Kati fährt Snow-Board. Kati guckt Sex in the City. Kati trinkt Baileys. Kati hört Pink. Kati trinkt gern Nespresso. Kati hat mehr als 40 Freunde. Kati könnte auch 500 Millionen Freunde habe. Wenn sie nur lange genug klicken würde. Denn Kati ist, wie weitere 4.999.999 Menschen, Mitglied bei Facebook. Kati hat dort ein Profil. Und dessen Daten lassen sich gut nutzen: Wer Baileys trinkt, sagt die Marketing-Korrelation, der isst auch Schoko-Riegel, wer zu Hause Nespresso trinkt, das ergibt die Korrelation, geht auch gerne zu Starbucks, und wer regelmäßig zu Starbucks geht, der verfügt über ein persönliches Netto-Budget (ohne Miete und andere ständige Ausgaben) von mindestens 700 Euro. Dem muss doch noch was anderes zu verkaufen sein. Facebook verkauft sich selbst am allerbesten: Man geht auf Investorensuche.

Früher, im analogen Zeitalter, schrieb Uwe der Doris Sprüche in ihr Poesiealbum. Zum Beispiel: Wer andern eine Grube gräbt, 
ist Bauarbeiter! Oder auch: Wer Schmetterlinge lachen hört, weiß wie Wolken schmecken! Nicht selten hatten diese Alben ein Schloss: Sie waren privat, sollten privat bleiben. Während heute Fred, ein Freund von Kati, allen mitteilt: "Manchmal weiß ich einfach nicht, wie ich auf Blödsinn reagieren soll. Ich kotze dann den Leuten direkt ins Gesicht. Dann hole ich meine im Hosenbund versteckte Panzerfaust heraus und . . ." Tja, was macht Fred mit seiner Panzerfaust? Vielleicht hat er ja den Wahlspruch von Mark Zuckermann, dem Gründer von Facebook gelesen: "Bewege Dich rasch und sei kühn". Wohin bewegen? Kühn für was? Kühn genug für 50 Milliarden, so viel ist Facebook heute etwa wert. Das ist zwar immer noch kein Inhalt, aber eine Menge Geld.

Das ist die Sorte Kühnheit, die Goldman Sachs liebt. Goldman Sachs? Das war doch eine der Banken, die heftig an der Finanzkrise gedreht hatten. Und die von der US-Börsenaufsicht beinahe wegen Betrugs angeklagt wurde. Man einigte sich gütlich: Goldman Sachs zahlte 550 Millionen Dollar Strafe. Weil sie nachweisbar der deutschen IKB Schrottpapiere angedreht hatte. Aber mit 12,2 Milliarden Dollar Gewinn in 2009 konnte Goldman Sachs die läppische Strafe aus der Portokasse zahlen. Jetzt steigt Goldman Sachs bei Facebook ein. Gerade hat man weniger als ein Prozent des Internet-Projektes erworben. Das ist nicht strafbar. Strafbar könnte es sein, dass Goldman Sachs weitere 1,5 Milliarden Dollar auf dem Markt einsammelt und mit diesem Geld als nur ein Aktionär auftritt. Obwohl jede Menge weiterer Investoren hinter dem Investment stehen (Mindesteinlage: 200 Millionen). Damit Facebook unter der Schwelle von 500 Eignern bleibt, denn erst dann wäre das Unternehmen gezwungen der Börsenaufsicht seine Geschäftszahlen zur Prüfung offenzulegen. Mit dem neuen, frischen Geld steigt außerdem der Wert des eigenen Anteils, ohne dass es irgendeinen realen Grund gibt. Regeln? Kontrolle? Weit gefehlt.

Katis persönliche Welt ist virtuelles Kapital: Die soziale Interaktion, scheinbar privat, wird zur Ware. Seit Juli 2010 sind die Datenwelten von Facebook und dem Onlinehändler amazon verknüpft: Katis Buchwunsch, den sie auf die Facebook-Pinnwand gepostet hat, kann jetzt auch vom amazon gelesen werden. Sollten Katis Freunde nicht zusammenlegen und ihr den Buchwunsch bei amazon erfüllen? Na, klar der Online-Versender kann diesen und andere Wünsche schnell bedienen, denn er kennt sie ja schon. Kati wird, wenn Facebook im nächsten Jahr an die Börse gehen sollte, wahrscheinlich keine Aktie kaufen. Es entspricht nicht ihrem "Profil". Wenn doch, erwirbt sie ein durch Manipulationen überteuertes Papier. Das kann sie dann an die Facebook-Pinnwand hängen. Aussteigen kann Kati nicht. Denn dann hätte sie ja keine Freunde mehr. Da bewegt sich Kati lieber rasch und fügt den alten Freunden ein paar neue hinzu. Das fühlt sich cool an. Und vielleicht sogar kühn. Goldman Sachs sollte Kati ein Dankschreiben schicken.