Die wirklich tapferen Piloten der türkischen F-16-Flugzeuge bombardieren mal wieder kurdische Dörfer. In der Luft ist man so schön sicher. Am Boden sterben, neben Kämpfern der PKK, der Arbeiterpartei Kurdistans, auch Frauen, Kinder, Zivilisten. Macht nix, erzählen deutsche Medien. Denn die PKK wird grundsätzlich mit den Attributen "terroristisch" und "verboten" belegt. Und verbotene Terroristen, sagt der Redakteur, die gehören halt zerbombt. Die NATO – das ist der aggressive Militärverein, in dem Deutschland schon lange Mitglied ist – erklärte der Türkei jüngst ihre Solidarität im "Kampf gegen den Terrorismus". Die kurdischen Dörfer können im Südosten der Türkei liegen, aber gern auch im Norden des Irak oder Syriens. Das ist anscheinend alles NATO-Land. Und weil der größenwahnsinnige Sultan Recep Tayyip Erdoğan die nächste türkische Wahl gewinnen will, und weil er glaubt, dass tote Kurden sich in Wählerstimmen ummünzen lassen, geht das Bomben munter weiter.

Die Türkei ist seit 1952 stolzer Teil der NATO. Und nicht irgendein Mitglied: Die Türkei unterhält die zweitgrößte Armee nach den USA. Die türkischen Streitkräfte können im Rahmen der nuklearen Teilhabe-Strategie der NATO mit US-Sprengköpfen atomar bewaffnet werden. In der Türkei werden einsatzfähige Atomsprengköpfe am NATO-Stützpunkt Incirlik Air Base dafür bereitgehalten. Türkische Offiziere werden in den USA ausgebildet, sie sitzen in den NATO-Kommandostäben. Und die eigentlichen Befehlshaber der türkischen Armee in den USA verteilen für den Krieg gegen die Kurden nur Bestnoten: Der Sicherheitsberater von Präsident Barack Obama, Ben Rhodes, betonte jüngst das Recht der Türkei, gegen terroristische Ziele vorzugehen.

Die Kurden – eine Volksgruppe, die in der Türkei, im Irak, im Iran und in Syrien lebt – stellen mit etwa 18 Prozent der Gesamtbevölkerung die größte ethnische Minderheit in der Türkei. Luftangriffe durch die türkische Armee kennen Kurden schon seit den 30er Jahren. Weil sie ihre eigene Sprache sprechen möchten, auch im Schulunterricht, und weil sie, die man lange Zeit beleidigend "Berg-Türken" nannte, auf einer eigenen Identität bestehen. Das hat sie immer wieder Tote gekostet. Gefängnis und Folter waren Jahrzehnte Begleiter der Kurden. Und auch Umsiedlungen waren üblich: In den 1990er Jahren wurden 6.153 kurdische Siedlungen und 1.779 Dörfer zwangsgeräumt, eine Million Menschen wurden aus "Sicherheitsgründen" umgesiedelt. Unter der Parole "Kampf gegen den Terror" terrorisierten die türkische Armee und die Polizei die kurdische Bevölkerung.

Brav hat sich der NATO-Partner Deutschland dem NATO-Partner Türkei in der Wertung kurdischer Kämpfe um Selbstbestimmung schon 1993 angeschlossen und die kurdische Arbeiterpartei (PKK) mit einem "Betätigungsverbot" belegt. Selbstverständlich wurde bisher keine der türkischen Regierungen, die in den Kurdengebieten Angst und Schrecken verbreiteten, von deutschen Regierungen auch nur gerügt. Widerspruchslos kämpften Bundeswehreinheiten sogar von Juni 2002 bis Februar 2003 unter türkischer Leitung in Afghanistan. Nicht zuletzt ist der türkische Staat ein guter Kunde: In der Bundesrepublik Deutschland kaufte er 354 Kampfpanzer des Typs Leopard 2 und bestellte zudem sechs Einheiten der U-Boot-Klasse 214.

Doch gerecht wie nur die Deutsche Bundesrepublik sein kann, liefert sie auch Waffen an Kurden: Jenen, die im Irak gegen den IS kämpfen, spendierte sie Boden-Boden-Panzerabwehrlenkwaffen des Typs Milan, Gewehre des Typs G3 und des Typs G36, auch gern Maschinengewehre und Panzerfäuste. In den meisten deutschen Medien erfährt man von den "Peschmerga", den Kämpfern für ein autonomes Kurdistan im Irak als Waffen-Abnehmer. Dass zu den hartnäckigsten Verteidigern kurdischer Freiheit auch und gerade Einheiten der laizistischen PKK zählen, muss der deutsche Medienkonsument nicht wissen: Er könnte an der sonderbaren Aussen- und Militärpolitik der deutschen Regierung irre werden.

Zur langen Blutspur der NATO-Staaten – begonnen im Irak, verlängert in Libyen und Syrien – gehört nun erneut das Blut ermordeter Kurden. Unbeirrt hält die Bundesrepublik an einem Militärbündnis fest, das, angeblich zur Verteidigung gegründet, längst zum Instrument der US-Außenpolitik geworden ist und gern kaputte Staaten hinterlässt. Vielleicht sollten die türkischen Kurden kollektiv in Deutschland um Asyl nachsuchen. Die Bedingungen des Artikel 16a des Grundgesetzes "Politisch Verfolgte genießen Asylrecht" erfüllen die Kurden allemal. Ob allerdings die etwa 16 Millionen Kurden in Deutschland noch Platz finden würden, ist fraglich. Fraglos würden sie, wenn sie an der deutschen Grenze anklopften, ihr berechtigtes Anliegen dröhnend auf die Merkel' sche Tagesordnung setzen.

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Ich grüße die tapfren Frauen und Mädchen in den PKK -Batallionen,drücke ihnen die Daumen!

G. Pietrzak
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Was die deutsche Beteiligung an den "NATO-Land-ist-überall" angeht, hat Peter Gauweiler im vorigen Jahr einen fulminanten Vortrag an der Helmut-Schmidt-Uni der Bundeswehr gehalten:
http://www.peter-gauweiler.de/pdf/reden/2014-06-04_hamburg.pdf

Jochen Scholz
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Eine interessante Rede, die ich Gauweiler nicht zugetraut hätte.

Uli Gellermann
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Hauptsache der Dollar rollt!
Menschenleben!? Was war das gleich nochmal?

Kranke Welt!

S. Hauptkorn
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"Zur langen Blutspur der NATO-Staaten ? begonnen im Irak, verlängert in Libyen und Syrien ? gehört nun erneut das Blut ermordeter Kurden. Unbeirrt hält die Bundesrepublik an einem Militärbündnis fest, das, angeblich zur Verteidigung gegründet,...

"Zur langen Blutspur der NATO-Staaten ? begonnen im Irak, verlängert in Libyen und Syrien ? gehört nun erneut das Blut ermordeter Kurden. Unbeirrt hält die Bundesrepublik an einem Militärbündnis fest, das, angeblich zur Verteidigung gegründet, längst zum Instrument der US-Außenpolitik geworden ist und gern kaputte Staaten hinterlässt."

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A tlantik
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O rganisation

D eutschland raus aus EU und NATO!

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Benny Thomas Olieni
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Ein interessanter aber durchsichtiger Versuch, der PKK eine Heiligenschein zu verpassen!

Günther Derendorf
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Brillanter Artikel. Auch den weiteren Artikeln kann ich zustimmen. Ich habe Euren Blog vor Kurzem über die nachdenkseiten kennengelernt. Klasse! Weiter so!

Jürgen Günther:
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Wann wird man je versteh´n? Der angeblich WEISE MENSCH (=HOMO SAPIENS) "könnte" nur überleben mit: "FRIEDEN SCHAFFEN OHNE WAFFEN!"

Hans Ion
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Geschichtlich auf dem Holzweg
war Deutschland schon immer.
Am liebsten mit Waffen und Fahnen.
Hätten wir da nicht wissen müssen
oder zumindest erahnen:
Nach der Wende wird es noch schlimmer?
Wohl nicht,
denn da war ja noch die Sache mit den Bananen.

Lutz Jahoda
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Uch glaube, die Haltung der NATO-Länder den Kurden gegenüber ist eher zwiespältig: einerseits unterstützen sie die Türkei, ganz so, wie Du es beschreibst. Andererseits besteht aber auch ein Interesse der USA an einem autonomen Staat Kurdistan,...

Uch glaube, die Haltung der NATO-Länder den Kurden gegenüber ist eher zwiespältig: einerseits unterstützen sie die Türkei, ganz so, wie Du es beschreibst. Andererseits besteht aber auch ein Interesse der USA an einem autonomen Staat Kurdistan, auch aus Rücksicht anderen regionalen Interessen gegenüber. Meinst Du nicht?

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Florence Garnier
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Meine ich partiell auch: Die USA wollen einen kurdischen Staat im Irak. Sowohl, um einen regionalen Partner zu haben, als auch, um von dort aus die Kurden rauszulösen, die in Syrien auf ein autonomes Kurdistan orientieren. Dabei ist aber die eher...

Meine ich partiell auch: Die USA wollen einen kurdischen Staat im Irak. Sowohl, um einen regionalen Partner zu haben, als auch, um von dort aus die Kurden rauszulösen, die in Syrien auf ein autonomes Kurdistan orientieren. Dabei ist aber die eher laizistisch und sozial orientierte PKK schwer einzuschätzen. Wie immer hätten die USA gern einen Vasallen. Der wird die PKK nicht sein, zumal sie die Interessen der Kurden in der Türkei vertritt: Das aber (sagen die USA) ist natürlich terroristisch.

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Uli Gellermann
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Interessant ist immer wieder die Unterscheidung von Zivilisten und Nichtzivilisten.Was ist das Gegenteil von Zivilist? Terrorist "Was ist ein Terrorist "
Ganz sicher kein Mensch, denn er muß wie Ungeziefer bekämpft werden.

Manfred Caesar
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