Da war sie nun in Zypern, die größte Kanzlerin aller Zeiten, und da sie, als Ex-DDR-Bürgerin glaubt Expertin für nationale Teilungen zu sein, sagte sie dem Präsidenten des griechischen Teils von Zypern: "Wir in Deutschland, und ich ganz persönlich natürlich, verstehen, was die Teilung eines Landes bedeutet. Und deshalb wünschen wir Ihnen von Herzen, dass die Teilung Ihres Landes überwunden werden kann". Das fand der Mann "rührend". Auch dass die Merkel ihm "ein sehr hohes Maß an Kompromissbereitschaft" attestierte, wird den Beifall des Präsidenten gefunden haben. Und weil Merkel einmal dabei war, hat die Kanzlerin gleich von den Türken mehr Bewegung für die Einheit der Insel gefordert. Denn der Südteil der Insel ist griechisch, der Nordteil ist türkisch, und den hat sie erst gar nicht besucht. Was mag sie geritten haben, den NATO-Partner Türkei zu ärgern?
Wenn einer mal Zeit hat, sollte er das Johanes-Evangelium umschreiben. Da steht noch, zur Erkärung der Schöpfungsgeschichte: Am Anfang war das Wort . . . und das Wort war Gott. Das wird die Pastorentochter Merkel noch kennen. Längst müsste es aber heißen: Am Anfang war das Öl und das Öl ist Gott. Denn Merkel folgte auf ihrer Reise nach Zypern der Spur des Öls: Nach der US-Geologie-Behörde Geological Survey lagern vor Zypern und Israel Milliarden Kubikmeter Erdgas und Barrel Rohöl. "Israel und Zypern haben eine exklusive maritime Wirtschaftszone vereinbart. Die Klärung der Seegrenze ist entscheidend für den Schutz von Israels Zugriffsrechten auf die dort lagernden Öl- und Gasreserven", schreibt die israelische Zeitung "Yedioth Ahronot" im Dezember des letzten Jahres. Und dass Frau Merkel dabei sein möchte, wenn die beträchtlichen Energie-Reserven im Mittelmeer ausgebeutet werden, versteht sich. Immerhin hatte ihr Kriegsminister erst jüngst erklärt, dass die Sicherung von Rohstoffen für Deutschland sicherheitsrelevant sei.
Nun ist es so, dass die Seegrenzen vor Zypern auch die Türkei betreffen. Zum einen ist die Küste der Türkei nur 68 Kilometer von der zypriotischen entfernt. Zum anderen hat das türkische Nord-Zypern ebenfalls Interesse an den Rohstoffen, die vor seiner Küste liegen. Selbstverständlich haben Israel und das griechische Süd-Zypern ihr wirtschaftlich, politisch und militärisch bedeutsames Abkommen mit keinem der anderen Mittelmeer-Anrainer-Staaten abgesprochen. Die von Merkel eingeforderte "Bewegung" in der zyprischen Einheitsfrage kann die Türkei auch deshalb nur als blanken Hohn empfinden. Denn der türkisch-griechische Konflikt ist älter und tiefer, als der Elefant aus Templin zugeben will, und es ist mehr Porzellan zu zerschlagen, als die nassforsche Dame zugibt: In und um Zypern gab es Krieg. Vorformen von Krieg gab es jüngst zwischen Israel und der Türkei. Und wer will ausschließen, dass die unberechenbare Regierung Netanjahu mal wieder ein türkisches Schiff wiederrechtlich kapert und die Türkei keine Lust hat, das einfach hinzunehmen?
Es war im schlechten Jahr 1974, als die damalige griechische Militärdiktatur befand, dass sie sich die Insel Zypern einverleiben wollte. Zypern war bis dahin ungeteilt und an den Londoner Garantievertrag von 1959 gebunden. In dem war festgelegt, dass sich Zypern keinem anderen Land anschließen würde und die Garantiemächte dieses Vertrages - Griechenland, die Türkei und England - jeden Angliederungsversuch zu unterbinden hätten. Im Juli 1974, als die griechische Soldateska versuchte, die Insel in ihren Griff zu bekommen, wussten westliche Korrespondenten (UPI, France Soir, Washington Post) von Massakern an zypriotischen Türken zu berichten: Brennende Moscheen, vergewaltigte Frauen, ermordete türkische Kinder und Männer. Daraufhin griff die türkische Armee ein. Sowohl um weitere ethnische Säuberungen zu verhindern, als auch, um die Einhaltung des Londoner Abkommens zu sichern. Seit dieser Zeit ist Zypern geteilt. Und natürlich ein potentieller Konfliktherd. Um diesen Schwelbrand zu löschen, versuchte Kofi Annan, der Generalsekretär der Vereinten Nationen, 2004 mit dem nach ihm benannten Plan, die Einheit der Insel wieder herzustellen. Der Plan scheiterte an den Griechen. Sie lehnten ihn mit 76 Prozent ab, die türkischen Zyprioten stimmten ihm mit 65 Prozent zu. Auch, weil ihnen die EU Hilfsmaßnahmen zusagte. Bis heute löst die EU ihre Versprechen nicht ein. Unter anderem, weil die Griechen jede Maßnahme blockieren.
Immer noch verwechselt die Dame Merkel Außen- mit Innenpolitik. Jeder Punkt gegen die Türkei, so hofft sie, ist ein Punkt für die CDU in den anstehenden Wahlkämpfen. Und wie in Afghanistan glaubt die Kanzlerin auch in anderen Aus-Ländern, dass deutsche Außenpolitik darin besteht, kurzfristige deutsche Interessen durchzusetzen. Dass man langfristig die islamisch geprägte Türkei braucht, um den Nahostkonflikt zu lösen, dass man den dünnen Frieden im Mittelmeer mit einseitiger Parteinahme gefährdet: Was interessiert das eine Kanzlerin, die bei ihrem Blitzbesuch in Afghanistan scheinbar staunend bemerkte: "Das ist etwas, was wir bisher nur aus Kriegsbüchern kannten.“ Was dort gespielte Naivität war, ist in Zypern gespielte Rührseligkeit, die in beiden Fällen das kaschieren soll, was die Kanzlerin der deutschen Industrie versprochen hat: Die Zugänge zu Rohstoffen zu sichern.