Ein düsterer Wahn umweht Regierungs- und Medienzentralen in Berlin. Ein Wahn von Waffen, von Wichtigkeit und von Weltgeltung. Kaum jemand hat diesen Wahn bisher besser zusammengefasst als Frank Wahlig vom ARD-Hauptstadtstudio: "Die Front wird Wirklichkeit", ruft der Mann dem Zuschauer zu, "Deutschland liefert Waffen. Nur die Üblichen rufen weiter nach Gebetskreisen, Aspirin und Bäckereien und nach einem Abwarten, dass das Morden weiter ermöglicht. Das ist ein Politikwechsel. Deutsche Waffen in Kriegsgebiete: Das wird von jetzt an kein Tabu mehr sein. Dieser Bruch ist notwendig." Waffen in den Irak, das ist der nächste Schritt triumphierender "deutscher Verantwortung", der nächste Schritt deutscher Großmannssucht in die Abgründe internationaler Kriege.

Doch nicht nur am Rand der politischen Macht, nicht nur in den Medien schreit es nach bewaffneter Bedeutung. Auch aus dem CDU-Strippenzieher Volker Kauder spricht die Besoffenheit der Geltungssucht: "Die Interessen unseres Landes" sagt er mit Blick auf den Kriegseinsatz im Irak, "und unsere Werte sind nicht immer deckungsgleich. Man kann sie nicht gegeneinander ausspielen." Was die deutschen Werte sind, das steht im Grundgesetz und seinem Gebot der Landes-Verteidigung. Was die deutschen Interessen sein sollten, sagt die deutsche Bevölkerung beharrlich in den Umfragen: Kein Soldat, keine Waffen ins Ausland. Doch der wirre Kauder - flankiert vom geschwollenen Gauck bis zum kranken Ehrgeiz der von der Leyen, die eine "Bereitschaft zum Tabubruch" fordert - ist an den Deutschen nicht interessiert. Er trifft sich mit dem schrillen Ton des ARD-Hauptstadtstudios: "Das deutsche Volk ist überwiegend gegen Einmischung und Verantwortung. Lichterketten wären sicherlich die leichtere Alternative". Sie scheissen auf das Volk. Und pflegen ihren Wahn.

"Die sehr gute Trefferquote der MILAN und die leichte Schulung der Richtschützen machte sie zu einem der weitestverbreiteten Lenkflugkörper weltweit." So steht es im Verkaufsprospekt des handlichen Raketenwerfers, der demnächst aus Bundeswehr-Beständen in den Irak geliefert werden soll. Das Wort heißt WEITESTVERBREITET. Mal haben die Franzosen viele praktische MILANs im Wert von 168 Millionen Euro an die Gaddafi-Regierung geliefert. Dann wiederum machten die Diktaturen Saudi Arabiens und Katars viele MILANs der libysche Opposition gegen die Regierung zum Geschenk. Gesichtet wurde die mobile Wunder-Waffe auch schon bei der libanesischen Hisbollah-Miliz, im Tschad und ebenfalls in Syrien: Dort hantiert die oppositionelle, islamistische Al-Nusrah-Front - bis zum Streit mit dem eben noch befreundeten "Islamischen Staat (IS)" - mit dem Todes-Gerät wie ein Video belegt. Treffen demnächst im Irak MILANE auf MILANE? Erklimmt die wahnwitzige "deutsche Verantwortung" bald die gefährlich verblödeten Höhen der USA? Denn mit deren im Irak irgendwie hinterlassenen Militärzeugs terrorisiert der "Islamische Staat" zur Zeit jene Menschen, deretwegen das unverantwortliche Deutschland aus "humanitären" Gründen erstmal Waffen liefern will.

Es werden die üblichen humanitären Gründe gewesen sein, mit denen die Kanzlerin sich bewaffnet hatte, als sie jüngst Lettland besuchte. Die Beistandspflicht der Nato stünde nicht nur "auf dem Papier" versicherte sie mit Blick auf die Ukraine, sie müsse "im Zweifelsfall natürlich auch mit Leben gefüllt werden". In Riga hätte sie gut Raimonds Graube treffen können. Der ist nicht nur Generalleutnant und Befehlshaber der lettischen Streitkräfte, der nimmt auch gern an Veranstaltungen lettischer SS-Veteranen teil. Solche Treffen, wie auch der jährliche Zug der "Lettischen Legion", ein SS-Gedenkmarsch durch Riga, werden den Regierenden notwendig sein, um jenes Drittel der Bevölkerung in Lettland zu bedrohen, der man Russisch als zweite Amtssprache ebenso verweigert wie die volle Staatsbürgerschaft. Mit diesem Problem der Russo-Phonie hat auch der ukrainische Präsident zu tun, den die Merkel als nächsten besuchte. Schon vorab hatte Regierungssprecher Seibert verkündet, bei den Gesprächen gehe es darum, Wege zu finden, um die Ukraine im Kampf gegen die Aufständischen zu unterstützen. Sollen nur MILANs aus den Restbeständen der Bundeswehr nach Kiew geliefert werden, um den Mord an der russischen Bevölkerung zu beschleunigen? Immerhin sieht das umnachtete EU-Ukraine-Assozierungsabkommen ja die militärische Zusammenarbeit und den gemeinsamen Anti-Terror-Kampf der Partner vor. Im Zweifelsfall wird sich Deutschland für eine mit Nazi-Ministern geschmückte Regierung einsetzen. Zumindest Geld sollte sich für den humanitären Bündnisfall finden lassen.

Das sieht auch der CDU-Bundestagsabgeordnete Patrick Sensburg im Irak-Fall so: "Es ist nicht damit getan, einfach Waffen zu liefern“. Sensburg will Bundeswehrsoldaten schicken. Nicht weit von ihm entfernt winkt der Grünen-Außenpolitiker Nouripour mit der Luftwaffe: "Natürlich kann auch das Militärische eine Rolle spielen, vor allem aus der Luft. Immer von deutscher Verantwortung in der Welt zu sprechen, und dann sich in die Büsche schlagen, wenn es ungemütlich wird, das geht nicht." Der grüne Militär-Experte Cem Özdemir weiß genau, dass man der deutschen Verantwortung im Kampf gegen den "Islamischen Staat" nicht "mit der Yoga-Matte" gerecht werde. Im verstörten Sprachgebrauch der Waffen-Narren verbleibt auch Aussenminister Steinmeier in einem Brief an die SPD-Abgeordneten: Es reiche nicht den kurdischen Kämpfern „anerkennend auf die Schultern zu klopfen“. Wer vorschnell Nein sage zu Waffen, „macht es sich zu leicht“.

Der gewöhnliche deutsche Kriegs-Irre macht es sich ähnlich schwer wie die USA: Politische Probleme werden grundsätzlich mit Waffen gelöst. Die Erfolge sind weltweit zu besichtigen. Die Insassen der Rüstungs-Anstalt setzen auf Risiko. Und während sie anderer Leute Leben aufs Spiel setzen, halten sie sich für toll: Für Tabubrecher, für Vertreter deutscher Interessen, für Träger schwerster Verantwortung. So geht Paranoia. Gegen ihre aggressive Form hilft nur Wegsperren.

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Anders als Sie behaupten hat Frau Merkel bei ihrem Besuch in Kiew alles getan, um die Lage zu beruhigen.

Georg Lenkest
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Ihre Information darüber wo die MILAN schon überall war macht den ganzen Irrsinn der Waffenlieferung deutlich: Wem die Waffen letztlich in die Hände fallen weiß keiner. Hinzu kommt ganz zufällig, dass sich Deutschland, nachdem wir uns klugerweise...

Ihre Information darüber wo die MILAN schon überall war macht den ganzen Irrsinn der Waffenlieferung deutlich: Wem die Waffen letztlich in die Hände fallen weiß keiner. Hinzu kommt ganz zufällig, dass sich Deutschland, nachdem wir uns klugerweise vor Jahren rausgehalten haben, jetzt doch im Irak einmischt. Ihr Skizze deutscher Großmannssucht ist leider nur zu wahr.

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Lisa Kleinschmidt
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Der Wahn ist kurz, die Reue lang,
die Wahrheit geht wieder mal betteln.
Die Heuchler gehn auf Kundenfang,
wer Waffen baut, der setzt auf Zank
und liebt, ihn anzuzetteln.

Lutz Jahoda
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Ein Glanzstück, lieber Uli!

Ein Zusatz vielleicht: Jetzt hat die SPD auch noch ihrer selbst-viel-gepriesenen Pluralität Genüge getan. Das Nordlicht Stegner sorgt sich, dass "die" Kurden deutsche Waffen hernach für einen Unabhängigkeitskampf...

Ein Glanzstück, lieber Uli!

Ein Zusatz vielleicht: Jetzt hat die SPD auch noch ihrer selbst-viel-gepriesenen Pluralität Genüge getan. Das Nordlicht Stegner sorgt sich, dass "die" Kurden deutsche Waffen hernach für einen Unabhängigkeitskampf nutzen könnten...

Eine kleine Kritik sei auch erlaubt: Wegsperren hilft nicht. Wir müssen weiter sinnen.

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Johannes Maria Becker
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Ach wie "beruhigend" Herr Georg Lenkest, dann kann man sich ja auch auf dem Sofa zurück lehnen denn die Kanzlerin hat ja alles getan was sie konnte?
Diese Marionette verrät das deutsche Volk und Sie sind damit zufrieden?
OK,soweit Ihre Meinung....

Pat Hall
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Der von Ihnen verwandte Begriff "Großmannssucht" verschleiert die wirkliche gesellschaftliche Ursache. Ansonsten wieder ein guter Artikel.

Klaus Wallmann sen.
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Diesen Waffenwahn hat Helmut Dietl in Kir Royal schon mit der Folge der Königin Kathi vorausgeahnt: Der machbare Krieg - wie lehren wir das Volk in allen Staaten dieser Erde unseren Regierungen auf die Finger zu klopfen: keine Waffen mehr zu...

Diesen Waffenwahn hat Helmut Dietl in Kir Royal schon mit der Folge der Königin Kathi vorausgeahnt: Der machbare Krieg - wie lehren wir das Volk in allen Staaten dieser Erde unseren Regierungen auf die Finger zu klopfen: keine Waffen mehr zu produzieren, zu exportieren und vor Alem sie nicht mehr zu einzusetzen.

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Roland Georg Liebaug
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Georg Lenkest meint:

"Anders als Sie behaupten hat Frau Merkel bei ihrem Besuch in Kiew alles getan, um die Lage zu beruhigen."

Können Sie das mal näher erläutern, was für Sie „alles getan“ ist? Leere Worte? Sie hätte ja schwerlich sagen können:...

Georg Lenkest meint:

"Anders als Sie behaupten hat Frau Merkel bei ihrem Besuch in Kiew alles getan, um die Lage zu beruhigen."

Können Sie das mal näher erläutern, was für Sie „alles getan“ ist? Leere Worte? Sie hätte ja schwerlich sagen können: Nur weiter so, „Mr. President“, wie können wir Sie am besten mit Waffen bedienen? Also, WAS hat sie Bedeutendes getan?

Nicht zu fassen, wie Sie glauben, dass der Mond ein Eierkuchen ist. Anders: Dass es ach so hilfreich im Sinne von Frieden ist, dass Merkel nach Kiew reiste und ein gar „strenges Wort“ gesprochen hat. Mit nettem Gastgeschenk von 500 Millionen. So als Darlehen. Wohl „für die Tonne“ auf Nimmerwiedersehn. Wie wäre es denn gewesen, wenn sie den Oligarchen zur Eigenleistung aufgefordert hätte? Diese Gelder selbst zu erbringen, da er ja doch so sehr um das Wohl des Volkes bemüht sei? Aber gut schleimen kann der Typ. Keiner weiß so gut wie Merkel um die Probleme… Wie sagte sie noch, als die Maidan Aufstände begannen und sie noch den Boxer hätschelte? Eine Regierung, die auf ihr eigenes Volk schießen würde, keine Daseinsberechtigung besäße? Beim Schoko-Mann ist das wohl anders? Oder ist das nicht sein Volk, auf das er da täglich anlegen lässt?

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Ingrid Böhm-Duwe
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Hallo Zusammen,
könnte es sein, dass unsere Massenmedien die Poltiker vor sich hertreiben oder unsere Bündnispartner mehr deutsche Verantwortung in der Welt sehen wollen?

Ich habe kein Problem mit Waffenlieferungen, sehe aber ungern ein Erstarken...

Hallo Zusammen,
könnte es sein, dass unsere Massenmedien die Poltiker vor sich hertreiben oder unsere Bündnispartner mehr deutsche Verantwortung in der Welt sehen wollen?

Ich habe kein Problem mit Waffenlieferungen, sehe aber ungern ein Erstarken der deutschen Rüstungsindustrie.

Wir müssen uns vor Augen führen, dass am Anfang alles relativ unscheinbar aussieht, sich über die Jahrzehnte so sehr verstärkt, dass die Veränderungen in der Gesellschaft nicht mehr zurückzudrehen sind.

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Thomas Müller
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Friedhelm Klinkhammer war vordem Gesamtpersonalratsvorsitzender des NDR und zeitweise persönlicher Referent der Direktorin des NDR-Landfunkhauses Niedersachsen. Er kommentiert in einem Brief an die ARD die Rede des ukrainischen Präsidenten zum...

Friedhelm Klinkhammer war vordem Gesamtpersonalratsvorsitzender des NDR und zeitweise persönlicher Referent der Direktorin des NDR-Landfunkhauses Niedersachsen. Er kommentiert in einem Brief an die ARD die Rede des ukrainischen Präsidenten zum "Unabhängigkeitstag" wie folgt:

Sehr gehrte Damen und Herren,
der Präsident der Ukraine feierte gestern den Unabhängigkeitstag seines Landes mit großen Worten und militärischem Pomp.
Wie so oft in letzter Zeit machten Sie aus Ihrer Sympathie zum Präsidenten keinen Hehl, auch wenn der über seine derzeitigen Neonazi-Helfer in Armee und Gesellschaft und über die Nazi-befleckte Vergangenheit seines Landes schamlose
Wertschätzung äußerte.

Hier eine Kostprobe:
Auszug aus Poroschenkos Rede.

„Unsere Streitkräfte, die Nationalgarde, die Grenztruppen und die Freiwilligen-Bataillone folgen verdienstvoll dem militärischen Ruhm der alten fürstlichen Militärverbände und den Zaporoschener Streitkräften, den Schützen des ukrainischen Sitsch und den Soldaten der Ukrainischen Aufstandsarmee, der Armee der ukrainischen Volksrepublik, und der Ukrainer, die in der Zeit des Zweiten Weltkrieges die Ukraine vor den Reihen der Roten Armee geschützt haben. Die Wahrheit über den Sieg der Beteiligten an der Antiterroristischen Operation wird mit goldenen Buchstaben in die militärische Geschichte der Ukraine eingeprägt sein.“

Anmerkung von mir: Es sind nun fast 73 Jahre her, dass die deutschen Mörder und ihre ukrainischen Hilfstruppen (das waren die, die das Land vor der Roten Armee schützten) innerhalb weniger Tage 30 000 Juden in der Schlucht von Babi Jar, am Rande von Kiew, ermordeten.
Dass wir hierüber nichts, rein gar nichts, erfahren, ist ein weiteres Indiz dafür, dass insbesondere bei TS/TT journalistisch unvertretbar schlampig, einseitig und propaganda-beladen berichtet wird.
Denken Sie mal darüber nach, inwieweit Sie mit der Art Ihrer Berichterstattung auch das Geschäft von Neo-Faschsisten und ihren Sympathisanten befeuern. Aber ich bezweifele inzwischen Ihre Fähigkeiten zur Selbstreflektion.

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Friedhelm Klinkhammer
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