Es war die geheiligte Stunde der ARD: Die „Tagesthemen“, eine Filiale der „Tagesschau“, gab dem Hongkonger Bürgerrechtler Joshua Wong ein schönes, langes Interview. Stunden zuvor hatte die Redaktion sich schon an dieser Nachricht abgearbeitet und über jene „klaren Worte“ der Kanzlerin berichtet, die Frau Merkel bei ihrem China-Besuch für die Hongkonger Aktivisten gefunden hatte. Ja, wenn die Leitfrau und das öffentlich-rechtliche Leitmedium vorlegen, dann muss der Medienrest sein Echo liefern: Vom SPIEGEL über die ZEIT bis zur Website der Stadt Paderborn: Alle fanden die Demokratie in China ziemlich unzulänglich und den Herrn Wong echt gut. So sieht Medien-Vielfalt in Deutschland aus. Keinem der scheinbar Einfältigen mochte auffallen, dass Aktivisten aus den deutschen Friedens- oder Sozialbewegungen eine solch prominente Rolle nie zuteil wird. Auch wenn es um die Unterdrückung von Protesten durch die Polizei geht, die bei der Hongkong-Berichterstattung im Vordergrund steht, sind deutsche Medien eher verhalten: Weder beim G-20-Gipfel in Hamburg, noch bei den Aktionen rund um den Deutsche-Bahn-Wahnsinn namens Stuttgart 21, bei denen es jede Menge Polizei-Brutalität gab, bekam einer der Aktivisten ein bedeutendes Interview in den öffentlich-rechtlichen Nachrichten. Auch auf den Auftritt eines Franzosen in gelber Weste, der die Ziele der Bewegung vor der Kamera erklären darf oder der wie Herr Wong einen Empfang beim Bundesaußenminister bekommt, warten Freunde der deutschen Demokratie bislang vergeblich.

Es ist ein erkennbares Muster: Böses findet immer ganz woanders statt. Vorzugsweise in jenen Ausländern, die man als Konkurrenten empfindet oder deretwegen man dringend neue teure Waffen kaufen muss. Denn so böse wie z. B. der Russe ist, könnte er uns ja jederzeit überfallen. Auch wird gern von der schrecklichen Unterdrückung jener Opposition gegen Despoten berichtet, um die sich die Truppen der USA oder der NATO dann bei Gelegenheit kümmerten. Doch geht es auch um das wohlige Gefühl deutscher Medien-Konsumenten: Woanders ist es schon schlimm, wie gut, dass es bei uns viel besser ist. – Seit einem Jahr regiert die immer gleiche Koalition, die gefühlt seit Kriegsende die Regierungen stellt. Seit langem wird in den „guten Lagen“ deutscher Städte gentrifiziert, werden Mieten erhöht und erhöht bis es knirscht. Mal wird über eine Mietenbremse, dann wieder über eine Deckelung der Mieten öffentlich gesäuselt. Gab es schon ein Interview zur besten Sendezeit mit einem Aktivisten für die Enteignung großer Wohnungskonzerne? Ach wo. – Scheinbar schläft die Große Koalition so vor sich hin. Was ist eigentlich mit dem Passus im Koalitionsvertrag, der die Verschärfung der Richtlinien für den Rüstungs-Export festlegte? Da ist man im Kanzleramt hellwach: Der kommt nicht auf den Tisch der Regierung. – Da gab es doch die junge, kluge Clara Tempel, die in den Knast musste, weil sie am Atomwaffenstützpunkt Büchel eine Startbahn der Luftwaffe blockiert hatte. Öffentlich-rechtliche Wahrnehmung? Null. Aber in einem privaten Medien-Winkel, der „Hildesheimer Allgemeine Zeitung“ gab es was Kurzes und Schmerzloses. Die „Hildesheimer Allgemeine Zeitung“ gehört irgendwie der Madsack Mediengruppe, und die gehört auch ein wenig der SPD. Aber die SPD ist natürlich längst durch Gerhard Schröder privatisiert.

Wo privat drauf steht, wird natürlich ordentlich Geld verdient. Ganz vorne in der Reihe der Medien-Geld-Verdiener steht die Witwe des Verlegers Axel Springer. Sie verfügt 2019 über 4,8 Milliarden Euro und ein gemischtes Zeitungs-Sender-Imperium. An zweiter und dritter Stelle stehen ebenfalls zwei Frauen: Die Geschäftsfrau Yvonne Bauer und ihre Familie, Eigentümer der Bauer Media Group (z.B. Bravo), mit 3,5 Milliarden Euro und die Familie um Liz Mohn mit 3,35 Milliarden Euro, Anteilseigner des Gütersloher Medien-Monsters Bertelsmann (RTL, Gruner + Jahr). Höchst privat entstehen auch die Einnahmen der öffentlich-rechtlichen Sender aus Werbung und Sponsoring. Für die ARD waren das 323,9 Millionen Euro, das ZDF erzielte 293,6 Millionen. Natürlich platzieren die Werbeagenturen ihre TV-Spots im Umfeld hoher Einschaltquoten. Die werden gern mit Sportübertragungen oder anderen schlichten Sendungen erzielt. So nimmt die Wirtschaft einen unmittelbaren Einfluss auf das Programm. Das ist natürlich nichts gegen die Erträge von 7,858 Milliarden Euro durch die Einziehung des Rundfunkbeitrages. Für dessen gesetzlich verordnete Einziehung sorgen jene Politiker, die einerseits gern in den Rundfunkräten, den Kontrollgremien hocken, andererseits nicht selten über ein Geflecht von offenen Parteispenden und inoffiziellem Lobbyismus mit der Wirtschaft verbunden sind. So geht mittelbarer Einfluss.

Was bleibt den Demokratie-Aktivisten in Deutschland, wenn sie im Land wahrgenommen werden wollen? Sie sollten ihre Aktivitäten ins Ausland verlegen. Je weiter weg, desto eher dürften ihre Ziele in deutschen Medien widerspiegelt und von deutschen Politikern unterstützt werden. Hätten die Stuttgart-21-Gegner nicht besser in Schanghai demonstrieren sollen? Auch die Blockade einer Startbahn des Flughafens Kaliningrad-Chrabrowo hätte sicher ein starke öffentliche Resonanz in Deutschland. Jemand hätte Clara Tempel rechtzeitig einen Tip geben sollen. Proteste gegen den weiteren Ausbau des Transrapid in Schanghai allerdings sind nicht empfehlenswert: An der Magnetschnellbahn waren die Bundesregierung und das Unternehmern Thyssen-Krupp beteiligt. Die tatsächlichen Proteste gegen die Trasse des Transrapid in China hatten dann auch in Deutschland damals kaum ein Echo.

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Da hat eine ganze Medienlandschaft nur zwei Ziele: Durch seichte Unterhaltung von der sozialen Realität ablenken und Feinde im Ausland als Schrecken an die Wand malen. Dass den ausführenden Journalisten das nicht langweilig wird ist...

Da hat eine ganze Medienlandschaft nur zwei Ziele: Durch seichte Unterhaltung von der sozialen Realität ablenken und Feinde im Ausland als Schrecken an die Wand malen. Dass den ausführenden Journalisten das nicht langweilig wird ist erstaunlich. Immerhin kann Herr Gellermann daraus immer neuen Stoff für Inszenierungen aller art gewinnen.

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Jenny Westpahl
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Hier wird eine Demokratiebewegung lächerlich gemacht die wir gerne hätten. Das ist Propaganda der hilflosen Art. Sie soll den deutschen Medienmarkt treffen und ist doch nur überheblich.

Jörg Reuther
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"Es ist ein erkennbares Muster: Böses findet immer ganz woanders statt." - Propaganda?

Uli Gellermann
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Der Auslöser der Bewegung war ein Gesetzentwurf, der die Auslieferung eines Hongkonger Studenten, der seine Freundin in Taiwan ermordet hatte, ermöglichen sollte. In Hongkong kann er nach geltender Rechtslage nicht verurteilt werden (Le Monde...

Der Auslöser der Bewegung war ein Gesetzentwurf, der die Auslieferung eines Hongkonger Studenten, der seine Freundin in Taiwan ermordet hatte, ermöglichen sollte. In Hongkong kann er nach geltender Rechtslage nicht verurteilt werden (Le Monde Diplomatique, September 2019).

Auf Grundlage der nur spärlich verfügbaren objektiven Informationen scheinen es im Wesentlichen Abstiegsängste und soziale Konflikte zu sein, die im Kern aus dem Bedeutungsverlust Hongkongs als Finanzmetropole resultieren, die Menschen auf die Straße treibt. Die bei uns hoffierten "Anführer" freilich haben offenbar die zunehmende Arbeitslosigkeit und Wuchermieten nicht im Sinn.
Eher ihre Privilegien, denen die internationalen Märkte gerade die ökonomische Grundlage entziehen. Ihre "Verzweiflung" erinnert mich an die Bänker der Wallstreet auf dem Höhpunkt der Finanzkrise.

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Heinz Schneider
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Lieber Uli,

manchmal habe ich den Eindruck, dass Deine klare Sprache und die erdrückende Sachlage bei den Verantwortlichen irgendwie nicht verfängt. Vielleicht muss man diese Menschen ihrer eigenen Ideologie gemäss ansprechen? Ich erlaube mir...

Lieber Uli,

manchmal habe ich den Eindruck, dass Deine klare Sprache und die erdrückende Sachlage bei den Verantwortlichen irgendwie nicht verfängt. Vielleicht muss man diese Menschen ihrer eigenen Ideologie gemäss ansprechen? Ich erlaube mir das mal mit den so genannten Christ-Demokraten zu versuchen:

"Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet! Denn wie ihr richtet, so werdet ihr gerichtet werden und nach dem Maß, mit dem ihr messt, werdet ihr gemessen werden. Warum siehst du den Splitter im Auge deines Bruders, aber den Balken in deinem Auge bemerkst du nicht? Oder wie kannst du zu deinem Bruder sagen: Lass mich den Splitter aus deinem Auge herausziehen! - und siehe, in deinem Auge steckt ein Balken! Du Heuchler! Zieh zuerst den Balken aus deinem Auge, dann kannst du zusehen, den Splitter aus dem Auge deines Bruders herauszuziehen!“

Matthäus 7, 1-5 (JCW)

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Marc Britz
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Mit der Person von Herrn Wong und den Vorgängen in Hongkong, sowie der seltsamen Rolle der deutschen Regierung hat sich Herr Berger von den Nachdenkseiten bereits letzte Woche beschäftigt.
Den deutschen Demokratie- Aktivisten und ihren Brüdern in...

Mit der Person von Herrn Wong und den Vorgängen in Hongkong, sowie der seltsamen Rolle der deutschen Regierung hat sich Herr Berger von den Nachdenkseiten bereits letzte Woche beschäftigt.
Den deutschen Demokratie- Aktivisten und ihren Brüdern in Europa bleibt also nichts anderes über als für mehr Kapitalismus und weniger Gemeinwohl zu demonstrieren, um entsprechend in unseren Medien gewürdigt zu werden.
Oder sie müssen eine hysterische Kampanie fahren die den Wirtschaftsstandort Deutschland/ Europa/ RUS schwächt um denselben in den USA zu fördern.
Auch das würden die "Transatlantiker" mit einer wohlwollenden Berichterstattung goutieren.

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Eckehard Irkens
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Es ist ein bißchen schwierig. Ähnlich wie bei Koreaner, die gerne Kim, Il, Sun oder Vietnamesen Nguyen, Tham, Pham heißen, muss ich nachhaken, um welchen Wong es sich handelt. By the way, Müller, Meier, Fischer deutet auch nicht auf kreative...

Es ist ein bißchen schwierig. Ähnlich wie bei Koreaner, die gerne Kim, Il, Sun oder Vietnamesen Nguyen, Tham, Pham heißen, muss ich nachhaken, um welchen Wong es sich handelt. By the way, Müller, Meier, Fischer deutet auch nicht auf kreative Amplituden hin. Ist jener Wong einer der Anführer der Protestbewegung? Jener Wong der öfter die USA bereiste und sich briefen ließ? Dann hätten wir doch wieder das alte Schema. Ähnlich wie beim Interimspräsidenten Guaido in Venezuela. Regimechanges durch Förderung der Opposition. Wir sollten die Chinesen machen lassen. Ein paar Proteste niederschlagen ist unfein und mit meinen persönlichen, westlichen Werte schwerlich zu vereinbaren. Aber dennoch eine andere Liga als die Handlungen der USA. Die bombardieren z. B. Ölfelder und schieben es dem Iran zu. Bin ja um Aktualität bemüht. Und das die chinesische Führung pikiert reagiert weil unser Außenminister erstmal die Opposition in China besucht, kann man denen nicht verdenken. Wir, die nicht um "private" sondern um die geläufigen westlichen Werte bemüht sind (ich nicht), sollten den Ball wirklich flach halten und uns lieber der Seidenstraße anschließen. Und natürlich raus aus der Nato.

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Roman Wezenberg
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much würde mal interessieren wann, wie und wo beschlossen wird,zb. in hongkong einen vermeintlichen aktivisten aufzubauen und wie wurde dieser wong gecastet?

ok die chinesen sind nicht die superdemokraten, aber müssen die das sein?
wieso lässt man...

much würde mal interessieren wann, wie und wo beschlossen wird,zb. in hongkong einen vermeintlichen aktivisten aufzubauen und wie wurde dieser wong gecastet?

ok die chinesen sind nicht die superdemokraten, aber müssen die das sein?
wieso lässt man die nicht in ruhe?

wenn man nach dem "schlimmheitsgrad" des barbarentums geht, müsste doch saudi arabien ganz vorne stehen als kandidat um dort die Demokratie mithilfe von friedensraketen herbeizuführen oder?
komisch dass die "unsere" guten partner sind, wo man da von staatswegen enthauptet, verstümmelt und gesteinigt werden kann.
kreuzigungen sind in ganz schlimmen Fällen auch möglich.
also das ist vorbildlich, da werden die Menschenrechte gewah

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karl arsch vom dienst
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Lieber Gellermann, wenn Sie ausgeglichen wären, dann hätten Sie auch mal darüber berichtet, was der Vorkämpfer für die Freiheit der Hongkonger Menschen auch gesagt hat zu der Wohnsituation der hundertausenden Ärmsten in der Stadt, die in sog....

Lieber Gellermann, wenn Sie ausgeglichen wären, dann hätten Sie auch mal darüber berichtet, was der Vorkämpfer für die Freiheit der Hongkonger Menschen auch gesagt hat zu der Wohnsituation der hundertausenden Ärmsten in der Stadt, die in sog. Waben auf drei Quadratmetern leben.
Ach - ich höre gerade - dazu hat er ja nichts gesagt.

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Peter Lind
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Wie gut, dass U.G. die Doppelzüngigkeit, Doppelstandards der westlichen Medien hier erneut -im konkreten Fall Hongkong- beleuchtet. Die Strukturen bleiben gleich, sehr richtig finde ich deshalb auch den Vergleich der offiziellen Unterstützung...

Wie gut, dass U.G. die Doppelzüngigkeit, Doppelstandards der westlichen Medien hier erneut -im konkreten Fall Hongkong- beleuchtet. Die Strukturen bleiben gleich, sehr richtig finde ich deshalb auch den Vergleich der offiziellen Unterstützung Wangs mit der von Juan Guaidó (im Kommentar). Was Rang und Einfluss in der neoliberalen Welt hat, nutzt die Gelegenheit, die Regierungen, die ausscheren aus diesem Gesellschaftssystem zu bekämpfen. Das geht, wie wir wissen, bis zu völkerrechtswidrigen Methoden des regime changes. Eine hochrangige FDP-Delegation war in Hongkong mit Mitgliedern der oppositionellen "Democratic Party" zusammengetroffen. Aktivisten, die für die Abspaltung Hongkongs von China eintreten und wegen ihrer Beteiligung an Angriffen auf Polizisten angeklagt sind, erhalten in Deutschland Flüchtlingsschutz. Parallel fördert eine Vorfeldorganisation der US-Außenpolitik oppositionelle Zusammenschlüsse mit Millionensummen; US-Vizepräsident Mike Pence empfängt einen Milliardär aus Hongkong, der seit Jahren Beijing-feindliche Kräfte in der Stadt finanziert sowie sie mit seinem Medienunternehmen unterstützt.

Hier in Berlin haben wir das Internationale Literaturfestival, das in eben diesem Sinne in diesem Jahr eine Lesung für die Demokratiebewegung in Hongkong macht. Beschämenderweise zusammen mit dem PEN.
Danke an U.G., dass er Aktivitäten der Friedensbewegung aufzählt. Ich glaube, sie ist doch stärker als die Mainstreammedien es zulassen, sie wahrzunehmen. (Sie, wie die linken Linken kommen im Vergleich zu den gehypten Grünen ja kaum vor...)

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Elke Zwinge-Makamizile
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Vernebeln, verdrehen, verblöden und verdunkeln, das sind die gängigen Werkzeuge der Qualitätsmedien.
Es sind die immer gleichen farbigen Aufstände, das immer gleiche Empörungsmanagement, die immer gleichen aus dem Hut gezogenen Interviewpartner,...

Vernebeln, verdrehen, verblöden und verdunkeln, das sind die gängigen Werkzeuge der Qualitätsmedien.
Es sind die immer gleichen farbigen Aufstände, das immer gleiche Empörungsmanagement, die immer gleichen aus dem Hut gezogenen Interviewpartner, die uns sprachlos machen.
Und in der Tat: Es wirkt etwas hilflos in der letzten Zeit, was da so aus dem Fernseher quillt.
Wirklich, es sind schlimme Zustände überall, ausserhalb von Muttis Welt, da müssen wir robust helfen.

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Matthias Brendel
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