Es ist immer die letzte Veranstaltung der Berlinale: Der "Friedensfilmpreis". Eine Gemeinde aus Filminteressierten und Friedensbewegten trifft sich Jahr für Jahr zu einem Kehraus der Festspiele. Manche Besucher der Veranstaltung sind noch stark von den hinter ihnen liegenden Filmen und Festivitäten gezeichnet, andere erhoffen sich, einen Zipfel vom Glanz der Berlinale zu erhaschen. Allen aber ist der Frieden etwas wert. Auch in diesem Jahr lief der "Friedensfilmpreis" wieder rund: Ein freundlicher Film der Regisseurin Dorota Kedzierzawska - "Morgen wird alles besser" - über den sozialen Frieden und warum die Grenzen zwischen Arm und Reich undurchlässig sind, wird Preisträger. Eine warmherzige Laudatio von Jasmin Tabatabai, die klug über die Aufhebung dieser Grenzen nachdenkt, bekommt reichlich Beifall. Außerdem die Grußworte: Das eine, von Dr. Dieter Lehmkuhl (Ärzte gegen den Atomkrieg), wußte zum latenten Unfrieden in Afghanistan klare Formulierungen zu finden: Nichts sei gut dort, eher wäre es im letzten Jahr schlechter geworden. Der andere Redner, Ralf Fücks, Chef der grünen Böll-Stiftung, sagte zu Afghanistan: NICHTS.

Im letzten Jahr hatte Fücks noch die Bischöfin Käßmann und ihr "Nichts-ist-gut in Afghanistan" angepöbelt und "friedenserzwingende Militäreinsätze" gefordert. Wenn Fücks sich in diesem Jahr mit feigem Schweigen raushielt (darin seiner Partei ähnlich, die sich bei der letzten Kriegs-Entschließung des Bundestages enthielt), dann kann das auch daran liegen, dass die Böll-Stiftung glaubt, den "Friedensfilmpreis" gut im Griff zu haben. Zwar wird immer noch der Eindruck erweckt, der "Friedensfilmpreis" sei jene Bürgerinitiative, die 1986 von diversen Berliner Friedensgruppen gestiftet wurde, doch die Initiative spielt kaum noch eine Rolle, nicht wenige ihrer Mitglieder sind ausgebootet worden oder protestierend ausgetreten, und die leere Hülle ist vom Geldgeber des Preises, der Böll-Stiftung, unfreundlich übernommen worden.

Begonnen hatte der Kampf um die Initiative, als Ulla Gorges, ein Mitglied des Preis-Trägerkreises, die Afghanistankriegs-Äußerungen des Vorstandes der Böll-Stiftung kritisierte. Dem begegnete die grüne Stiftung mit personellen Forderungen: Sie verlangte feste Plätze in der Friedensfilm-Jury und auch, dass die GRÜNEN-Politikerin Alice Ströver gefälligst einen dieser Plätze bekommen sollte. Proteste der Initiative-Mitglieder, die sich politisch nicht instrumentalisieren lassen wollten, konterten die GRÜNEN kühl damit, dass sie es seien, die schließlich das Geld für den Preis geben würden. Die weiteren Verhandlungen über die Zukunft des "Friedensfilmpreises" fanden ohne die Gründungsinitiative statt, die feindliche Übernahme durch die GRÜNEN gelang dann relativ geräuschlos.

"Deshalb", so schreibt der Filmemacher Christian Ziewer* in einer persönlichen Erklärung, "trete ich hiermit aus der Initiative Friedensfilmpreis aus." Und Ziewer spricht auch von einer "putschartigen Okkupation" und der "Unterwerfung einer aktiven, kreativen und hochmotivierten Initiativgruppe." Wie weit die politische Vereinnahmung des "Friedensfilmpreises" geht, zeigt die Äußerung eines Jury-Mitgliedes: Angesprochen auf die friedensfeindlichen Äußerungen des Ralf Fücks fiel der Dame jüngst ein, dass die Stiftung Haupt-Sponsor des Preises sei und deshalb von ihr nicht kritisiert werden könne. Was wie eine Berliner Polit-Posse erscheint, betrifft immerhin die bundesweit agierende Stiftung der grünen Partei. Und nicht zuletzt das wichtigste Festival der Bundesrepublik. Denn der "Friedensfilmpreis" segelt unter dem Etikett der Berlinale, die sich bisher als überparteilich und politisch unabhängig definiert hat.


*Mitgründer des Basis-Film-Verleih, Regisseur und Schauspieler, u. a. "Liebe Mutter, mir geht es gut", "Der Tod des weißen Pferdes".