Das Jahr neigte sich seinem Ende zu, da zeichneten die internationalen TV-Stationen den ersten Teil einer grausigen Harlekinade auf. In einer Versammlung der Vereinten Nationen hielt der israelische UN-Botschafter Danny Danon eine Bibel in die Kameras und erregte sich: „Diese Buch enthält 3.000 Jahre jüdischer Geschichte in Israel, und niemand wird dieses Faktum ändern!“ Gezielt war die Äußerung auf eine Resolution des UN-Sicherheitsrates zur Verurteilung israelischer Siedlungspolitik im Palästinenserland. Und die Bibel, ein Traktat des Glaubens, nicht des Wissens, sollte die israelischen Gebietsansprüche auf „Judäa und Samaria“, also auf das Westjordanland, beweisen. Klar, und die Welt wurde in nur sechs Tagen vom HERRN persönlich geschnitzt.

Doch der Akt historisierenden Größenwahns wurde vom israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu flugs weiter aufgeblasen: Der Herr über eine Acht-Millionen-Bevölkerung richtete sich zu seiner vollen Größe auf und bestellte umgehend die Botschafter jener Länder zur Strafe ins israelische Außenministerium ein, die für die Anti-Siedlungsbau-Resolution gestimmt hatten. Und den Botschafter der USA, die gewagt hatten die Resolution nur mit einer Enthaltung zu kommentieren statt sie, wie Israel das gewohnt war, mit einem Veto zu verhindern, knöpfte sich Netanyahu persönlich vor. Soweit die Harlekinade.

Doch der Hanswursterei grausiger Teil folgte sogleich: Der künftige Präsident der USA, Donald Trump, kommentierte die UN-Resolution mit diesem misstönenden Twittern: „Nach dem 20. Januar wird es anders sein.“ Klar, was soll schon so eine blöde UN-Resolution. Wenn Donald der Mächtige als US-Präsident inthronisiert worden ist, dann gelten andere Regeln. Dann wird die UN-Resolution aber revidiert. Denn, so Trump weiter: „Die Vereinten Nationen haben solch großes Potenzial, aber momentan sind sie nur ein Club, wo sich Leute treffen, unterhalten und vergnügen können. So traurig!“. Trump soll offenkundig der Riese sein, auf dessen Schultern der Zwerg Netanyahu sitzt und den Nahen Osten unsicher macht.

Trump, glaubt man seinen Wahlkampfäußerungen, will Jerusalem als „ungeteilte“ Hauptstadt Israels anerkennen. Das hat er vor dem American Israel Public Affairs Committee verkündet, der wichtigsten pro-israelischen Lobby-Organisation in den USA. Dass die Nachbarn Israels, dass die islamisch geprägten Staaten solche Töne als Kampfansage begreifen müssen, das will oder kann Trump offenkundig nicht begreifen. Auch von der al-Aqsa-Moschee auf dem Tempelberg in der Jerusalemer Altstadt hat der Mann wahrscheinlich nie gehört. Sie gilt als eine der wichtigsten Heiligtümer des Islam. Wer sie dem jüdischen Gottesstaat einverleiben will, der kann auch gleich Bomben in die Gegend werfen: So facht man Terrorismus an.

Auch den nächsten Brandsatz hat Trump schon angekündigt, als er dem Iran-Atomabkommen eine Absage erteilte: Die Übereinkunft sei „einer der schlimmsten Deals in der Geschichte“. Sollte Trump seine Ankündigung wahr machen, wird die militärische Konfrontation Israels mit dem Iran wieder neue Nahrung bekommen. Die israelische Atommacht ist darauf gut vorbereitet: Das International Institute for Strategic Studies vermutete 200 atomare Sprengköpfe in den Händen des israelischen Größenwahns. Vom Persischen Golf aus können sie von den geschenkten deutschen U-Booten der Dolphin-Klasse jederzeit zum Einsatz gegen den Iran gebracht werden. Aber einen US-Präsidenten, der noch kurz vor Weihnachten die Welt mit dieser Meldung beschenkte: „Die USA müssen ihre nuklearen Fähigkeiten erheblich verstärken, bis die Welt in Sachen Atomwaffen zur Vernunft kommt“, den mag das alles nicht sonderlich kümmern.

Während Netanyahu zündelt und Trump ins Feuer bläst, fuchtelt die Berliner Regierung hektisch mit neuen Sicherheitsgesetzen zur Eindämmung des Terrors herum. Dass eine Eindämmung des Terrorismus dauerhaft nur durch eine Änderung der Außenpolitik zu erreichen ist, scheint der Bundesregierung nicht in den Sinn zu kommen. Erst Anfang Dezember musste Finanzminister Schäuble, unter Bezugnahme auf eine Äußerung von Bundeskanzlerin Angela Merkel, auf dem Jüdischen Gemeindetag in Berlin erneut bekräftigen: „Das Existenzrecht Israels ist Teil der deutschen Staatsräson“. Die Existenz eines Staates zu bekräftigen, der seine Grenzen nicht festlegen sondern ausdehnen will, der seine Grenzen nicht aus dem Völkerrecht sondern aus der Bibel erklärt, das fördert Terror statt ihn zu verhindern. So wird denn der englische Komiker Freddie Frinton am Vorabend des neuen Jahres in den deutschen Fernsehhaushalten zu Recht fragen müssen: „The same procedure as last year?“ Und Miss Sophie wird unerschütterlich sagen dürfen: „The same procedure as every year“.