Sie wissen ja selbst, wie bedrängt die Marktwirtschaft ist: Der Staat, das böse Wesen, wuchert in Deutsch- und anderen Ländern, nimmt den Unternehmen die Luft zum Atmen, beschränkt in unerträglicher Weise ihre Bewegungsfreiheit, zwingt sie außer Landes zu gehen oder in den Untergrund. Und genau dort existieren sie, die ehrenwerten Gesellschaften zur Rettung der Freiheit und des Marktes.

Sie heißen »Aktionsgemeinschaft Soziale Marktwirtschaft«, werden von der Nixdorf-Stiftung finanziert und setzen sich »für den Schutz und die Förderung des Privateigentums« ein, oder »Stiftung Marktwirtschaft«, werden scheinbar von niemandem finanziert aber von Herrn Raffelhüschen, dem früheren Büroleiter des Friedrich Merz geleitet, oder auch »Initiative Neue Marktwirtschaft«, finanziert von den Metallarbeitgebern und von solch selbstlosen Menschen wie Florian Gerster (früher Chef der Arbeitsagentur), Friedrich Merz (Erfinder des Steuererklärungsbierdeckel) und Hans Tietmeyer (ehemaliger Chef der Bundesbank) gegründet.

Natürlich tragen sie alle die Etiketten »überparteilich, unabhängig« und sogar, wie der »Konvent für Deutschland«, »erfahrungsgeleitet«. Ungefragt gibt der »Konvent« zu, dass er »durch eine breite Anzahl von Firmen finanziell getragen« wird, die aber »ausdrücklich auf jede Publizität verzichten.« Warum sollte die Deutsche Bank, der Reisekonzern TUI oder der Stromverkäufer RWE auch offen legen, dass sie hinter dem »Konvent« stehen und dieses gesellschaftliche Engagement natürlich von der Steuer absetzen.

Dem Konventkreis gehören so »unabhängige« Geister wie der frühere Präsident des Bundesverbandes der deutschen Industrie Hans Olaf Henkel, so »überparteiliche« wie der ehemalige Bundespräsident Roman Herzog und so »erfahrungsgeleitete« wie der deutsche Rationalisierungskönig Roland Berger an. Ihr Ziel ist die »Reform der Reformfähigkeit«. Das ist Deutsch und bedeutet übersetzt die »Regeneration der Regenerationsfähigkeit« oder auch die »Saldierung der Saldofähigkeit«.

Während die anderen Geheimgesellschaften ihre Ziele gerne hinter wirtschaftstheoretischem Neusprech verbergen, legt der »Konvent« ziemlich forsch los, wenn er davon schreibt, dass "auch andere Nationen ihre Verfassung verändert haben«. Zwar will er »ohne direkten Eingriff« in die Politik agieren, aber ein indirekter Eingriff, so darf man die Verneinung lesen, lohnt sich allemal. Mit dem ehemaligen Wirtschaftsminister Clement hat man sich einen weiteren Neoliberalen in das Kuratorium geholt, ein Mann der zwei Legislaturperioden ausprobieren durfte, wie die Senkung der Unternehmenssteuern sich auf den unaufhaltsamen Fortschritt der Arbeitslosigkeit auswirken konnte.

Als es noch den guten alten Filz gab, waren die Verhältnisse übersichtlich: Der Bauunternehmer mit dem besten Untertisch-Angebot bekam den Auftrag und alle waren zufrieden. Heute ist die Beeinflussung von Politik und Medien weniger transparent, dafür um vieles umfassender. Die Stiftungen und Vereine machen Angebot, die man nicht ablehnen kann: Frau Christiansen bekommt ganze Sendungskonzepte frei Haus geliefert, der einzelne Bundestagsabgeordnete Argumentationshilfen und die allgemeine Öffentlichkeit teure Kampagnen wie »Du bist Deutschland«.

Auf der Strecke bleibt die Demokratie: Parlamente werden ausgehebelt, die Pressefreiheit verkommt zur Nachdruck- oder Nachsprechmaschine und Abgeordnete bekommen ihr Gewissen frei Haus geliefert. Es geht um nichts weniger als um den Umbau der Republik, eine Perestroika zugunsten globaler Konzerne und auf Kosten der Mehrheit der Deutschen. Wenn der Merkel-Vertraute Norbert Röttgen vom Geschäftsführerposten der CDU-Bundestagsfraktion zum seinem neuen Job als Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Industrie wechselt, dann ist das ein ganz natürlicher Teil eines Systems, dass schließlich auch den Bundespräsidenten vom Internationalen Währungsfond zu seinem neuen Job als Prediger des Neoliberalismus im Range eines Verfassungsorgans hat wechseln lassen. Und wer das alles als mafiös bezeichnet, der muss mit einer Klage rechnen.

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