Jeder kennt sie: Die Sozialschmarotzer. Sie leben von unseren Steuern, bereichern sich durch Schwarzarbeit, reisen auf Kosten des Staates durch die Gegend, lungern in Kneipen herum, schwätzen den lieben langen Tag, nur richtig arbeiten, das wollen sie nicht. Ein klassischer Fall dieser widerlichen Sorte ist Guido Westerwelle: Von unseren Steuergeldern lässt er sich aushalten, steckt nebenbei noch Schwarzgeld von Hoteliers ein, lässt sich jede Vergnügungsreise ins Ausland vom Staat bezahlen, kennt alle wichtigen Kneipen in Berlin inwendig, sitzt im Bundestag oder auf Presskonferenzen und labert dumm rum und konnte ehrlicher Arbeit bisher mit Erfolg ausweichen. Und statt die Armut zu beseitigen, will er lieber die Armen liquidieren. Am besten durch Aushungern.

Eigentlich könnte man die Debatte um soziale Gerechtigkeit mit wenigen Zahlen einfach beenden: Im Jahr 2009 verzeichnete das Statistische Bundesamt 3,42 Millionen Arbeitslose, dazu kamen noch einmal 4,93 Millionen "ausschließlich geringfügig entlohnte Beschäftigte". Macht mehr als acht Millionen arme Leute, die Hartz IV beziehen. Dem gegenüber gab es gerade mal eine halbe Million offene Stellen. Das sollte auch dem zungenfertigsten Markt-Idioten den Mund stopfen: Der Markt, in diesem Fall der Stellenmarkt, gibt einfach nicht genug Arbeit her. Hier wäre der Hebel anzusetzen und nicht bei der Denunzierung der Arbeitslosen als Faulenzer. Aber das würde ja jede Talkshow abwürgen, sie wäre nach drei Minuten beendet und könnte nur noch um ein paar Minuten Prügelstrafe für Dummschwätzer verlängert werden. Vor allem die letzten Minuten brächten zwar Quote, würden aber die 24-Stunden-Sendezeit auch durch noch so viele Wiederholungen nicht allein füllen können.

Weil die Welt voller vom Staat ausgehaltener Schlauberger ist, die gerne ihren Mangel an Verstand und Herz ausbreiten, füllt diese Sorte Spalten und Minuten, in denen sie gern ein Für in ein Wider verwandeln und mit Vorliebe in ein Widerlich. Solch ein patentierter Scheinwissenschaftler ist der Professor Gunnar Heinsohn. Berüchtigt wurde der Mann mit seinem Buch "Söhne und Weltmacht", in dem er einen Jungmännerüberschuss in dieser oder jener Weltgegend als notwendige Ursache von Krieg und Terrorismus annahm und konsequent forderte, internationale Hilfsorganisationen müssten in Krisengebieten ihre Arbeit beenden, um dort die "Kinderproduktion" einzustellen. Im Klartext: Im Kampf gegen den Terrorismus ist es die beste Methode, die Kinder potentieller Terroristen verhungern zu lassen. Dass in seiner vorgeblich wissenschaftlichen Statistik (Grundlage seiner Theorie) Riesenländer wie China und Brasilien unterschlagen wurden, um so blind wie möglich von der Farbe reden zu können, hindert ihn jetzt nicht daran, dem Westerwelle mit der selben Methode unter die glitschigen Arme zu greifen.

Die in der Zeitung "Die Welt" auf einer ganzen Seite ausgebreitete Sozial-These Heinsohns lautet in der Kurzfassung: Wer den Armen staatliche Unterstützung gibt, ermuntert sie zum Kinderkriegen und vermehrt so die Armut. Als Beleg hat er zwei verführerische Zahlen anzubieten: Während 1969 noch 12,2 Millionen US-Bürger Sozialhilfe bezogen, waren es 2005 nur noch 4,5 Millionen. Heinsohn führt das darauf zurück, dass in dieser Zeit Bill Clinton die Sozialhilfe kontinuierlich gekürzt hat. Also würde die Kürzung der Sozialhilfe zu weniger Bedürftigen führen. In Wahrheit ist nichts anderes passiert, als dass weniger Bürger Sozialhilfe bekommen haben, die nach früheren Maßstäben welche hätten erhalten müssen. Damit fielen sie zwar aus der Statistik, waren aber noch ärmer als früher. Das führte manchmal zu einer wundersamen Wandlung der Mittel, die für die Armen bereitstanden: Die Stadt New York zum Beispiel nahm eine ganze Milliarde Dollar aus dem Sozialhilfefonds, weil es, nach neuer Gesetzgebung, weniger Berechtigte gab, und verwandte das Geld zur Steuersenkung für Reichere. Und weil Heinsohn nicht nur ein Wissenschaftsgaukler ist, sondern auch ein zynischer Betrüger, kommt er zu dem Schluss, dass weniger arme Kinder auch weniger Kriminalität bedeutet: "Ungeborene können niemandem einen Baseballschläger über den Kopf ziehen". In dem Zeitraum, von dem der Bremer Professor redet, stieg die Zahl der Inhaftierten in den USA von etwa 1,5 Millionen auf 2,5 Millionen. Also wohl auch die Kriminalität.

Noch simpler jongliert Heinsohn mit seinen Zahlen für Deutschland: "1965 ist Deutschland noch relativ arm", schreibt der Professor, "Dennoch bleiben Sozialhilfekinder mit 0,6 Prozent aller Kinder die rare Ausnahme. Heute ist Deutschland um ein Mehrfaches reicher und zahlt dennoch mehr als je zuvor für seine unteren Einkommensgruppen". Da nickt der verblödete "Welt"-Redakteur bejahend, weil er zu faul ist, die Arbeitslosenzahlen von 1965 (0,7 Prozent) mit denen von 2008 (8, 2 Prozent "bereinigt", ohne amtliche Mogelei deutlich über 13 Prozent) zu vergleichen. Wenn jemand so wenig rechnen kann und so verbohrt ist, dass er Heinsohn folgt, dann gelangt der widerspruchslos an folgende Sätze: "Niemand muss wegen äußerer Zwänge Kinder in die Welt setzen. Dennoch schießt der prozentuale Anteil des Nachwuchses auf Transfer (meint Hartz IV) mit jetzt 20 Prozent um den fast unglaublichen Faktor 33 nach oben." Die Logik liegt auf der Hand: Zahlt man den Hartzern weniger, setzen sie weniger Kinder in die Welt, gibt es weniger Arme. Wenn wir die Westerwelles und Heinsohns noch ein wenig gewähren lassen, werden sie Sterilisierungsprogramme für die Armen verordnen, dann sterben die auf Dauer aus, kosten nix mehr und verschwinden aus der Statistik ins Grab.

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung gibt gerade frische Zahlen zur Debatte heraus: "Nach aktuellen Daten lebten im Jahr 2008 in Deutschland rund 14 Prozent der Bevölkerung unter der Armutsschwelle. Das sind rund ein Drittel mehr als noch vor zehn Jahren. Dabei sind Kinder und junge Erwachsene besonders betroffen." Und fährt fort: "Vor allem junge Erwachsene und Haushalte mit Kindern sind betroffen. Unter den 19- bis 25-Jährigen lebte 2008 knapp ein Viertel unterhalb der Armutsschwelle." Natürlich könnte die Anhebung der Hartz-Sätze die Not nur lindern, doch eine wesentliche Änderung ist davon nicht zu erwarten. Würde die vorhandene Arbeit anders verteilt, schaffte man zum Beispiel die Überstunden ab (drei! Milliarden! Überstunden waren es 2008, mitten in der Krise) oder würde die Regelarbeitszeit auch nur um eine Stunde gesenkt, könnte die Arbeitslosigkeit drastisch zurückgefahren werden und mit ihr auch die Zahl der Hartz IV-Empfänger. Aber das könnte ja den Auftraggebern der Sozialschmarotzer die Gewinne schmälern. Und wer, so fragen dann die Westerwelles, wer soll denn dann noch Parteispenden finanzieren? Da lässt man doch lieber ein paar Arbeitslose verhungern, die spenden ohnehin nichts.

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Jetzt bescheinigt uns auch die OECD ein erhöhtes Armutsrisiko: "Das sehr hohe Armutsrisiko der Alleinerziehenden in Deutschland ist vor allem die Folge einer ausgesprochen geringen Erwerbsbeteiligung", steht in einer neuen Studie der OECD. Was...

Jetzt bescheinigt uns auch die OECD ein erhöhtes Armutsrisiko: "Das sehr hohe Armutsrisiko der Alleinerziehenden in Deutschland ist vor allem die Folge einer ausgesprochen geringen Erwerbsbeteiligung", steht in einer neuen Studie der OECD. Was braucht Westerwelle denn noch?

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Andrea Sommerfeld
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Erzieherische Hilfen zum Denkvermögen.

Uli Gellermann
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Was sollen denn die "glitschigen" Achselhöhlen des Herrn Westerwelle? Das ist eine ziemlich primitive Diffamierung des Herrn.

Volker Draeger
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Irgendwo muss der Angstschweiss, der den Umfragen gestundet ist, doch landen.

Uli Gellermann
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Lieber Uli,
ein toller Text, damit hättest Du beim "Politischen Aschermittwoch" auftreten können!

Arnulf Rating
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Es gibt natürlich noch mehr öffentliche Stellen, als die vom Statistischen Bundesamt ausgewiesenen. Denn viele Firmen schreiben ihre Stellen nicht mehr über die Agentur für Arbeit aus. Man kann von etwa 300.000 nicht erfassten offenen Stellen...

Es gibt natürlich noch mehr öffentliche Stellen, als die vom Statistischen Bundesamt ausgewiesenen. Denn viele Firmen schreiben ihre Stellen nicht mehr über die Agentur für Arbeit aus. Man kann von etwa 300.000 nicht erfassten offenen Stellen ausgehen. Es wäre also angebracht zu differenzieren!

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Udo Fahrenkamp
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Angebracht wäre, den mehr als acht Millionen Hartzern ein ordentlich bezahlte Arbeit zu verschaffen. Aber die werden, auf spätrömische Art, lieber an die Profit-Löwen verfüttert.

Uli Gellermann
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Hhhhmmm! Und ich dachte immer, KARMA sei eine "Esoterische Theorie"!
Quod erat demonstrandum!
Guido Westerwelle an Leukämie erkrankt
deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/2014/06/20/westerwelle-an-leukaemie-erkrankt/

Wieso empfinde ich kein Mitgefühl,...

Hhhhmmm! Und ich dachte immer, KARMA sei eine "Esoterische Theorie"!
Quod erat demonstrandum!
Guido Westerwelle an Leukämie erkrankt
deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/2014/06/20/westerwelle-an-leukaemie-erkrankt/

Wieso empfinde ich kein Mitgefühl, für diese "elitären dekadenten spätrömischen Volksschmarotzer mit Goldenen Füllern und Rekord-Diäten" und stelle mir jetzt vor, wie dieser Heuchler in irgend einer Klinik in der Intensivstation angeschlossen an viele hässliche Schläuche und piepsende maschinen, vollgepumpt mit CHEMIEGIFT-Medikamenten um seine elende und jämmerliche Existenz winselt und sich seine dunkle Seele aus dem vor Schmerz gekrümmten Leib röchelt?
Auch wenn mir mein christlicher Glaube an himlische gerechtigkeit solche Gedanken verbietet, so bin ich doch menchlich fehlbar und der Teufel erwischt mich gelegentlich noch auf meinem schwachen Fuß!

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Amancian Syndjenshmaith
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