Es klebt, das braune süße Zeugs, das pro Liter 36 Stück Würfelzucker enthält und ausreichend Säure, um einen Nagel zu entrosten. »The Coke side of life« ist der aktuelle Titel einer weltweiten Seifenoper, die sich gewaschen hat: 65 Milliarden Dollar soll der Brause-Name mit Sitz in Atlanta/USA wert sein, in Wahrheit ist die Marke Coca-Cola unbezahlbar. Die Flecken in der Welt, in denen man den Schriftzug nicht kennt, lassen sich an einer Hand aufzählen.

Lange wurde gerätselt, wer zuerst die Länder der Erde erobert hat, Coca Cola oder die US-Armee. Ab August wird diese Frage müßig sein: Michael Stopford, bisher Chef der Coca-Cola PR-Strategie, wechselt im August zur NATO, kurz vor deren 60. Geburtstag. Auch wenn die NATO viele Mitglieder hat, gibt es doch nur ein Land, das im Militärbündnis entscheidet: Die USA. Das 1949 gegen die Sowjetunion gegründete Bündnis hat den alten Feind überlebt. Aber seine Image-Probleme wachsen. Da kommt Stopford, dessen bisheriger Arbeitgeber auch nicht ohne Image-Schäden in die Jahre gekommen ist, gerade recht. Vielleicht recycelt er für die NATO einen alten Coke-Slogan: »Erfrischung ohne Grenzen«.

Grenzen kennt die NATO schon lange nicht mehr: Mit zehn neuen Mitgliedern aus dem ehemaligen Warschauer Pakt versammelt der Militärclub inzwischen 26 Staaten in seinen Reihen. Die besonders demokratischen Länder Kroatien und Albanien sollen folgen. Die Ukraine steht auf der Wunschliste. Das Kosovo entwickelt sich zum Bundesstaat der USA, braucht also keine formale Mitgliedschaft. Eine Grenzüberschreitung der besonderen Art wurde 2001 ausgerufen. Nach den Anschlägen auf das »World Trade Center« verlangte die USA den »Bündnisfall« und bekam ihn auch: Seit dieser Zeit stehen NATO-Truppen in Afghanistan. Erfolge bleiben seit acht Jahren aus, wie die jüngste fluchtartige Räumung eines Vorpostens im Osten Afghanistans erneut beweist.

Wie Madonna, schreibt ein Autor im Zentralorgan des Bündnis, der NATO-Review, müsse sich der Militärpakt immer wieder selbst neu erfinden und zitiert Frau Merkel, die sich ein neues strategisches Konzept wünscht, nicht die Auflösung des Paktes. In der Coca-Cola-Welt dient Sprache der Verhüllung. Man verkauft braunes Zuckerwasser nicht über den Produktinhalt, man installiert Sprechblasen und so bleibt auch eine neue NATO die alte: »Der Schlüssel zum Erfolg«, so Michael Stopford, »liegt in der Glaubwürdigkeit«. Es wird spannend zu sehen sein, wie die NATO ihre Existenz, fast zwanzig Jahre nach Ende des Kalten Krieges, glaubwürdig begründen will. Vielleicht mit dem Slogan: »Krieg, eiskalt genießen«.

Stopfords Karriere begann nicht bei Coca-Cola. Der Mann hat schon bei ExxonMobil gearbeitet, einem Konzern, »der in den letzten Jahren fast 16 Millionen Dollar investiert hat, um Skeptiker des Klimawandels zu unterstützen, wissenschaftliche Erkenntnisse zu verschleiern und Politiker und Medien zu manipulieren. In den Jahren 1998 bis 2005 gingen davon 1,6 Millionen Dollar an das American Enterprise Institute. Dieses bietet Wissenschaftlern 10.000 Dollar zuzüglich Spesen für Berichte, die den Klimabericht der UNO in Frage stellen». Das berichtete die britische Zeitung The Guardian. Auch der Schweizer Syngenta-Konzern mochte nicht auf Stopfords Mitarbeit verzichten: Syngenta stellt das hochgiftige Pestizid »Paraquat« her und gentechnisch manipulierte Pflanzen.

Dass ein weiterer ehemaliger Arbeitgeber Michael Stopfords, die Weltbank, auch mit Imageproblemen zu kämpfen hat, ist bekannt. Nicht bekannt ist, wie der talentierte Mr. Stopford sie hätte lösen können. Von Coca-Cola weiß man, dass schmutzige Geldstücke schon nach wenigen Stunden in der Brause wieder sauber werden. Aber, ob ein Versprechen auf Geldwäsche der NATO in ihrer offensichtlichen Sinnkrise helfen würde? Dass Coke sich tatsächlich zur Reinigung von Blutflecken eignet, wäre schon eher ein Additiv für das Bündnis: Der Slogan »NATO - es geht auch ohne Blutflecken» hätte zwar mit der Wahrheit nichts zu tun, aber das soll Werbung ja auch nicht. Schöner wäre: »Mach mal Pause, raus aus der NATO», aber dann wäre Michael Stopford seinen Job los, wer wollte das verantworten.

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Sie haben den wunderbaren roten Weihnachtsmann vergessen, den Coca-Cola alljährlich auffahren lässt. Ein Maskottchen, wie es sich die NATO nur wünschen kann: Splitterbomben auf dem Gabentisch, Leuchtspurmunition am Baum und »Vom Himmel hoch« als...

Sie haben den wunderbaren roten Weihnachtsmann vergessen, den Coca-Cola alljährlich auffahren lässt. Ein Maskottchen, wie es sich die NATO nur wünschen kann: Splitterbomben auf dem Gabentisch, Leuchtspurmunition am Baum und »Vom Himmel hoch« als Hymne zum Bombensegen.

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Werner Hoffmann
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Aber der Mann ist rot gekleidet!

Uli Gellermann
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