Da tagen sie nun, im barocken Schloss Gödöllö, unweit von Budapest, die Finanzminister der EU. Und natürlich beschließen sie mal wieder den Schirm aufzuspannen. Denn es regnet Schulden. Diesmal, so liest und hört man es aus den Medien, geht es um die Schulden Portugals. Und es werden so um die 80 Milliarden Euro sein, die man rüberschieben will. Natürlich sind es nicht die Schulden "der" Portugiesen. Es sind die Schulden, portugiesischer Unternehmen, Banken und staatlicher Einrichtungen. Und vor allem: Hauptgläubiger sind im portugiesischen Fall spanische Banken, die Kredite von rund 70 Milliarden nach Portugal vergeben haben. Der Rettungsschirm gilt also, wie schon in den deutschen und irischen Fällen, den Banken.

Es gibt kaum ein besseres Geschäftsmodell als das Banken-Staat-Rettungs-Paket. Die Bank verleiht Geld. Natürlich spekuliert sie auf Gewinn. Wenn sie welchen macht: Prima. Macht sie Verluste: Zahlt der Staat, sprich, der Steuerzahler. Und regelmäßig verlautbaren die Staaten der Europäischen Union, dass man leider den Banken helfen müsse, denn wenn denen nicht geholfen würde, dann sei uns allen nicht mehr zu helfen. Das hören die Banken gern. Auch wenn die spanischen Banken über den portugiesischen Umweg gerettet werden sollten: Eine geplatzte Immobilienblase, ein Risikoaufschlag bei spanischen Staatsanleihen und ein Nullwachstum lassen die spanische Wirtschaft wahrscheinlich zum nächsten Schirm-Empfänger werden.

Doch die Reihe der Schirm-Anwärter wird größer. Das Modell lockt auch italienische Profiteure. Denn der Schuldenberg Italiens reicht an die zweite Billion. Und im Windschatten Spaniens und Italiens pirscht sich Belgien an den Schirm heran: Dort ist der Staatshaushalt zu 100 Prozent verschuldet. Zwar scheint der europäische Rettungs-Fonds mit 750 Milliarden gut gefüllt zu sein, aber die Länder, die ihn speisen können, werden immer weniger. Noch funktioniert die EU-AG für ihre Besitzer, die Banken, ganz hervorragend: Die braven Vorstände der Europa Aktien-Geselschaft, die diversen nationalen Regierungen, sichern die Spekulationsgeschäfte ab und die Angestellten der AG, ihre Bürger, zahlen mit Kürzungen im Sozialbereich oder mit einer inflationären Entwicklung.

Es war vor Jahrzehnten in Gödöllö: 1944 konnten sich einige wenige Juden vor ihrer Deportation auf dem Anwesen eines Antifaschisten verstecken. Anders als die halbe Million ungarischer Juden, die von Deutschen und der ungarischen Miliz in den Tod geschickt wurde. Von der aktiven ungarischen Beihilfe zum Holocaust will die ungarische Regierung, die zur Zeit den Vorsitz des europäischen Rates führt, nichts wissen. Satt dessen konnte man von einer Beraterin des jetzigen ungarischen Regierungschefs Viktor Orban lesen, dass der Holocaust ein "marginaler Gesichtspunkt" des zweiten Weltkrieges war. Ein von der Orban-Partei verliehener Kulturpreis fiel jüngst an einen Mann, der die Juden bezichtigte, sie würden Ungarn "ins Becken rotzen". Der Abgeordnete der Regierungspartei Fidesz, Oszkar Molnar, verstieg sich sogar ungestraft zu der Behauptung, dass das "jüdische Großkapital die ganze Welt und auch Ungarn übernehmen möchte, dass eine große jüdische Einwanderung zu erwarten ist und viele Kinder in Jerusalem deshalb bereits Ungarisch lernen".

Im Schloss zu Gödöllö tagt die Europa AG und rettet mal wieder die Banken. Der wachsende Antisemitismus in Ungarn ist kein Thema der Union. Dass Ungarn, in seiner jetzigen Verfassung, nie Mitglied der EU hätte werden können, steht nicht auf der Tagesordnung. Die weitere Entpolitisierung der EU zugunsten des Finanzmarktes schreitet fort. Dass die europäische Gemeinschaft mit Demokratie, mit Menschenrechten zu tun haben sollte, wird ausgeblendet. Aber wozu braucht ein Kredit-Institut auch Demokratie. Die ist beim Verteilen von Rettungsschirmen eher hinderlich.