Aus der Tiefe des politischen Raumes meldet sich Altkanzler Gerhard Schröder und erzählt der "Rheinischen Post", dass Armin Laschet, Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen, ein prima Kanzlerkandidat der CDU wäre. In Schröders eigener Partei bewerben sich inzwischen acht Kandidaten-Tandems und ein Einzelkandidat um den Parteivorsitz. Alle paar Tage meldet sich ein deutsches Medium mit der Botschaft, dass der grüne Robert Habeck ein sehr guter Kanzler wäre. Mitten in dieser haltlosen Geschwätzigkeit fallen Katja Kipping und Bernd Riexinger, Vorsitzende der Partei Die Linke, angenehm auf: Sie schweigen ziemlich gründlich. Auch die verheerende Wahlniederlage der LINKEN in Brandenburg und Dresden ringt den linken Schweigern bisher nur wenige Worte der Erklärung ab.
Vor den Landtagswahlen hatte Frau Kipping noch einen Traum: Sie wollte die "Krise des Konservatismus" nutzen, "für einen Macht- und Regierungswechsel von links, für eine Regierung gegen den Rechtsblock". Auch Herr Riexinger hatte Visionen und setzte bei der Landtagswahl in Brandenburg auf eine Mehrheit von SPD, Grünen und Linken: "Natürlich würde ich mir wünschen, dass es für eine rot-rot-grüne Mehrheit reicht". Und während der ersehnte sozialdemokratische Koalitionspartner immer noch mit der CDU liiert ist und der sogar einen Kanzlerkandidaten empfiehlt, schweigen sich die Spitzen-Linken aus. Dass der rot-rote Senat in Berlin das größte landeseigene Wohnungsunternehmen mit mehr als 50.000 Wohnungen an Goldman Sachs verkaufte, ist einer linken Wahlanalyse nicht wert. Wie auch der Verkauf von 48.000 städtischen Wohnungen mit Hilfe linker Stadträte in Dresden in der Auswertung des sächsischen Wahlergebnis bei Kipping und Riexinger keine Rolle spielt.
Schweigen gilt manchmal als Beleg für Charakterstärke. Deshalb fallen einzelne Wortbrocken besonders auf. Was den Linken in der Wahlanalyse nicht helfe, wäre jetzt in „reflexhafte Schuldzuweisungen oder Schlachteplatte“ zu verfallen, erklärte Frau Kipping jüngst. Diese subtile Annäherung der Linken-Spitze an die Schlachter-Innung ist wahrscheinlich als neuer Akzent linker Bündnispolitik zu verstehen. Hat doch der Deutsche Fleischer-Verband 21.329 stationäre Verkaufsstellen und gilt mit seinen Thekengesprächen als meinungsbildend. Ob bald an diesen Theken auch Kippings originelle Schuldzuweisung für die brutale linke Wahlniederlage eine Rolle spielen wird? Denn Frau Kipping hatte noch am Wahlabend in der ARD die eigentlich Verantwortlichen ausgemacht: Die Wähler. Die hätten aus taktischen Gründen die CDU gewählt um zu verhindern, dass die AfD stärkste Partei wird. Das ist brillant: Wenn Wähler falsch wählen, sollte man sie von den Wahlen künftig ausschließen.
Auch auf der Website der Linkspartei wird der Wähler als solcher in die Verantwortung genommen: "Die Ausgangslage war ungünstig für die GenossInnen in Brandenburg und Sachsen: Bei beiden Wahlen ging es in den letzten Wochen für viele Menschen darum zu verhindern, dass die AfD stärkste Partei wird. Es fand ein Kopf-an-Kopf-Rennen statt, das in Sachsen der CDU und in Brandenburg der SPD nutzte." Wie kann der Wähler sich nur so enttäuschend verhalten? Auch dass CDU und SPD die schwierige Gemengelage gnadenlos für sich ausnutzten, war ebenso überraschend wie unfair. Den Wählern sollte die Linkspartei schon aus volkspädagogischen Gründen drohen, sich bald ein anderes Wahlvolk zu suchen. Die genannten Parteien wird man wohl nur einschüchtern können, wenn Kipping und Riexinger ankündigen würden, bei ihnen Mitglied zu werden.
Bernd Riexinger hat auf der Website mit "ersten Schlussfolgerungen aus den Wahlen in Brandenburg und Sachsen" auch eine sprachliche Meisterleistung geliefert: "Ideen haben wir, mit neuen Aktiven kommen neue dazu." Welche Ideen mag er nicht sagen, auch über Zahl und Herkunft neuer Aktiver kein Wort. - "Ich werde mich niemals damit abfinden, dass wir bei den letzten Wahlen bei ArbeiterInnen, GewerkschafterInnen und Erwerbslosen verloren haben." Das klingt nach Harakiri. Ob das die Arbeiterklasse beeindruckt? - "Die Gesellschaft und das Parteiensystem sind im Umbruch." - Richtig. Aber wer bricht wohin auf? - „Als LINKE stehen wir vor neuen Herausforderungen und Richtungsentscheidungen". Aber welche das nun sind, will Riexinger lieber nicht sagen. Die Mitglieder sollen ja nicht beunruhigt werden.
Nachdem die LINKE mit Frau Wagenknecht eine ihrer wenigen öffentlich wirksamen Figuren gründlich demontiert hat, schweigen auch die meisten Medien höflich über die Partei. Vielleicht hülfe ja Gerhard Schröder. Wenn der jetzt die Frau Kipping als neue SPD-Chefin ins Gespräch brächte, könnte der Ring des Schweigens rund um die LINKE endlich gebrochen werden. Das würde auch der SPD sehr helfen, denn die hat mit nunmehr 17 Kandidaten immer noch nicht Auswahl genug. Der LINKEN müsste an einem Parteiwechsel von Frau Kipping ebenfalls gelegen sein. Vielleicht könnte dann ja offen über die Verantwortlichen für die Wahlschlappe geredet werden.