Seit Wochen debattieren die deutschen Medien über den Bestand der großen Koalition. Ein hämischer Ton von Abrechnung klingt aus den Kommentaren: »Die können das nicht«, so lautet der Grundtenor, »Die sollen sich auflösen und Neuwahlen ausschreiben«. Genüsslich wird eine Studie des Genfer Wirtschaftsforums zitiert, nach der die Bundesrepublik im internationalen Ranking um zwei Plätze zurückgefallen ist, nicht zuletzt, weil andere Länder, zum Beispiel die Schweiz, eine bessere Infrastruktur und kräftige technische Innovationen aufweisen. Um den Rücktrittsforderungen entschieden entgegenzutreten, hat die RATIONALGALERIE einzelne Ministerien untersucht. Die Ergebnisse liegen jetzt vor.

Nur weil die Krankenkassen teurer werden sollen und deren Leistungen schlechter steht Ulla Schmidt im Zentrum des allgemeinen Rücktrittsgeredes. Die gelernte Aachenerin, deren fröhlicher Ton uns alle an die Verleihung des Ordens wider den tierischen Ernst erinnert, hat sich um die deutsche Wirtschaft verdient gemacht: Die mittelständischen Apotheker und die Pharma-Großindustrie blieben bei der Sanierung des maroden Gesundheitswesen außen vor, dieser Respekt vor dem privaten Eigentum sichert unbedingt den Standort Deutschland. Auch wenn Kritiker der Gesundheitsministerin ihr vorhalten, dass die Arzneimittel in Spanien durchschnittlich um 30 Prozent preiswerter sind, muss man doch daran erinnern, dass die Spanier keinen Kaffee kochen können. Und ein guter Kaffee ist fraglos die beste Gesundheitsvorsorge.

Geradezu hysterisch erscheint die Kritik am deutschen Bildungswesen. Als ob mit der Verlagerung von Bildungsverantwortung auf die Länder die Bildungslandschaft nicht bunter geworden wäre: Jedes Bundesland hat sein eigenes Schulsystem, dass macht uns so schnell keine Nation nach. Na schön, es fallen jede Woche rund eine Million Unterrichtsstunden aus, weil schätzungsweise 15.000 Lehrer fehlen, aber dafür hat die OECD dem deutschen Schulsystem »gravierende Missstände« attestiert und angemerkt, dass die öffentlichen Ausgaben Deutschlands für die Bildung unter dem Durchschnitt der OECD-Länder läge. Das kann der Bildungsministerin Schavan doch egal sein, sie hat schon einen Doktortitel. Frau Schavan war lange Geschäftsführerin der »Bischöflichen Studienförderung Cusanuswerk«. Diese Einrichtung vergibt staatliche Fördermittel an ausschließlich katholische Studentinnen und Studenten. Hier liegt die Lösung für die vielen Studenten, die unter den Studiengebühren ächzen: Katholisch werden, dann bekommt ihr auch Staatsknete.

Der lustige Franz - Müntefering der Lebensarbeitszeitverlängerer - geht mit gutem Beispiel voran: Immerhin ist er jetzt schon 66 Jahre alt, also eigentlich im Rentenalter, aber er arbeitet immer noch. Daran soll sich so ein Kellner nach mehr als 40 Berufsjahren oder ein LKW-Fahrer im selben Alter doch mal ein Beispiel nehmen: Ein paar Jahre Mehrarbeit könnten den Standort Deutschland retten, warum sollten Plattfüsse und Fehlsichtigkeit den jeweiligen Beruf beeinträchtigen? Franz fährt doch auch noch immer Dienstwagen und gucken kann er auch nicht mehr so gut. Außerdem, wenn die Koalition jetzt abrupt zu Ende ginge, stünde der Arbeitsminister auf der Straße und einen 66-jährigen Industriekaufmann, diesen Beruf hat er mal gelernt, der Franz, den nimmt doch keiner mehr.


Das ist beim Verteidigungsminister, dem Hessen Franz Jung, ganz anders. Wenn der morgen aufhören müsste, könnte er immer als Notar arbeiten. Und zum Beispiel jüdische Vermächtnisse bearbeiten, von denen wir seit der CDU-Spendenaffäre wissen, dass es besonders in Hessen ganz viele gibt. Aber auch für Herrn Dr. Jung gibt es keinen Rücktrittsgrund. Führt er doch ein erfolgreiches Reiseunternehmen: Deutsche Soldaten stehen überall in der Welt und in Afghanistan liegen sie auch bald, denn die Ausweitung der Kämpfe zwischen den Taliban und den USA auf den eher gemütlichen Sektor in dem die Deutschen sind, ist jeden Moment zu erwarten. Nach mehr als vier Jahren westlicher Militärpräsenz sind klare Erfolge zu verzeichnen: Die Mohnproduktion stieg um rund 40 Prozent, die Selbstmordattentate um etwa den gleichen Prozentsatz. Da fragt sich doch der Verteidigungsminister zu recht, warum er, bei so guten Zahlen, ein Ausstiegsszenario vorlegen sollte.

Zu den originellsten Denkern der Regierung gehört ohne Zweifel der Verkehrsminister. Wolfgang Tiefensee schlug jüngst vor, Hartz-IV-Empfänger als Patrouillen im öffentlichen Nahverkehr einzusetzen. Hier hat einer den Kampf gegen den Terror richtig begriffen: Wenn die arbeitslose 50-Jährige Verkäuferin den potentiellen Attentäter scharf ansieht, wird der angstschlotternd aus dem Bus aussteigen und seine Bombe auf dem nächsten Polizeirevier freiwillig abgeben. Wie man hört arbeitet Tiefensee gemeinsam mit dem Verteidigungsminister an einem Konzept, dass die Hartz-IV-Empfänger zur Verkehrssicherung nach Kabul entsenden soll. Das würde, zu erwartende Todesfälle eingerechnet, auch die Kassen des Sozialministeriums schnell sanieren. Tiefensees Privatisierungspläne der Deutschen Bahn dürfen bereits jetzt als Erfolg gelten, wissen wir doch aus England, dass dort infolge der Privatisierung des öffentlichen Nah- und Fernverkehrs kaum ein Zug mehr pünktlich fuhr, sich dafür aber die Unfälle mehrten.

Ein echter Höhepunkt des Kabinetts der Frau Doktor Merkel ist der Finanzminister. Peer Steinbrück hat einen klaren Kurs: Entweder rauf oder runter ist seine Devise. Rauf mit der Mehrwertsteuer, die alle trifft, die Putzfrau ebenso wie den Millionär und runter mit den Unternehmenssteuern. Und der Mann hat Erfolg: Seit die Deutschen wissen, dass sie im nächsten Jahr auf alle Produkte mehr zahlen müssen, kaufen sie auch mehr. Das stärkt den Binnenmarkt, das kurbelt die Konjunktur an und wenn Steinbrück weiter so konsequent bleibt, erhöht der die Mehrwertsteuer noch ein paar mal: Wenn demnächst 25 Prozent drohen, dann kaufen die Bürger noch mehr. Außerdem ist Steinbrück noch keine 60, hat also dem Müntefering-Plan entsprechend noch acht Berufsjahre vor sich. Aber wo soll der Mann hin? Der hat noch nie in einem normalen Beruf gearbeitet, war immer nur im Staatsapparat, wer soll denn den nehmen? Hier verbietet sich schon aus sozialen Gründen die Auflösung der großen Koalition.

Sicher, es gibt noch mehr Bundesminister, aber über den Wirtschaftsminister weiß man gar nichts und die Außenpolitik macht in Wahrheit nicht Walter Steinmeier sondern Angela Merkel. Deshalb kann man auch über Frau Merkel bisher kaum etwas sagen, meist ist sie gerade unterwegs oder, kulturbeflissen wie sie ist, in Bayreuth. Aber in der Außenpolitik ist sie fraglos Spitze: Wie sie die Bundeswehr, zur Verteidigung französischer Rohstoffinteressen in den Kongo manövriert hat, dass war schon prima. Auch ihr Einsatz für einen christlichen Bezug der europäischen Verfassung ist, in einer Situation schwerer Konflikte mit dem Islam, bewundernswert. Zwar bemüht sich ihr Innenminister gerade um einen Dialog mit den Vertretern von immerhin 3,5 Millionen Muslimen, die in Deutschland leben und auch der Natopartner und potenzielle EU-Kandidat Türkei ist ziemlich sauer, aber dafür hat sich der Papst über Dr. Merkels Versprechen gefreut. Deshalb müsste man sich bei ihr auch keine Sorgen machen, wenn sie morgen am Tag auf der Straße stünde. Auf Angela Merkel wartet schon eine Stelle: Die als Frauenbeauftragte im Vatikan.

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