Schon seit Wochen kommt der Iran nicht aus den Schlagzeilen deutscher, europäischer und amerikanischer Medien. Der Tenor ist immer der selbe: Der Iran bastelt an einer Atombombe, der iranische Präsident leugnet den Holocaust, der Iran verweigert Israel das Existenzrecht und sein Präsident ist so eine Art Hitler. Das jüngste Ultimatum der US-amerikanischen Außenministerin, die möglichen Konsequenzen bis zu einem Militärschlag, die Nachrichten über die Vorbereitungen eines Atomangriffs auf den Iran, alles deutet auf eine propagandistische Vorbereitung eines von den USA gewünschten "Regimewechsel" hin. Und mit Regimewechsel haben die Amerikaner Erfahrung.

Die Darstellung des Irans als Schurkenstaat hat Methode: Schon in Vorbereitung des Irak-Krieges ließ die US-Propagandamaschine alles Mögliche verbreiten. Aber simples Giftgas reicht als Vorwand bei den dringend notwendigen internationalen Verbündeten nicht mehr. Ohne die Anklage des Antisemitismus ist, vor allem bei den pazifistisch orientierten Deutschen, keine ordentliche Kriegsbereitschaft herzustellen. Immerhin war das deutsche "Eingreifen" in Jugoslawien der Öffentlichkeit erst zu verkaufen, als die Herren Fischer und Scharping lange und gründlich die Auschwitz-Metapher bemühten. Ein Vergleich, der nicht nur ahistorisch war, sondern auch das singuläre "Auschwitz" in unerträglicher Art verkleinerte.

Wer mag schon Ayatollahs? Der Iran ist für den Mitteleuropäer keine attraktive Gegend: So weit das Auge reicht Kopftücher, Frauen werden geknechtet und Männer zeigen uns auf den Fotos immer ihre Hinterteile, zumindest wenn sie mal wieder bei einem ihrer vielen Gebete sind. Der durchschnittliche Mitteleuropäer ist aufgeklärt: Warum soll er in die Kirche gehen um sich von irgendwelchen Religiösen verhetzen lassen? Er hat doch Zeitung und Fernsehen, was braucht er mehr. Doch auch die gebildeten Stände finden den Iran ziemlich ätzend. Ihnen könnte es helfen, wenn sie sich den Iran einfach ohne Religiosität vorstellen, so, wie man früher junge Nationalstaaten kannte, wie zum Beispiel Ägypten zur Zeit des Präsidenten Nasser. Auch Nasser galt damals der westlichen Politik und den dazu gehörenden Medien als Monster: Er wollte doch tatsächlich den Sueskanal unter ägyptische Kontrolle bringen, nur weil der Kanal auf ägyptischem Gebiet lag.

Mit einem änhlichen Problem belästigte und belästigt der Iran die westliche Wertegemeinschaft: Die Nachfolgeregierungen des Schah kontrollieren das persische Öl und jetzt wollen sie auch noch die iranische Atomenergie, bis hin zur Anreicherung kontrollieren. Da war Schah Reza Pahlevi doch kulanter. Die Wahlen zur Zeit des Schah durften zwar kaum als demokratisch gelten, seine Gefängnisse waren voll, so mancher Friedhof war mit Regimegegnern belegt. Das focht den Mitteleuropäer nicht an: Des Schahs Frauen, Soraya und Farah Dibah, zierten die Titelbilder nicht nur der Yellow-Press und die Frage wer wann Kinder für den Pfauentron hätte gebären können beschäftigte Heerscharen europäischer Gazetten. Das war so romantisch. Wer anders dachte, dem haute die West-Berliner Polizei anlälich eines Schah-Besuches so gründlich auf den Kopf, dass die Blüte einer ganzen Generation mit Denkvermögen ausgestattet werden konnte.

Die Geschichte des modernen Iran beginnt mit einem Putsch und mit dem Besitz von Öl: 1925 stürzte der erste Schah aus der kurzen Reihe der Pahlaviden die alte Kadscharen-Dynastie und ließ sich zum Schah ausrufen. Schon ab 1928 werden reiche Ölfelder entdeckt, keine zehn Jahre später wird die Anglo-Iranien Oil Co. gegründet. Flugs gibt es, im April 1942, ein Handelsabkommen mit den USA, dass Ölkonzessionen zum Gegenstand hat. Der Sohn des ersten Pahlavi, der Schah Mohammad Reza, musste wegen landesweiter Proteste gegen sein Regime fliehen, die CIA puscht ihn zurück an die Macht. Als die islamische Regierung unter Chomeini, nach Vertreibung des Schahs, eine Politik im Widerspruch zu den USA entwickelte, dauerte es nicht lange, bis der Irak, mit amerikanischen Waffen ausgestattet, den Iran militärisch angreift. So kann es Ländern gehen, die ihr Öl nicht nach amerikanischen Vorstellungen an den Markt, d. h. in die amerikanische Industrie einbringen.

Fraglos ist die heutige iranische Führung anti-zionistisch, sie findet die israelische Besatzungspolitik gegenüber den Palästinensern falsch und fürchtet die israelische Atombombe, die als Drohpotential zu Disziplinierung der arabischen Staaten und des Iran dienen soll. Aber ist sie auch antisemitisch? Wer die vielzitierte Rede des iranischen Staatspräsidenten, in der er die Vernichtung Israels gefordert haben soll, in der New York Times nachliest, wird diese Forderung nicht finden. Und noch etwas ist in den deutschen Medien fast nicht auffindbar: die Erklärung des iranischen Außenministers, der nachdrücklich die Existenz des Holocausts anerkannte. Man brauch den "antisemitischen" Iran, weil man iranisches Öl braucht und weil es der jetzigen Regierung der USA, wider ihre Erfahrungen im Irak, billiger erscheint, einen Krieg zu führen, als es ordentlich zu kaufen.

Was die iranische Atom-Gefahr anbetrifft, so muss man einige rhetorische Fragen stellen, um die Gefahr zu qualifizieren: Wo waren die von den USA behaupteten Atomwaffen des Irak? Warum dürfen Pakistan und Israel über Atomwaffen verfügen ohne mit Krieg bedroht zu werden und, last but not least, gibt es einen Beweis für iranische Atomwaffen? Bisher geht es, nicht widerlegt, um die zivile Nutzung der Atomenergie durch den Iran. Das mag man unangenehm finden, aber nichts von dem, was bisher bekannt ist, verstößt gegen das Völkerrecht. Da müsste sich der Iran schon ein Beispiel an den USA nehmen.

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