Das Land kennt Wahlen, aber der Ausgang steht schon vorher fest. Die Sharia, jenes religiöse Recht, das vor allem Frauen Unrecht antut, ist in der Verfassung verankert. Frauen dürfen nicht Auto fahren, die Verschleierung ist obligat, Hinrichtungen und Auspeitschungen sind durchaus üblich. Zwangsehen sind die Normalität. Natürlich ist Homosexualität strafbar. Das Auswärtige Amt rät von Reisen in das Land ab: "Die in diesem Land geltenden gesellschaftlichen Regeln müssen beachtet, insbesondere auffällige Kleidung und Zurschaustellung oder gar Verteilung christlich-religiöser Symbole vermieden werden." Was wie ein Ausflug nach Talibanistan klingt, ist die gesellschaftliche Wirklichkeit in Saudi Arabien. Dieses vom wahhabitischen, reaktionären Islam beherrschte Land, bekommt gerade für 60 Milliarden Dollar Rüstungsgüter aus den USA geliefert: Das ist der größte Waffen-Deal aller Zeiten.
Während die westliche Scheinheiligkeit in Afghanistan immer noch vom demokratischen Aufbau redet, wird in Saudi Arabien eine Struktur hochgerüstet, die den Vorstellungen der Taliban von einem Herrschaftssystem am nächsten kommt. Es war saudisches Geld, das den Start der Taliban finanzierte, und es war der Saudi Osama bin-Laden, der gemeinsam mit Tausenden anderen zum Heiligen Krieg nach Afghanistan aufgebrochen ist. Damals durchaus vom Wohlwollen der saudischen Herrscher begleitet. Das Wohlwollen endete dann am 11. September 2001. Doch immerhin stammten fünfzehn der neunzehn Attentäter aus dem arabischen Königreich. Ob und wie lange das Königshaus an der Macht bleibt, ist schwer einzuschätzen. Sicher ist, dass die amerikanischen Kampfhubschrauber, die Flugzeuge und Kriegsschiffe des opulenten Rüstungspaketes auch in noch schlimmere Händen fallen könnten.
In deutschen Medien herrscht die sonderbare Einheitsmeinung, nach der die Waffenlieferungen für die Saudis im Wesentlichen der Abwehr eines geradezu beschworenen Angriffs von Seiten des Irans dienen soll. Wohl deshalb hat die Meldung über das gute Geschäft der deutschen Rüstungsfirma Heckler & Koch, die zur Zeit eine komplette Produktionsanlage für das Sturmgewehr G36 in Saudi Arabien aufbaut, keine sonderlichen Wellen geschlagen. Im Iran, das weiß der deutsche Medienkonsument, herrscht das Böse und deshalb ist es das Gute und Richtige, die Gegner des Irans aufzurüsten. Mit dieser primitiven Logik wird seit Jahrzehnten Politik im Nahen Osten betrieben, die Folgen sind bekannt: Failed States (kaputte Länder) zuhauf, ein Anwachsen des Terrorismus und, trotz des Versprechens mit immer mehr Waffen mehr Sicherheit zu erreichen, immer mehr Unsicherheit in der Region. Und ob im Wettbewerb religiös-diktatorischer Politik zwischen Saudi Arabien und dem Iran wirklich der letztere die Nase vorn hat, ist ganz sicher nur in der Propaganda des Westens entschieden.
Letztes Argument für jeden militärischen Blödsinn im Nahen Osten ist immer die Sicherheit Israels. Eben diese Sicherheit wird - parallel zum üppigen Waffen-Deal - zur Zeit verhandelt: Moderiert von den USA sitzen Palästinenser und Israelis an einem Tisch, um in Scharm-el-Sheich Friedensgespräche zu führen. Würden die historischen Kontrahenten zu einer Einigung gelangen, wäre der entscheidende Konfliktherd zwischen der islamischen und der westlichen Welt entschärft, wären Fortschritte weit über das palästinensisch-israelische Gebiet hinaus möglich. Doch jetzt schon deutet sich an, dass die israelische Regierung den Siedlungsbau auf palästinensischem Gebiet weiter fortsetzen wird. Damit wäre jede weitere Verhandlung für die Palästinenser, deren Hoffnungen ja auf einen ungeteilten Staat zielen, sinnlos. Also bleiben, wie gehabt, die Waffen als schlechter Ersatz für Politik. Die Deutschen Rüstungskonzerne haben im Jahr 2008 nur für 170 Millionen Waffen an Saudi Arabien absetzen können. Und auch wenn sie am Abkommen zwischen Großbritannien und den Saudis über die Lieferung des Eurofighters (14,7 Milliarden Euro) beteiligt waren, so ist doch das nächste Geschäft immer das beste. Wer braucht schon Frieden, wenn doch am Krieg so prächtig verdient wird.