Privatisierungen gab und gibt es in der Bundesrepublik genug: Wasserbetriebe, kommunale Gas- und Stromversorger, die Post und demnächst auch die Bahn, alles Staatsbetriebe, die auf dem Markt gebracht wurden oder werden. Also hätte Evo Morales Gründe genug, die Bundesregierung zu warnen? Die deutschen Medien würden aufjaulen, würde es der bolivianische Präsident wagen, sich mit seinen "Sorgen" derart in die Öffentlichkeit zu begeben. Der "Bild"-Titel ist voraussagbar: "Bolivianischer Staatsterror gegen Deutschland". Umgekehrt ist natürlich alles umgekehrt.
Der deutsche Außenminister hat die Nationalisierung der bolivianischen Erdgas Ressourcen "mit Sorge zur Kenntnis genommen" auch die spanische Regierung, deren Energiekonzern "Repsol" ein Viertel der bolivianischen Erdgasproduktion kontrolliert, äußerte "große Sorge" und die Firmenchefs der Exxon, Total und BP sollen auch schon die Stirn gerunzelt haben. Das alles wird brav nachgedruckt und gesendet, keiner erstaunt sich über die Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines Landes, niemand protestiert.
Der Fall Bolivien ist exemplarisch: Anfang der 90er Jahre setzte der Internationale Währungsfond (IWF) in Bolivien die Reprivatisierung der verstaatlichten Erdgasindustrie durch. Die neoliberalen Ideologen versprachen den Bolivianern, dass im Ergebnis dieser Maßnahme die Staatseinnahmen steigen würden. Natürlich war das Gegenteil der Fall, wie bei fast allen Beispielen aus der Neoliberalen Schule. Wenn jetzt den Bolivianern ihr Eigentum zurück gegeben wird, darf man hoffen, dass die Staatskassen sich wieder füllen werden.
Üblicherweise erzielen die internationalen Energiekonzerne gnadenlos hohe Gewinne bei der Ausbeutung der Rohstoffvorkommen und ebenfalls wird davon üblicherweise nichts in die Infrastruktur der jeweiligen Eigentümerländer investiert. Wenn die bolivianische Regierung jetzt verlangt, dass die internationalen Konzerne ihre Geschäfte nur noch über die staatliche Monopolgesellschaft abwickeln sollen, und wenn sie zugleich verlangt, dass 82 Prozent der Erdgas-Einnahmen an den Staat gehen sollen, dann hat das mit Verstaatlichung wenig zu tun. Es geht um die Begrenzung der Profite auf 18 Prozent, um die Reduzierung auf eine Marge, bei der vielen mittelständischen Unternehmern die Freudentränen in die Augen treten würden.
Trotzdem darf der Kommentator der "Süddeutschen Zeitung" von einer "Revolution aus der Mottenkiste" schreiben, wenn er über die jüngste Maßnahme der bolivianischen Regierung räsoniert. Dass es sich bei der aktuellen Form der Globalisierung - in deren Folge Hunger, Kinderarbeit und Deklassierung als völlig selbstverständlich erscheinen - um eine Wiederbelebung der Horrorvariante des Manchesterkapitalismus handelt, ist dem Journalisten natürlich nicht beizubringen. Zu eifrig schreibt er gegen ein Beispiel an, dass die These Lügen straft, infolge der Globalisierung könnten die Nationalstaaten sich nur noch ergeben. Da steht viel auf dem Spiel, die Politik von Schöder bis Merkel, die Meinung der Chefredaktion und sein gutes Gehalt. Vielleicht hätte es gereicht, wenn er ein einziges Mal selbstständig gedacht hätte.
Manchmal ist es so, dass die Analphabeten, und die Masse der Bolivianer kann nur wenig lesen und schreiben, die Zeichen der Zeit besser erkennen, als die ach so schlauen Leuten in den Medien. Weil die Armen, durch ihr schlechtes Leben gezwungen, die eigenen Interessen prima erkennen können. Zumindest in der Hinsicht ähneln sie den Damen und Herren in den Golf- und Landclubs. Allerdings kann die Chance schnell vertan werden. Wer, wie die Venezolanische Regierung, die Petrodollars für Almosen und Harlekinaden ausgibt, statt sie in die Infrastruktur und die Förderung der heimischen Wirtschaft zu stecken, kann ganz schnell an das Ende der Geduld der Volksmassen gelangen. Das würde dann auch die USA beruhigen, die den bolivianischen Präsidenten schon mal vorsorglich als "Narco-Teroristen" bezeichnet hat. Die Achse des Bösen ist eben immer und überall.