Dass Männer mehr verdienen als Frauen ist schon richtig: Männer sind klüger, halten sich nicht so lange mit Kindern auf und sind mit einem messerscharfem Orientierungssinn ausgestattet (»Schatz, hast Du meine Socken gesehen?«), der sie, in den Zeiten der Globalisierung, für das Überleben der Menschheit einfach besser positioniert als die Frauen. Aber warum im europäischen Vergleich ausgerechnet die deutschen Männer zweiundzwanzig Prozent mehr verdienen als die deutschen Frauen, warum in diesem Ranking Deutschland auf dem vierten Platz liegt und nur noch die zypriotischen, die slowakischen und die Männer Estlands deutlich mehr verdienen als deren Frauen, das verlangt doch eine eingehende Analyse.

Beginnen wir mit dem Sektor, in dem es überhaupt keine Frauen gibt: Der geheimnis- und verantwortungsvollen Führungsspitze deutscher Unternehmen. Nie wäre irgendeiner Frau der berühmte und eindrucksvolle »Peanuts«-Vergleich« eingefallen, der einem Chef der deutschen Bank so geschmeidig von den Lippen tropfte. Auch Frau Schrempp, die lange im Vorzimmer des gleichnamigen Daimler-Chrylser-Chefs saß, bis sie sein Flehen erhörte, hätte den Konzern weder so schnell noch so gründlich in die roten Zahlen führen können wie ihr Mann. Keiner kann sich eine Frau vorstellen, die so sensibel mit der aktuellen Atom-Panne umgegangen wäre wie die Männer von Vattenfall. Nicht einmal für die durchgängige Korrumpierung aller Unternehmensbereiche bei Siemens wäre eine Frau zu gebrauchen gewesen. Doch zufälligerweise wird gerade in den eisigen Höhen der Konzernetagen das meiste verdient.

Zwar bekommt der Autoschlosser auch mehr als die Kindergärtnerin, was nur vernünftig ist, denn kaputte Kinder sind auf dem Second-Hand-Markt ohnehin nicht zu verkaufen, aber die Abstände auf dieser Ebene sind gar nicht so groß. Eine neue EU-Studie weist aus, dass eine bessere Ausbildung und höhere Positionen die Gehaltskluft zwischen Frauen und Männer noch weiter auseinander klaffen lässt. Das gilt für ganz Europa, nicht nur für Deutschland und lässt sich nur mit dem weiblichen Hang zur Mildtätigkeit erklären: Frauen verzichten eben gern und lassen Männern den Vortritt. Schon müssen die Männer mehr Verantwortung übernehmen und bekommen diese Last entsprechend vergütet. Damit sind wir aber der spezifisch deutschen Frage noch nicht näher getreten.

Der Hauptunterschied zwischen Deutschland und anderen europäischen Ländern liegt in der Führung des Landes: Wir werden von einer Frau, von Angela Merkel, geführt. Die hat gerade am Ende der ersten Halbzeit ihrer Wahlperiode Bilanz gezogen und Hinweise zur besonderen Geschlechterlage in Deutschland gegeben: Mit einem unbeirrten »weiter so« und »feste druff« zu den deutschen Truppen in Afghanistan stand sie Wilhelm II kaum nach. Auch ihr Lob der vierzigsten Wiederauflage der Nah-Ost-Konferenz unter falschen Voraussetzungen entsprach ganz und gar der hohen, männlichen Intelligenz des Herrn Bush, von dem der Vorschlag stammt. Dass sie dem Innenminister weiterhin das öffentliche Denken erlaubte, ist einer gesunden, eher männlichen Stammtisch-Philosophie geschuldet: Man wird doch übers Terroristen-Abknallen mal nachdenken dürfen?! Und auch ihr kerniges Wort von der »trübsinnigen Innenpolitik« entspricht einer Offenheit, wie sie sonst nur Männern zu eigen ist.

Wer die außenpolitischen Erfolge der Kanzlerin betrachtet, kommt nicht umhin Parallelen zu den Top-Managern zu ziehen: Der Kompromiss zur EU-Verfassung hatte durchaus Ähnlichkeiten mit dem teuren Verkauf von Chrysler, auch der Versuch, den Akt kostspieligen Nachgebens gegenüber den Briten und Polen als Erfolg auszugeben, stand den Bemühungen des Daimler-Vorstandes in keiner Weise nach. Das unverbindliche und inhaltslose Kommunique des G-8-Gipfels, von der Dame Merkel als Erfolg gepriesen, übertrumpfte sogar das abgestandene Gesülze von Börsenanalysten: »Wenn die Temperatur (oder der DAX) steigt, könnte es zu einer starken Performance kommen. Deshalb empfehlen wir aus dem CO2 aus- und in frische Luft einzusteigen.« Wer so redet und handelt, der darf mit Recht für sich in Anspruch nehmen: »Ich bin eher ein kurzfristiger Denker« (A. Merkel auf der Halbzeitpressekonferenz).

So löst sich denn die Frage nach dem deutschen Sonderweg bei der Schlechterbezahlung von Frauen in Kanzler Merkel auf: Abgeschreckt von einer Bundeskanzlerin, die nur die Führung dieses Landes übernehmen konnte weil sie so gebildet wie Kohl, so sensibel wie Schröder und so kompetent wie Köhler agiert, verharren die deutschen Frauen lieber in der Unterbezahlung. Nur um Karriere zu machen, will frau keineswegs so werden wie Angela Merkel.