Es war an einem Donnerstag. Vor meiner Bank sammelten sich Leute in grüngefleckten Anzügen. Gehen Sie weiter, rief mir einer aus der Gruppe zu, dies ist ein innerer Einsatz, ihre Bank ist besetzt! Auf meine Frage, warum dies denn notwendig sei, antwortete einer, der sich als Hauptmann vorstellte: Wir suchen nach Spekulanten, vorläufig sind alle Konten gesperrt. Der Kampf gegen den Finanz-Terrorismus hat begonnen. Aber wenn ich doch Bargeld brauche, wandte ich ein. Als ich meine Kreditkarte vorwies, drückte mir der Hauptmann ein Päckchen Hunderter in die Hand: Das kurbelt an, sagte er mit einem wissenden Lächeln.
Im Autoradio gab es, wie immer vor den eigentlichen Nachrichten, den Börsenbericht: Einheiten des Sonderkommandos "Aktienkurs" hätten zeitweilig die Frankfurter Börse übernommen, sagte der Sprecher, es gäbe keinen Anlass zur Besorgnis, mehrere Panzerspähwagen seien an den Vorder- und Hintereingängen aufgefahren, man spähe nach Leerverkäufern. Die Bundeswehr führe nur Sicherungsaufgaben durch, vorbeugend habe man die Börsenhändler interniert, um sie vor dem Volkszorn zu schützen. Die Kurse seien jetzt stabilisiert. Nach dieser Information war auf allen Sendern nur fröhliche Musik zu hören.
Das Fernsehen beschäftigte sich in einer ausführlichen Reportage mit den Ereignissen. Einige Bankvorstände seien bereits verhaftet, ein gewisser Ackermann wäre in die Schweiz geflohen. Ordnungstruppen der Bundeswehr würden an der Grenze zur Schweiz massiert, man verhandele über die Auslieferung des Ackermann. Aus dem Finanzministerium verlautete, dass der Minister, der sich zur Zeit an einem unbekannten Ort aufhalten würde, jeden Kontakt zur Finanzoligarchie bestritt. Er sei immer schon gegen "wilde Spekulation" eingetreten und wäre seit Jahren nicht einmal mehr auf dem Gemüsemarkt gewesen.
Im Rahmen des beschlossenen Rettungsprogramms, so hieß es aus dem Innenministerium, würden den Bankvorständen, die sich den Hilfs-Milliarden der Regierung verweigerten, Bonus-Zahlungen mit vorgehaltenen Maschinenpistolen aufgezwungen. Einzelne sollten, angeblich aus Gründen der Scham, freiwillig die Exil-Läger auf den Kanalinseln aufgesucht haben. Der Verband Bildender Künstler protestierte energisch gegen die Mitnahme von Kunstobjekten durch die Defraudanten. Es ginge nicht an, so der Verbandspräsident, diese Deregulierung des Kunstmarktes zu tolerieren.
Trotz energischer Hilfe aus dem Wirtschaftsministerium in Koordination mit dem Verteidigungsminister - Räumpanzer walzten ältere Autos einfach nieder, wer sein Auto schon länger als zehn Jahre fuhr, dem wurde der KfZ-Zwangsumtausch angedroht - wollte sich die Automobilindustrie immer noch nicht von ihrer Nachfragekrise erholen. Für den Plan des Wirtschaftsministers, die fertig montierten Wagen sofort auf die Schrottplätze zu fahren, um den wirtschaftlichen Zyklus zu beschleunigen, fand sich in der Koalition keine Mehrheit. Deshalb mussten jetzt Greiftrupps der Militärpolizei Passanten zu den Autohalden der jeweiligen Werke treiben, um sie dort an die Zündschlüssel zu zwingen.
Ganze Bataillone von Heckenschützen wurden zu Hedgefonds-Schützen umgeschult. Noch ließe die Trefferquote zu wünschen übrig, berichtete der "Spiegel", aber ein ausgeklügeltes Prämiensystem, ähnlich dem der Bankvorstände, ermuntere die Soldaten zu einer ruhigen Hand und höherer Treffsicherheit. Als am späten Nachmittag ein amerikanisches Flugzeug voller Hypotheken über Frankfurt gesichtet wurde, nahmen die Anti-Finanz-Terror-Batterien ihren Auftrag mit großer Kaltblütigkeit wahr. Die Maschine wurde abgeschossen. Noch während die brennenden Trümmer über Frankfurt regneten und ein versehentlich getroffenes Hochhaus von der Feuerwehr aufgegeben wurde, versicherte der Kommandeur der Luftwaffe, man habe alles im Griff.
Ehemalige Gegner des Einsatzes der Bundeswehr im Inneren und der dazu notwendigen Verfassungsänderung, kamen im Berliner Dom zu einem Dankgottesdienst zusammen. In der Rede der Kanzlerin wurde nachdrücklich darauf hingewiesen, dass, den Koalitionsverhandlungen entsprechend, der Einsatz der Bundeswehr nur "bei schweren Unglücksfällen" möglich wäre und die jetzige Finanzkrise sei wohl der größte anzunehmenden Unglücksfall der Neuzeit. Feuchten Auges stimmte der Innenminister, den "Auschführungen der Kanzschlerin" zu und wies darauf hin "dasch der neue Schpielraum der Bundeschtruppen" nur dem Gemeinwohl diene. Als das Te Deum angestimmt wurde, entrang sich auch meiner Brust ein Schluchzen: Warum nur hatte ich damals den Kriegsdienst verweigert, zu Bankbesetzungen hätte ich mich gerne freiwillig gemeldet.