Sie waren verantwortlich, sagte der Richter, sie werden zum Tode verurteilt. Ich bin der Präsident des Landes, antwortete ihm der Mann, und wer bist Du? Es ging um ein Dorf, mehrere hundert Einwohner waren ermordet worden, Frauen Kinder, Greise. Viele der Menschen trugen Spuren der Folter, manche der Frauen waren vergewaltigt worden, ob vor oder nach ihrem Tod, das konnte nie geklärt werden. Die Armee hatte versucht, den Vorfall zu vertuschen, die Medien des Landes berichteten in diesen Tagen nicht darüber. Es galt als unpatriotisch. Und jetzt dieses Gericht, weder international noch in Wahrheit national legitimiert, das den damaligen Präsidenten verurteilte.

Sicher, es gab noch genug weiteres Material gegen ihn: Gift hatte er gegen seine Feinde einsetzen lassen. Die Zahl der Toten war schwer zu ermitteln, das Gift findet sich bis heute in Pflanzen und Tieren, Menschen die davon essen, zeugen kleinwüchsige und schwachsinnige Kinder. Ungerührt nahm der Präsident die Vorwürfe hin. Völker- und Menschenrechte hatten ihn noch nie sonderlich interessiert. Das Gericht, von einer Besatzungsmacht installiert, bezeichnete er als illegitim. "Alles Schlitzaugen", soll er zu Beginn des Verfahrens gesagt haben.

So oder so ähnlich hätte sich ein Prozess-Bericht gegen Richard Nixon, Präsident der USA zu Zeiten des Vietnamkrieges, lesen lassen, wenn die Vietnamesen ihren Krieg gegen die Amerikaner auch auf deren Territorium gewonnen hätten. Das Dorf hieß My Lai und das Massaker war nicht weniger schlimm als jenes in der Stadt Dudschail, dessentwegen Saddam Hussein, der ehemalige Präsident des Irak, zum Tode verurteilt worden ist.

Als das Massenmorden von My Lai sich nicht mehr vertuschen ließ, wurden vier Soldaten vor ein Militärgericht gestellt. Lediglich der befehlshabende Offizier Calley wurde von einem Gericht zu lebenslanger Zwangsarbeit verurteilt, aber durch den damaligen US-Präsident Richard Nixon zu drei Jahren Hausarrest begnadigt. Nixon war, wie jeder US-Präsident, natürlich Oberbefehlshaber der Armee. Die Toten, Vergewaltigten und Gefolterten waren ausnahmslos Zivilisten.

Auch die Giftgasangriffe des irakischen Diktators auf irakische Kurden kommen fast an die Quantitäten der Kampfstoffeinsätze der US-Armee in Vietnam heran: Rund 80 Millionen Fässer Dioxin wurde von der amerikanischen Luftwaffe über Vietnam abgekippt. Hunderttausende Menschen erkrankten schwer an "Agent Orange", der orangefarbenen Behälter wegen so genannt, die Zahl der Toten ist kaum festzustellen.

Es ist nicht so, dass die US-Justiz die Schädlichkeit von "Agent Orange" nicht anerkennen würde: Etwa 15.000 Vietnam-Veteranen wurden in einem außergerichtlichen Vergleich 180 Millionen Dollar an Wiedergutmachung zuerkannt. Aber den Schlitzaugen, den Nachfahren des Vietcong, dem ehemaligen Gegner, wird kein Recht zugesprochen.

Für die vergifteten Böden, für die Toten, den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg, die Spätfolgen in der dritten Genration, für all das kam bisher keine US-Instanz vor Gericht, gab es keine Strafen und keine Entschädigungen. Bis heute verweigern die USA einem internationalen Gerichtshof, der auch ihre Verbrechen verfolgen könnte, ihre Zustimmung.

Nur so kann die "Pax Americana", die "Demokratisierung" irgendwelcher Gegenden, in denen die USA ihre Interessen verfolgen, begriffen werden: Als ein weitgehend straffreier Raum für US-Amerikaner, in der Gegner der USA gnadenlos verfolgt werden dürfen. Manchmal sind sogar richtige Kriminelle darunter.

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