So nebenbei gab es jüngst einen fundamentalen, aber kaum beachteten Kurswechsel in der deutschen Aussenpolitik. Das seit langem geschmähte Russland, von der Bundesregierung gegeißelt wegen mangelnder Menschenrechte, vom Bundespräsidenten abgestraft durch seinen Olympia-Boycott, in den Mainstream-Medien der Diktatur verdächtigt, wird durch einen Satz der stellvertretenden Sprecherin der Bundesregierung, Christiane Wirtz, geadelt: "Die Voraussetzung dafür, dass Herr Snowden in Deutschland Asyl bekommen könnte, liegt nicht vor". Und sie kann sich dabei ausschließlich auf den Artikel 16a, 1  des Grundgesetzt berufen: "Politisch Verfolgte genießen Asylrecht", heißt es dort. Also wäre eigentlich alles klar mit dem Asyl für den verdienstvollen Whistleblower. Wenn es da nicht eine Einschränkung gäbe, den Absatz 2 im selben Grundgesetz-Artikel.

Im Absatz 2 wird eine einzige Ausnahme vom Asylrecht wie folgt beschrieben: "Auf Absatz 1 kann sich nicht berufen, wer aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft oder aus einem anderen Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist." Da isser, der Persilschein für Putin: Der steht nun neuerdings einem Land vor, in dem "Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt" sind. Also kann man, leider, leider, kein Asyl für Snowden gewähren. Zeitgleich erwägt der Generalbundesanwalt Ermittlungen wegen des ausgespähten Handys der Kanzlerin. Nicht wegen der Millionen anderer Deutscher, deren persönliche Daten in Obamas dunklem Keller lagern. Doch immerhin, es werden Ermittlungen gegen die NSA erwogen. Wenn der Generalbundesanwalt es ernst meint, muss er mit Snowden reden. Auf dem Boden der Bundesrepublik. Man darf gespannt sein, wie der Antrag Snowdens auf Aysl beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge aufgenommen wird.

Ganz so groß ist die Spannung dann doch nicht, denn das Migrationsamt untersteht dem Bundesinnenminister Thomas de Maizière. Der hat jüngst die Obama-Narkose-Rede zur NSA als "gute und wichtige Rede" bezeichnet und davor gewarnt, sich zu sehr auf die NSA zu konzentrieren. Bei Thomas de Maizière lässt die Konzentration immer nach, wenn es um Demokratie geht. Und während die CDU mauert, kann man sich an Äußerungen von SPD-Politikern zum Snowden-Komplex nur aus der Vorwahlzeit erinnern. Die braven Oppermänner, noch im Sommer gern in der Rolle der brutalen NSA-Aufklärer, sind verstummt. Auch vom Präsidenten der Freiheit, Joachim Gauck, ist kein Wort zu hören. Vielleicht fährt er, um dem Grundgesetz genüge zu tun, nun doch nach Sotschi.

Doch während das amtliche Deutschland mit der Besserung des russischen Images beschäftigt war, hätte das erste deutsche TV-Programm, beinahe, fast, ungefähr, die Ehre der deutschen Medien gerettet: Es gab ein Snowden-Interview. Das "Beinah" lag an der Sendezeit nach 23.00 h, traditionell sackt um diese Zeit die Quote in den Keller. Das "Fast" lag dann auch noch darin, dass die englische Originalfassung im Internet dem "Geoblocking" unterlegt: Ausländer können sie nicht abrufen. Vorgeblich aus rechtlichen Gründen. Man ist behutsam wenn es um die USA geht. Aber vielleicht ist ja das nächste Interview mit Wladimir Putin. Der könnte dann Fragen zum Asylrecht beantworten.

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Das mit dem "Persilschein" für Putin ist natürlich ironisch gemeint. Sie versuchen mit solchen Wendungen die Tatsache zu ignorieren, dass Snowden kein Asyl bekommen kann, weil er kein politisch Verfolgter ist. Der Mann hat seinen Arbeitgeber...

Das mit dem "Persilschein" für Putin ist natürlich ironisch gemeint. Sie versuchen mit solchen Wendungen die Tatsache zu ignorieren, dass Snowden kein Asyl bekommen kann, weil er kein politisch Verfolgter ist. Der Mann hat seinen Arbeitgeber beklaut. That´s it.

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Hans-Werner Schmittke
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Ironie basiert auf Wahrheit. Davon abgesehen war und ist das herrschende Recht das Recht der Herrschenden. Wer ein "politisch Verfolgter" ist, bestimmen de jure sie - de facto sind Millionen Menschen ganz anderer Auffassung (sh. Brasilien).
Der...

Ironie basiert auf Wahrheit. Davon abgesehen war und ist das herrschende Recht das Recht der Herrschenden. Wer ein "politisch Verfolgter" ist, bestimmen de jure sie - de facto sind Millionen Menschen ganz anderer Auffassung (sh. Brasilien).
Der Arbeitgeber der Mitglieder von Regierungen, der staatlichen Einrichtungen - auch der Geheimdienste - in einer Demokratie ist das Volk. Sie alle sind lediglich unsere Angestellten, die von uns entlohnt werden. Snowden hat als Teil des amerikanisches Volks "Verfehlungen" dieser Angestellten aufgedeckt, die gegen den Arbeitgeber gerichtet waren. Und wie, lieber Herr Schmittke, kann man sich selbst beklauen?

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Klaus Wallmann sen.
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Uli Gellermann
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Das Interview von Snowden auf ARD fällt unter die typische demokratische Mimikry: Keiner soll sagen, das öffentlich-rechtliche Fernsehen würde nicht mit Snowden reden. Aber bitte nach 23.00 Uhr. Peinlich.

Irene Bergmann
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Sehr gut beschrieben Herr Wallmann, wir sind das Volk und die Herrschenden sind unsere gewaehlten Angestellten.
Unrecht der Herrschenden muss Aufgedeckt werden !

Pat Hall
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Mit faellt hierzu nur ein Zitat vom Old Schwurhand Fiedrich Zimmerman( das ist der der mit dem "ich war unterzuckert" von einem Meineid davon gekommen ist) ein: "Gewaltloser Widerstand ist Gewalt."
Wer also aufgrund der NSA Schnueffelei das...

Mit faellt hierzu nur ein Zitat vom Old Schwurhand Fiedrich Zimmerman( das ist der der mit dem "ich war unterzuckert" von einem Meineid davon gekommen ist) ein: "Gewaltloser Widerstand ist Gewalt."
Wer also aufgrund der NSA Schnueffelei das Internet meidet, den Stecker rauszieht und einfach bar bezahlt oder Radio hoert, der macht sich strafbar und kann unter Umstaenden mit der Einweisung in ein Konzentrationslager ala Guantanamo rechnen. Den Hanseln in Berlin trau ich alles zu.

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Joe Bildstein
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Sehr kenntnisreich und scharfsinnig argumentiert. Auf dieses Bloßstellen der Heuchelei innerhalb des Rechts müsste der Rechtsstaat eigentlich betroffen reagieren. Eigentlich.

Daniela Dahn
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Zum Leserbrief von Werner Schmittke

Eldridge Cleaver hat Ihre Sicht recht prägnant auf den Punkt gebracht: "You´re either part of the solution or you´re part of the problem."

Rainald Irmscher
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Uli Gellermann
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Die Deutsche Bundesregierung fühlt sich für immer und ewig viel mehr den USA als allem anderen "verpflichtet" - NSA-Spionage hin oder her ....
Insofern war es ja wohl kaum anders zu erwarten, als daß die Deutsche Bundesregierung - speziell und...

Die Deutsche Bundesregierung fühlt sich für immer und ewig viel mehr den USA als allem anderen "verpflichtet" - NSA-Spionage hin oder her ....
Insofern war es ja wohl kaum anders zu erwarten, als daß die Deutsche Bundesregierung - speziell und sowieso im Besonderen - unter Angela Merkel -
dem "illoyalen" Edward Snowden KEINEN Schutz anbieten würde (also wo kämen wir denn hin?).
Es sind bestimmt wie immer die berühmten "Sachzwänge" - mit denen sich im Fall des Falles immer alles begründen. läßt. Jedoch wie beschämend!

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Brigitte Mensah-Attoh
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Uli Gellermann
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Ich würde zu gerne das herrschende Regime dafür loben, Einsicht zu zeigen, und den Vorschlag von Norwegen zu unterstützen, Herrn Snowden den Friedensnobelpreis zuzuerkennen.

Rainer Weber-Thammasut
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Werte Gemeinde,

vielleicht sollte Herr Ulrich Gellermann auch verraten, dass er das BRD-Recht mit guter Alimentierung als Richter in Berlin vertritt, obwohl das Grundgesetz keinen Geltungsbereich mehr hat (Art. 23 a. F. erloschen), das Personal...

Werte Gemeinde,

vielleicht sollte Herr Ulrich Gellermann auch verraten, dass er das BRD-Recht mit guter Alimentierung als Richter in Berlin vertritt, obwohl das Grundgesetz keinen Geltungsbereich mehr hat (Art. 23 a. F. erloschen), das Personal der BRD-GmbH seine Grund- und Menschenrechte nicht durchsetzen kann, wenn es darauf ankommt, das Urteil des BVerfG vom 25.07.2012 (BvE 5/11, 9/11) die Legitimierung aller BRD-Organe aufgehoben hat und die Bereinigungsgesetze von 2006 und 2007 dem gesamten Justizwesen, der gesamten Verwaltung (d. h. allen sog. "Ämtern"), dem BRD-Gesetzgeber durch die Abschaffung weiterer Geltungsbereiche von OwiG, ZPO, StPO jegliche Legitimation entzogen wurden (auf Weisung der Besatzungsmächte an die Justizministerin und ohne Zustimmung des Bundesrates) nach dem Sürmeli-Urteil der EMRK aus dem Jahre 2005, welche die Rechtsbrüche der BRD-NGO-Vereinigtes Wirtschaftsgebiet-betrügerische Treunhandverwaltung mit antideutscher Fremdverwaltung (Deutschland als US-Kolonie bzw. britische, CoL) nicht mehr ertragen kann. Und letzteres wollen auch wir nicht mehr. Da nutzt all die rationale Schaumschlägerei um ein nicht existierendes Grundgesetz (keine Verfassung für das deutsche Volk bisher) und das Scheinproblem um den Schneemann der NSA nichts. Diese Doppelmoral der Juristen ist derart kriminell, dass einem die Worte fehlen.

Viele Grüße an all diejenigen, welche endlich erwachen sollten -

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Donna Weather
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Sie haben den ESM-Rettungssschirm vergessen, der natürlich ebenfalls die Souveränität Deutschlands erheblich einschränkt. - Aber mir geht es um das Asyl von Snowden, ganz sicher ist der kein Schneemann sondern jemand, der Augen öffnet.

Uli Gellermann
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