "Vogel abgeschossen hat" in seiner Qualität, und den Damen und Herren der Medien die Maske...

Politischer Journalismus vom feinsten, in guter alter Tradition von C.v.Ossietzky und Kurt Tucholsky. In diesem Fall anknüpfend an den Artikel, der den "Vogel abgeschossen hat" in seiner Qualität, und den Damen und Herren der Medien die Maske heruntergerissen hat passt ein frohes "Gott hab sie seelig," auf den Lippen für (C.v.Ossietzky und Kurt Tucholsky).
Im ersten Moment war ich unsicher, ob das nun Sarkasmus ist, oder den Tatasachen entspricht.
Klasse, dass wir es nun lesen können, und du dafür sorgst, dass es nicht im Nirwana verschwunden geht.
Die Widersprüche des Systems werden immer offensichtlicher, umso wichtiger bleibt die Galerie, die immer wieder hilfreich ist den ganzen Salat, den die Medien verzapfen vom Kopf auf die Füße zu stellen, und so wird deutlich, dass die Gesellschaft zum Einen sich kaum retten kann vor den "Angeboten des Kapitalismus," und zum Anderen werden wesentliche Informationen, Fakten vorenthalten, die zwingend notwendig zur politischen Meinungsbildung sind.
Die Maschine läuft wie geschmiert, und wer nur nachplappert, nicht nachdenkt ist schneller in der Achterbahn der geistigen Verblödung, wie er sich wünschen kann.
Sie dackeln der Bundesregierung nach, blasen munter ins Horn und verweigern dem Volk den Anspruch, dass sie wirkliche Informationen bekommen, und das stellt man in Gesprächen fest. Die Manipulation funktioniert und dass sich wiederholende Feindbild Pusslands, festgemacht an Präsident Rutins Person schleicht sich wie der "schwarze Mann," vor dem wir als Kinder Angst hatten, durch die Welt der abgehobenen von den Interessen des Volkes weit weg korrupten, oftmals lächerlichen, ohne Witz Medien. Einige ruhen sich noch auf vom Glanz vergangener Zeiten aus, zehren von ihrer Mediengeschichte, spielen damit, pochen auf "Glaubwürdigkeit," und wenn man nicht aufpasst kann es ganz schnell sein, dass der Stern, der ja nur noch ein bleiches Sternchen ist so tut als ob, und man drauf reinfällt. Vorsicht ist geboten.
DANKE, und wieder einmal mehr weiß ich, dass die Entscheidung für die Galerie die richtige gewesen ist.
Obwohl der Ernst der Lage völlig klar ist habe ich mich sehr köstlich amüsiert, denn Lachen ist gesund. So bleibt dem Preisträger sehr herzlich zu gratulieren, und den Medien möchte ich sagen: "Die Sonne bringt es an den Tag, und egal was ihr schreibt, es wird immer eine Antwort geben, denn das liegt in der Natur der Sache, und schwupps kommt der Uli Gellermann die Ecke rum, und spuckt mal eben in die schlecht gekochte Suppe, und lässt euch ziemlich alt aussehen." Die Macht- und Kräfteverhältnisse, die soziale Frage, die Frage Krieg und Frieden suchen nach Antwort, weil sie die gesamte Menschheit betreffen. "Wahrlich wir leben in dunklen Zeiten........" (Brecht)
Die Friedensbemühungen Russlands fallen mehr oder weniger unter den Tisch, und das ist eine Schande, und dass viele Linke, dieses verheimlichen, denn dann müssten sie zu anderen Schlüssen kommen ist gelinde gesagt: Zum Kotzen, und zeigt einmal mehr den Tanz ums goldene Kalb.

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Ulrike Spurgat
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Endlich mal ein Heiliger zum Anfassen!

Jerry Winter
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bitte informieren sie sich richtig, das ist noch nicht sicher !

beate hermann
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Beide Meldungen sind gesichert. Googeln hilft.

Uli Gellermann
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Herr Gellermann,

Sie müssen zugeben, dass unsere Presse Wichtigeres berichten muss, wie z. B. dieses:
"Für eine "neue Gleitkultur": An der Uni Bielefeld steigt ein Masturbations-Workshop für Frauen"
https://www.derwesten.de/panorama/fuer-eine-neue-...

Herr Gellermann,

Sie müssen zugeben, dass unsere Presse Wichtigeres berichten muss, wie z. B. dieses:
"Für eine "neue Gleitkultur": An der Uni Bielefeld steigt ein Masturbations-Workshop für Frauen"
https://www.derwesten.de/panorama/fuer-eine-neue-gleitkultur-an-der-uni-bielefeld-steigt-ein-masturbations-workshop-fuer-frauen-id214134447.html

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Gert Flegelskamp
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Ach Ulli,
hättest Du noch die Tagesthemen abgewartet, wüsstest Du schon, dass russische Hacker längst durch Cyberkrieger aus Nordkorea unterwandert wurden.
Sehen wir es doch positiv: Mit Markus Söder wurde in Bayern endlich das Minderheitenproblem...

Ach Ulli,
hättest Du noch die Tagesthemen abgewartet, wüsstest Du schon, dass russische Hacker längst durch Cyberkrieger aus Nordkorea unterwandert wurden.
Sehen wir es doch positiv: Mit Markus Söder wurde in Bayern endlich das Minderheitenproblem der Franken gelößt. Wir können also Bayern ohne weitere Schuldgefühle in die Unabhängigkeit entlassen. Nur sollten wir Frauen, Ketzern, Heiden, Atheisten und Sozialisten Bayern nicht als sicheres Herkunftsland verkaufen.
Dagegen ist Bayern für die Abschiebung von Katholiken viel geeigneter als der Vatikanstaat. Schon aus Platzgründen.

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dario vo
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@ Frau Spurgat,

nur ganz kurz und auf die Schnelle:

all das konnte - wer wollte - schon in der "jungen Welt" lesen. Fast genauso schön satirisch aufgearbeitet wie hier in der Galerie. Und mit dem Zusatz, das das ganze katholische Polen in heller...

@ Frau Spurgat,

nur ganz kurz und auf die Schnelle:

all das konnte - wer wollte - schon in der "jungen Welt" lesen. Fast genauso schön satirisch aufgearbeitet wie hier in der Galerie. Und mit dem Zusatz, das das ganze katholische Polen in heller Aufregung ist und wünscht, der jetzige Papst möge sich doch in Kürze zum Rapport beim Chef melden.

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Helmut Ische
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Die JW hat keine Verknüpfung mit der Kruzifix-Story.

Uli Gellermann
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