Der "Kampf gegen den Terror", eine seit dem 11. September 2001 geläufige Mega-Metapher, die als Begründung für alles Mögliche herhalten muss, führt zwingend zur Frage, was Terrorismus eigentlich ist. Die veröffentlichte Meinung, das Fünf-Minuten-Gedächtnis der Politik und der schlampige Umgang mit der Geschichte bei den Meinungsmachern führt zu einer simplen Übereinkunft: Terror ist böse, kommt primär im arabischen Raum vor und bedroht die Zivilisation. Der Duden erklärt den Terrorismus lakonisch als "Ausübung von politisch motivierten Gewaltakten" und lässt uns dann allein.
Wie immer, wenn man einen gesellschaftlichen Kampfbegriff auf seinen Inhalt abklopft, ist der Rückgriff auf die Geschichte ein bewährtes Mittel, den Begriff seiner Instrumentalisierung durch die gerade herrschenden Lesart zu entziehen und einen Ansatz von Objektivität herzustellen. Zu weit zurück zu gehen, zum Beispiel bis zum Terror der Katholischen gegen die Evangelischen (und umgekehrt) im 30-jährigen Krieg, verbietet sich, weil sich der Begriff dann eher im historischen Nebel verliert, statt an Klarheit zu gewinnen. Auch der Rückgriff auf die Bakuninschen, anarchistischen Theorien von der "Propaganda der Tat" hilft nur wenig, weil sie eher die Frage nach dem "wie", als jene nach dem "warum" beantworten.
Zumindest in der westlichen Welt ist man sich einig, dass die verbrecherischen Massnahmen des Nazi-Regimes gegen die europäischen Juden, gegen Regimegegner und kranke Menschen, als Terror des Staates zu begreifen ist. Diesen Terror darf man, muss man verurteilen. Doch schon beim nächsten Terrorbegriff aus dieser Zeit, den "Terrorangriffen" , alliierter Luftverbände gegen deutsche Städte, ist die Wertung komplizierter. Militärisch waren diese Angriffe ziemlich sinnlos und da sie Nazis wie Nichtnazis, Mitläufer und Gegner des Regimes gleichermaßen trafen, ist auch ihr moralischer Gehalt zweifelhaft. Wer den immer noch virulenten und von den Nazis geprägten Begriff des Terrorangriffs politisch redlich einordnen will, verweist darauf, dass mit der Bombardierung Guernicas (1939) und Coventrys (1940) durch die Nazi-Luftwaffe, die Deutschen mit dem Terror begonnen haben und klärt damit ein gutes Stück der Schuldfrage.
Spätestens wenn wir auf den Tyrannenmord stoßen, wird die Wertung des Terrors, die "Ausübung politisch motivierter Gewaltakte", die zur Zeit in der einhelligen Verurteilung mündet, zweifelhaft: Attentate auf Tyrannen, so der zivilisierte Konsens, waren notwendig und berechtigt. Die Männer des 20. Juli, die ein leider erfolgloses Attentat auf Hitler geplant hatten, gelten heute als Helden. Das Grundgesetz, Artikel 20, sieht das Recht auf Widerstand vor. Die Attentate des amerikanischen Geheimdienstes, der CIA, auf Fidel Castro, ohne Zweifel ein Diktator, finden nicht den gleichen, ungeteilten Beifall. Zum einen, weil sein Vorgänger ein Diktator von Gnaden der USA war, es also der USA, wie auch in anderen lateinamerikanischen Ländern zu besichtigen, keineswegs um die Beendigung von Diktaturen ging, sondern um die Wiederherstellung ihres Einflusses in Kuba. Zum anderen, weil hier der amerikanische Goliath gegen den kubanischen Zwerg antrat. Erneut wird der Terror, der "politische Gewaltakt", nach politischer Vorliebe gewichtet.
Als am 22. Juli 1946 im Hotel King David in Jerusalem 350 Kilo Sprengstoff explodierten, starben fast 100 Menschen, alle Opfer waren Zivilisten. Der Terroranschlag wurde von der Untergrundorganisation "Irgun", geführt vom späteren israelischen Ministerpräsidenten Menachem Begin, verübt. Seine Begründung fand der Anschlag in der ablehnenden Haltung der britischen Mandatsbehörde gegenüber den Bestrebungen einen jüdischen Staat auf palästinensischem Gebiet zu gründen. Im März 1952 verübte eine Gruppe von Israelis, mit ziemlicher Sicherheit Mitglieder der "Irgun", einen Bombenanschlag auf Konrad Adenauer, den ersten deutschen Bundeskanzler. Adenauer entkam dem Attentat, getötet wurde ein Sprengstoffexperte, der versucht hatte die Bombe zu entschärfen. In beiden Fällen ist weder das David-und-Goliath-Schema brauchbar, noch können wir die "Irgun" damit entschuldigen, dass Adenauer ein Tyrann gewesen wäre oder die Briten mit dem Terror angefangen hätten.
Da wir "westlich" geprägt sind, steht uns der westlich grundierte Staat Israel näher, als zum Beispiel der Iran in seiner jetzigen Verfassung. Dieses "Näherstehen" erklärt sich primär aus einer gewissen Ähnlichkeit der israelischen und der deutschen Kultur und aus der monströsen deutschen Geschichte, die den Staat Israel erst möglich gemacht hat. Das darf uns nicht hindern, die historischen Wurzeln des Nahostkonfliktes so objektiv wie möglich zu untersuchen und das inflationär verwandte Wort "Terror" als das zu nehmen was es ist: Ein tagespolitischer Kampfbegriff, der "den" Arabern jedwede Schuld zuweist und die Israelis reinwäscht. Wenn Politik und Geschichte so einfach wären, dann könnte man für eine dritte Amtszeit von George W. Bush beten. Denn, wo gerade die Schurken sitzen, das weiß der Präsident der USA am besten: Immer dort, wo sein Finger gerade hinweist.