Warum lachen Sie nicht? Auf Plakaten von Lidl steht doch "100 Prozent freundlich". Dieses imaginierte Land des Lächelns, dieses Clownsgesicht auf dem dunklen Hinterhof, das steckt Sie nicht an? Nur weil Sie wissen, dass im Hinterzimmer der schmierige Apparat eines alles kontrollierenden Vorstands lauert? Nur weil die Pinkelzeit, die Rauchpause und die Farbe der Unterwäsche von Mitarbeitern ausgeschnüffelt wurde? Aber die Kanzlerin hatte doch Anfang des Jahres eine Kultur des Hinsehens verlangt, jetzt gucken alle genau hin, auf Ihre Konten, Ihren Internetverkehr, ihre Gewohnheiten, und Sie wundern sich.

"Hallo Zukunft", ruft die Telekom in den Markt, meint es aber nicht so. Denn sie will niemanden ansprechen, die Verhältnisse in und um die Telekom sollen beschwiegen werden. So wie ihre Call-Center immer schweigen, wenn man eine Frage hat. So wie ihr Pate, der Aufsichtsrats-Chef Zumwinkel, über sein Sparbuch in Liechtenstein. Das ist doch lustig: Zumwinkel in der Maske des Biedermanns, in der Maske des Biederjungen René Obermann, der Telekom-Vorstandsvorsitzende, der auch nichts weiß, aber noch vor ein paar Wochen zahlen ließ: An jene Firma, die seit Jahren für die Telekom spitzelte. Und die auch für die Deutsche Bahn arbeitete. Ein fröhlicher Lärm dringt aus den Vorstandsetagen: "Wer soll das bezahlen, wer hat soviel Geld," gröhlen sie, trunken von der Macht, "wer hat so viel Pinke, Pinke, wer hat so viel Geld?" Sicher ist eins: Die Zeche zahlen sie nicht.

Mehdorn, der Chef der Deutschen Bahn, wollte immer schon "Die Zukunft bewegen". Natürlich die seine. Denn Mehdorn weiß um die Kraft eines Börsengangs: Mehr Gehalt, mehr Möglichkeiten des Insider-Handels, mehr Macht. Deshalb trägt Mehdorn die Maske des Gewerkschaftsfreundes: Wir wollen doch die Gewerkschaft nicht spalten, ruft er den Lokführern zu. Und flüstert Hansen, dem Chef der Gewerkschaft Transnet, ins Ohr: Wenn Du für die Privatisierung bist, dann kommst Du in den Vorstand, Du kriegst was ab von der Beute, in Zukunft musst Du nur beweglich sein. Hansen trägt gar keine Maske, die Gier ist ihm ins Gesicht gebrannt. Aber er ist ja auch kein Mächtiger, nimmt am Karneval nicht teil, darf nicht über die anderen lachen, wird nur mit einem lächerlichen Gehalt abgefunden.

So ein Hansen ist ein Schnäppchen. Der kostet viel weniger als ein kompletter Betriebsrat. "Aus Liebe zum Auto" hat VW einfach den Betriebsrat kaufen müssen. Der zuständige Herr Vorstand ist verurteilt worden. Wegen Untreue. Nicht wegen Betrugs an der Demokratie, nicht wegen Verbrechens gegen das Betriebsverfassungsgesetzt. Er hat VW-Gelder veruntreut, aus Liebe zum Automobil, und den Eindruck erweckt, dass sein Chef, der noch mächtigere Herr Piech, von allem nichts gewusst hat. Das hat dem Hartz Bewährung eintragen. Der verurteilte Betriebsrat aber muss richtig sitzen. Denn der weiß einfach zu wenig. Wer was weiß, darf mitfeiern. Bei dem nicht enden wollenden Umzug unter dem Titel "Du bist Deutschland! Du bist doof". Denn nur die Doofen zahlen Steuern, halten sich an die Gesetze, können einfach nicht in Kameras lügen: Das lag außerhalb meiner Verantwortung. Davon habe ich nie etwas erfahren. Und wenn doch, dann in ganz anderen Zusammenhängen. Helau.

Noch teurer kann es kommen, wenn man sich gezwungen sieht, seine Produkte in Geldscheine einzuwickeln. Die Firma Siemens, deren Slogan "Die Zukunft zieht ein" eine nicht zu unterschätzende Drohgebärde darstellt, hat ihre Geräte und Anlagen nur mit dieser und jener Milliarde an diesen oder jenen Korruptionsrat bringen können. So ganz nebenbei hat sie der Zukunft eine schöne Gewerkschaft geschenkt: Nur für das Haus Siemens. Die paar zusätzlichen Millionen haben sich gelohnt. Merkels alter Freund von Pierer, früher Siemens-Chef, hat seinen Job als Berater der Kanzlerin verloren: Es gäbe, sagt Merkel hinter der Maske der Redlichkeit, jetzt ganze Akademien für Innovation, deshalb müsse von Pierer diese Aufgabe nicht mehr wahrnehmen. Zur Korruption kein Wort.

Kein Wort der Merkel auch, als der WDR im Jahr 2005 eine Dokumentation über die DDR-Staatssicherheit produziert und bei der Gelegenheit ein Foto der Kanzlerin verwenden will, dass sich in den Havemann-Akten gefunden hatte: Es zeigt die vormalige Agitprop-Sekretärin der DDR-Staatsjugend bei der Annäherung an das Havemann-Grundstück. Kenner der DDR hatten sich immer schon gewundert. Wieso konnte das Pfarrerskind Angela studieren, wo doch das normale Kirchenkind im atheistischen Staat vom Studium ausgeschlossen war? Kein Wundern über das Verbot der Kanzlerin, das Foto zu benutzten. Wozu hat man denn die Macht, die ganze Mühe mit der Maskerade demokratischer Offenheit lässt man sich doch nicht durch ein dummes Foto verderben.

Das bedrückende Schweigen wird wieder dem Singen der Nationalhymne weichen, dem Schwenken von Schwarz-Rot-Gold, der hefetrüben Freude an den Großbildflächen, die Fußballeuropameisterschaft, der Karneval für Arme, setzt allen die Nationalkappe auf und die Begeisterung wird irre sein. Die Kanzlerin, eine ausgewiesene Kennerin des Geschäfts, hat schon den Kurs angegeben: "Die Mannschaft hat Kraft durch Willen." Warum lachen Sie nicht?