Da durfte sie nun sitzen, die Talk-Mutter der Nation: Sabine Christiansen im Weißen Haus, gemeinsam mit dem Präsidenten der USA, vor dem Kamin. Im Tross der Kanzlerin Merkel war sie in die USA gekommen und, wie der gesamte Staatsbesuch, auf guten Willen, alte Freundschaften und neue, gemeinsame Aufgaben eingestimmt. Denn allen Beteiligten war klar, dass man den Deutschen keine weiteren Gründe liefern dürfte, die Politik der US-Regierung abzulehnen. Der Bündnispartner ist gefragt, wenn es demnächst gegen den Iran geht.

Frau Christiansen hat ihre Rolle nahezu perfekt gespielt: Alle strittigen Fragen wurden gestellt und ein ziemlich gut eingestellter US-Präsident hat sie auch ziemlich glatt beantwortet. Warum auch nicht, schließlich lagen sie ihm früh genug vor, er hat die Antworten üben können und unsere Sabine belästigte den ersten Mann der verbliebenen Supermacht nicht mit unangenehmen Nachfragen. Ist der Irak im Gefolge des Krieges eine Terroristen-Hochburg geworden? "Och nee, Saddam war gefährlich, er hat seine Nachbarn überfallen, da mussten wir was unternehmen." Jetzt hätte die Journalistin einmal nach dem Giftgas fragen dürfen oder sogar nach dem Bush-Vater, der dem Krieg des Irak gegen den Iran mehr als wohlwollend gegenüberstand, aber das wäre gegen die Verabredung gewesen.

Immer wieder wendet sich Bush direkt an die "deutschen Zuschauer" und erklärt ihnen, dass die im Irak begonnene "Arbeit" beendet werden muss, sonst können sich die USA nicht zurückziehen. Zwar kommt die Christiansen dem Präsidenten scheinkritisch mit den 320 Milliarden Dollar, die der Krieg bisher gekostet hat, aber auf die Zahl der Toten verzichtet sie ebenso, huch, das wäre ja viel zu emotional, wie auf die Frage, wann die USA ihre Truppen nach Hause holen. Eine Frage, bei der sie sich auf die Forderung von immer mehr US-Bürger hätte stützen können.

Statt dessen lässt sie den größten gewählten Umweltverdrecker der Welt erzählen, er wolle unabhängig werden vom Öl und sei wirklich für alternative Energien. Kein Christiansen-Wort von den neuen Bohrungen in Naturschutzgebieten in Alaska, kein Wort über die völlig verrotteten Öl-Raffinerien der USA, über ein Stromnetz, dass in einer Reihe von US-Staaten regelmäßig ausfällt. Immerhin rafft sie sich zur Frage nach dem niedrigen Benzinpreis in den USA auf, nur um dem Präsidenten die Möglichkeit zu geben, seine Steuerpolitik als bürgerfreundlich auszugeben.

Wie nebenbei wird der Iran erneut bezichtigt, er wolle sich in den Besitz von Atomwaffen bringen. Ähnlich wie bei den irakischen Giftgas-Waffen gibt es keinen Beweis. Aber damit auch nur ja was hängen bleibt, darf der Präsident diese Behauptung noch einmal wiederholen. Es hätte der Journalistenpflicht genügt, wenn die Dame wenigsten nach dem Unterschied zwischen den Atomanreicherungs-Bemühungen der Brasilianer und denen des Iran nachgefragt hätte, aber das war nicht abgesprochen, da hätte Bush nichts Gelerntes erzählen können und die armen deutschen Zuschauer wären vielleicht in ihrer kritischen Haltung bestätigt worden.

Nur einmal patzt Herr Bush, als er nach den starken Frauen in seiner Umgebung gefragt wird, da hatte ihm Frau Christiansen eine wunderbare Vorlage gegeben, um Frau Rice als Muster der Emanzipation zu verkaufen, und der Präsident, gegen Ende der halben Interviewstunde zunehmend überfordert, vergisst seinen gelernten Text. Er landet bei der These, dass, wenn man starke Frauen im öffentlichen Leben will, man so sein müsse wie seine Freundin Angela. Was nun, will er die Geschlechtsumwandlung sofort oder doch nicht so viel starke Frauen in seiner Umgebung?

Sabine Christiansen lässt den Präsidenten nicht hängen, es wird über die Fußball-Weltmeisterschaft geredet und ob er denn kommt, wenn die USA im Endspiel stehen. Sichtlich erfreut, dass jetzt gleich die Schauspielerei aufhört und das normale Leben wieder anfängt, hofft Bush auf eine Einladung zum Endspiel und Frau Christiansen hat die Weltpolitik wieder dahin geführt, wo sie hingehört: Ins Elfmeterschießen.

Frau Christiansen bekommt für diesen Auftritt kein Extra-Honorar, obwohl sie es verdient hätte. Denn eine Propaganda-Sendung wie diese, in der einer skeptischen deutschen Bevölkerung ein gefährlicher Weltmacht-Präsident als wohlwollender Hausvater präsentiert wurde, wäre schon einen Kollateral-Preis wert gewesen. Frau Christiansen wird sich mit dem großartigen Gefühl begnügen, dass sie mit dem US-Präsidenten hat reden dürfen, ganz allein. So preiswert können schlechte Inszenierungen sein.

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