Das hätte sich der kleine Frank-Walter nicht gedacht: Da hat er mal nen eigenen Gedanken, etwa so: Zwar hat die NATO mit schwerem Gerät und mehr als 30.000 Mann an der russischen Westgrenze die Russen irgendwie bedroht, zwar habe ich diesem gefährlichen Kriegsspiel als Außenminister irgendwie zugestimmt, aber jetzt ist mir doch irgendwie bange: Was ist wenn der Russe nicht mitspielt? Da sag ich doch lieber, im Nachhinein: War nicht so gemeint, lieber Russe. Ist nur son bisschen Panzerkettenrasseln, wie Kinder mit ihren Rasseln rasseln. Alles wird wieder gut. Was Frank-Walterchen für ein Beschwichtigungssäuseln gehalten hat, das bläht sich jetzt zu einem Sturm auf, macht sich in die Windhose vor lauter Entsetzen und verschärft die Lage.
Denn Präsident Obama, der Mann, der gerade mal eben 348 Milliarden Dollar in die Modernisierung der US-Atomwaffen investierte, hatte doch erst neulich gesagt: „Es ist wichtig für alle Nato-Mitglieder, zu versuchen dieses Ziel (Erhöhung des Rüstungsetats) zu erreichen.“ Und damit der FREUND Obama nicht durch die zage Anmerkung von Frank-Walter irritiert wird, hat Angela Merkel ihren Stahlhelm zurechtgerückt und auf dem CDU-Wirtschaftstag alles klargezogen: „Ganz gewiss heißt dies auch, dass ein Land wie Deutschland, das heute 1,2 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) für Verteidigung ausgibt, und die Vereinigten Staaten, die 3,4 Prozent des BIP für Verteidigung ausgeben, sich werden annähern müssen“. Ganz gewiss.
Schon vor Merkel hatten sie sich gemeldet: Der Norbert Röttgen, von dem man dachte er sei sanft entschlafen, sah in Steinmeiers Äußerung einen "Pappkamerad“. Das sind die, auf die man mit scharfer Munition schießt. Die Russenhasserin vom Dienst, die welke GRÜNE Rebecca Harms, hat dem Steinmeier ein „unverantwortliches Signal“ bescheinigt und CDU-Präsidiumsmitglied Jens Spahn stellt den Außenminister in die Ecke: "Wir sehen, dass Steinmeier als Putin-Versteher schon den Weg bereitet für die Linkspartei." Da hätte man doch lieber die Krätze, als dass man seinen Nachbarn verstehen möchte. Schnell, damit Obama nur ja nicht vom kurzen Aufschimmern eines Gewissens bei Steinmeier irritiert werden konnte, hat die Europäische Union die Sanktionen gegen Russland um weitere sechs Monate verlängert.
Was ist neu im Verhältnis Russland-Westen? Die Krimkrise war vor mehr als zwei Jahren. Auch wenn sie und der schwelende Krieg in der Ost-Ukraine für die aktuelle Verschärfung der Militär-Außenpolitik öffentlich als Vorwand an den falschen Haaren herbeigezogen wird: Es gibt dort nichts Neues. Das Neue findet auf dem anderen Schauplatz der Ost-West-Auseinandersetzung statt: In Syrien. Dort war geplant die russische Präsenz zu liquidieren. Dass man dabei auch die syrische Bevölkerung liquidierte? Macht nichts. Doch nicht nur, dass die Russen noch immer dort sind. Sie haben ihre Position sogar gefestigt. Russland ist aus dem Nichts als internationaler militärischer Faktor wieder aufgetaucht. Das ist das einzig Neue im internationalen Ungleichgewicht, das der amerikanischen Supermacht einige hundert Militärstützpunkte auf der Welt zubilligt, den Russen aber lieber gar keine.
Wäre die deutsche Außenpolitik klug, wäre sie an den Interessen der Bevölkerung interessiert, würde sie die Deutschen aus dieser gefährlichen Ecke der Welt, aus diesem Minenfeld der US-Strategie heraushalten. Aber die deutsche alltägliche Außenpolitik heißt Merkel, sonntags darf sich auch mal Steinmeier melden. Deshalb treiben sich jetzt deutsche Soldaten auf der verbrannten Erde Syriens herum: Offenkundig sind es KSK-Spezialkräfte, die auch in Afghanistan die ersten waren: Quartiermacher, die sich haben erwischen lassen. Das berichtet die staatliche syrische Nachrichtenagentur SANA. Und die oppositionelle „Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte“, die sonst immer gern zitiert wird, kommt zur selben Erkenntnis: „Es sollte zur Kenntnis genommen werden, dass Spezialkräfte aus Deutschland, den USA und Frankreich an der Offensive an der Seite der SDF (Syrian Democratic Forces) in Manbidsch teilnehmen." Natürlich dementiert die Bundesregierung. Und mag sich das Beleg-Video, auf dem mitten in den syrischen Kämpfen Deutsch gesprochen wird, lieber nicht ansehen. Der englische „Mirror“ wird im Kanzleramt nicht mehr gelesen, denn der schreibt zum syrischen Fall: „The British, German and US special forces mission was to hunt out terrorist positions outside ISIS-held Mosul and spot weak areas in the network´s defences.“
Die EU sei heute nicht in der Lage, sich gegen die Bedrohungen von außen zu verteidigen, hat Frau Merkel am Dienstagabend auf dem Wirtschaftstag der CDU fabuliert. Die anonyme, mit nichts und gar nichts belegte „Bedrohung“ ist in Wahrheit eine Bedrohung des fragilen Friedens in Europa durch das miese Spiel der USA. Und die Merkel spielt mit. Und Steinmeier, außer Sonntags, auch.
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Am 12. 07. 2016, um 20.30 Uhr
im Buchhändlerkeller
10523 Berlin Carmerstraße 1
wird Conrad Schuler sein Buch
DIE GROSSE FLUCHT vorstellen
Es moderiert Uli Gellermann