Man kann es sich gerade mal wieder bei Youtube anschauen. Ein Klick auf „What Does the Fox Say“ von Ylvis, zwei gut aussehende norwegischen Brüdern, die mittlerweile Millionäre sein dürften. Denn der Song wurde im Netz 300Millionen Mal aufgerufen.
Nochmal zum Nullen zählen: 300 000000.
Worum geht es in diesem Lied? Hier der komplette Text:
„Der Hund macht wuff
Die Katze macht meow
Der Vogel macht tweet
Die Maus macht squeek
Die Kuh macht moo
Der Frosch macht croack
Der Elefant mach toot
Aber es gibt einen Laut
Den niemand kennt.
Wie macht der Fuchs?“
Das ist alles. Dazu kommen ein paar überschaubare Harmonien.
Gute Nacht Abendland!
Nein, man ist kein Puritaner, wenn man sich von dieser textlich-musikalischen Einfalt nicht einfangen lässt.
Mir fällt regelmäßig das Essen aus dem Gesicht, wenn ich in musikalische Zwangshaft genommen werde. Neuerdings dudeln auch nachts in den Self Service Centren der Banken die Hit-Radio-Sender auf Anschlag. Warum habe ich herausbekommen. Damit kein Obdachloser mehr auf die Idee kommt, dort sein Nachtlager aufzuschlagen. Gute Gelegenheit beim Geldabheben überfallen zu werden, denn jeder noch mögliche 110-Hilferuf beim nächstgelegenen Polizeirevier würde vom Diensthabenden als Party-Einladung gedeutet.....schöne Musik bei Ihnen, viel Spaß beim Feiern, sagt der Beamte und legt auf!
Musikalische Umweltverschmutzung nennt man diese Art der Berieselung. Wäre ich Spiele-Erfinderin, würde ich die Figur SILENCIUS mit einem speziellen Lautsprecher-Aufspürdetektor erfinden. In Fußgängerzonen, Bahnhöfen, Fahrstühlen, Kneipen, Massagesalons, Einkaufspassagen, Supermärkten, Anwaltskanzleien, Arztpraxen, Toiletten würden – so die Spielregeln - quäkende Lautsprecher abgeschossen. Wer die meisten Geräuschquellen ausgeschaltet (ja, dieses Wort kommt aus dem „Militärsprech“ und steht für „Humankapital“ töten), hat gewonnen. Mein SILENCIUS wäre auch eine Art Spider-Man. Beim Aufsteigen an Häuserfassaden würde sein Spezialdetektor in Sekundenbruchteilen die Platten-, CD- und mp3-Sammlungen der Bewohner scannen und selektieren und so gleich ein wenig Gehörbildung betreiben.
Dann könnte mir mein Lieblingsnachbar nie wieder seine neue UNHEILIG - CD borgen, - „Barbara, hör dir diese Texte an, der helle Wahnsinn!“ - die Scheibe wäre nämlich auf mysteriöse Weise aus seiner Sammlung verschwunden. Dafür hätte SILENCIUS das Streichquartett „Der Tod und das Mädchen“ von Franz Schubert, die CD „Bad As Mee“ von Tom Waits und das letzte Album der Nouvelle-Vague-Chansonniere ZAZ ins Regal gestellt. Alles Hits – aber eben noch nicht für meinen Nachbarn.
Hit – das englische Wort für Treffen, Schlagen – ist eigentlich eine genaue Bezeichnung für den Daumen-hoch-finde-ich-gut-Button und die Unsitte immer gut zu finden, was auch andere gut finden.
Ich gehöre zur Fraktion der Massenmusik-Verweigerer. Bei jedem Eurovision Song Contest werde ich regelrecht windelweich ge-schlag-en. Und das, obwohl ich die Sendung nicht schaue. Der perfekt inszenierten medialen Mehr-Scheinen-als-Sein-Hysterie kann man nur noch durch das Verlassen den Kontinents entkommen.
Die liebsten Musikhörer sind mir die, die sich ihre Hits selber suchen – oder selber schreiben. Selbst ein Lied, das keiner kennt, kann ein Hit sein. Einer, mit dem man kein Geld verdient. Und doch ein „Schlag“ mitten ins Herz. Für den, der es geschrieben hat und seinen vielleicht einzigen Hörer.
Ach ja, noch dies:
Gute Musik findet man oft dort, wo man sie gar nicht vermutet. Z.B. bei youtube:
Das „london philharmonic orchester – greatest video game music“ anhören. Auch wenn man keine Videospiele mag. Diese Musik kommt aus dem Abendland. Großartig!!!